Ticker zur BundesrichterwahlSVP-Angriff auf eigenen Bundesrichter scheitert: Yves Donzallaz ist wiedergewählt
Die Volkspartei hat versucht, einen ungeliebten Bundesrichter loszuwerden. Erfolglos. Das Parlament hat alle 38 Bundesrichter wiedergewählt. Wir berichteten live.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Parlament wählt heute die 38 Bundesrichterinnen und Bundesrichter für die Periode 2020 bis 2026.
- Die SVP empfiehlt einen ihrer eigenen Bundesrichter Yves Donzallaz zur Abwahl. Das ist höchst ungewöhnlich und wird von den Parteien scharf kritisiert.
- FDP-Präsidentin Petra Gössi sprach gar von einem «Angriff auf die Gewaltenteilung».
- Die SP versucht derweil, die Wahl auf den Dezember zu verschieben. Sollte dies nicht gelingen, droht SP-Chef Christian Levrat damit, keinen der 12 SVP-Richter zu wählen.
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Kommentar: Die SVP-Reaktion ist legitim, aber dumm
Zusammenfassung: Alle bisherigen Bundesrichter wiedergewählt
Die Vereinigte Bundesversammlung hat am Mittwoch alle wieder angetretenen Bundesrichterinnen und Bundesrichter wiedergewählt – auch den von der SVP zur Abwahl empfohlene Yves Donzallaz.
SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi (ZG) argumentierte vor der Wahl vergebens für die Abwahl des eigenen Richters. «Jede Partei hat das Recht, seinen Richter nicht mehr zu wählen.» An einem Hearing sei klar geworden, dass seine Werthaltung nicht mit der Werthaltung der SVP übereinstimme. Die SVP wolle die Verantwortung für Yves Donzallaz nicht mehr tragen. «Wählen Sie ihn, tragen Sie die Verantwortung.»
Die anderen Fraktionen kritisierten das Vorgehen der SVP scharf. Andrea Gmür-Schönenberger von der Mitte-Fraktion (CVP/LU) erklärte, die Partei missachte das Prinzip der Gewaltenteilung. Bundesrichter Donzallaz habe sich nichts zu schulden kommen lassen. Dass er nun von seiner Partei öffentlich abgestraft werde, sei unzulässig.
Und Tiana Moser (GLP/ZH) hielt fest, dass die SVP mit ihrem Vorgehen an den Grundfesten des Rechtsstaates rüttle. Die SVP stelle die Unabhängigkeit aller Bundesrichter infrage. Ausser der SVP unterstützten schliesslich alle Fraktionen die Wahl Donzallaz'.
Parlament stärkt SVP-Richter den Rücken
Die Attacke der SVP auf ihren eigenen Bundesrichter bleibt erfolglos. Die Bundesversammlung hat alle Bundesrichter wiedergewählt. Somit bleibt auch Yves Donzallaz am Bundesgericht tätig. Er machte 177 Stimmen. Also deutlich mehr als vor 6 Jahren (159). Donzallaz war bei seiner Partei in Ungnade gefallen, weil er an verschiedenen Bundesgerichtsentscheiden beteiligt war, die der SVP nicht passten.
Es wird ausgezählt
Jetzt verlassen die Parlamentsweibel und die Stimmenzähler den Nationalratssaal, um in einem Nebensaal das Wahlergebnis zu ermitteln. Das Resultat dürfte im Verlauf des Morgens vorliegen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Die Spannung im Bundeshaus steigt
Jetzt werden die Wahlzettel ausgeteilt. Die Wahl gilt offiziell als geheim. Doch in der Praxis ist das nicht ganz richtig. Grund: Die Wahlzettel sind schon mit den Namen der Kandidaten bedruckt. Wollen Politiker einen Kandidaten nicht wählen, müssen sie ihn streichen. Sie können keine neuen Politiker auf die Liste setzen.
Weil die Parlamentarier sehr nahe beieinander sitzen, gibt es eine gewisse soziale Kontrolle innerhalb der Fraktionen. Man sieht, ob der Sitznachbar zum Schreiber greift, oder den Zettel unverändert einwirft.
Die SP scheitert - Verschiebung der Wahl abgelehnt
Das Parlament will die Bundesrichter heute wählen. Mit 190 zu 42 Stimmen hat es einen Antrag der SP abgelehnt, die Wahl auf Dezember zu verschieben. Der Showdown um den bei der SVP in Ungnade gefallenen Bundesrichter Yves Donzallaz findet also statt. Davor müssen aber noch andere, weniger umstrittene Wahlgeschäfte aus dem Justizbereich behandelt werden.
Die Ständeräte rufen: Nein! Nein! Nein!
Jetzt stimmt das Parlament über den Verschiebungsantrag der SP ab. Weil für die Ständeräte kein elektronisches System vorhanden ist, müssen sie mit Namensaufruf abstimmen. Man ruft «Ja» oder «Nein», wenn der Name aufgerufen wird. Es gibt viele «Nein!»
Anschliessend werden die Nationalräte elektronisch abstimmen.
Beat Walti: «Es gibt keine halben SVP-Bundesrichter»
Immer mehr deutet darauf hin, dass die Bundesrichterwahl heute effektiv stattfindet und alle 37 zur Wiederwahl antretenden Richter gewählt werden. Nach der Mitte-Fraktion und den Grünen will auch die FDP-Fraktion alle kandidierenden Richter wiederwählen. Für Fraktionschef Beat Walti bestätigt die Affäre um den SVP-Richter Yves Donzallaz, dass es kein systematisches Problem gibt mit der Unabhängigkeit der Richter. «Donzallaz hatte das Rückgrat, sich gegen den Druck seiner Partei zur Wehr zu setzen», sagt Walti. «Es gibt keine ganzen oder halben SVP-Bundesrichter. Es gibt nur Bundesrichter.» Auch eine Verschiebung der Wahl auf die Dezembersession, wie sie von der SP beantragt wurde, lehnt die FDP ab.
Grüne kritisieren Einflussversuche der SVP
Auch die Grünen, die drittgrösste Gruppe in der Bundesversammlung, sind heute nicht zu politischen Spielchen aufgelegt. Grünen-Ständerat Mathias Zopfi kritisiert die Einflussversuche der SVP. Er warnt aber auch vor dem Verschiebungsantrag der SP. Die Verschiebung der Wahl würde das Problem nur grösser machen. «Wir würden Zweifel an der Unabhängigkeit des Bundesgerichts säen, das ist nicht gerechtfertigt. Zudem ist es nicht möglich, die Unabhängigkeit eines einzelnen Richters durch Befragung zu ermitteln.»
Gmür: «Bundesrichter sind keine Handlanger ihrer Partei»
Bei der Mitte-Fraktion stösst die SVP auf kein Verständnis. «Bundesrichter sind keine Handlanger ihrer Partei. Sie sind allein dem Recht und seiner Auslegung verpflichtet», sagt Fraktionspräsidentin Andrea Gmür. Der Druck auf die Bundesrichter sei inakzeptabel. Auch den Antrag der SP auf Verschiebung der Wahl lehnt die Mitte-Fraktion ab. «Es braucht jetzt Ruhe im und am Bundesgericht.»
Aeschi: «Dann ist Donzallaz Ihr Richter!»
Die SVP hält an der Abwahlempfehlung für Yves Donzallaz fest. «Ich beantrage ihnen, SVP-Mitglied und Bundesrichter Donzallaz nicht mehr zu wählen», sagt Fraktionspräsident Thomas Aeschi. Begründung: Das Bundesgericht selbst habe die Gewaltenteilung verletzt, weil es entschieden habe, demokratisch gefällte Entscheide nicht umzusetzen. «Die Justiz hat begonnen zu politisieren.» Die SVP könne und wolle die Verantwortung für Donzallaz nicht mehr tragen. Wenn die anderen Parteien ihn wählten, sei er nicht mehr ein Richter der SVP. «Dann ist es Ihr Richter, dann ist es Ihre Verantwortung», so Aeschi.
Caroni warnt vor «Inquisition»
FDP-Ständerat Andrea Caroni, Präsident der Gerichtskommission, warnt vor dem Rückweisungsantrag der SP. Die Unabhängigkeit der Gerichte werde zwar «empfindlich berührt», wenn Richter wegen bestimmter Urteile abgewählt werden sollten. «Die Unabhängigkeit der Justiz wird aber auch tangiert, wenn man alle Kandidaten dem Generalverdacht aussetzt, sie würden nach dem Parteibuch urteilen.» Diese Gefahr sei real. Zudem stellt Caroni den Nutzen einer «Gewissensprüfung» infrage: Kein Kandidat würde vor der Gerichtskommission zugeben, dass er seine Urteile nicht nach dem Gesetz sondern nach Parteibuch fällt. Eine solche «Inquisition» wäre sinnlos, so Caroni.
SP-Jositsch: «Eine Wahl heute ist nicht vertretbar!»
Jetzt spricht Daniel Jositsch. Der SP-Ständerat und Rechtsprofessor verlangt im Namen seiner Fraktion, dass die Gesamterneuerungswahl des Bundesgerichts auf die Wintersession verschoben wird. Die Begründung von Jositsch: «Die Bundesverfassung sieht vor, dass die gewählten Richter unabhängig und nur dem Recht verpflichtet sind.» Die SVP stelle die Unabhängigkeit der Richter infrage, wenn sie «nicht gefügige» Richter wie Yves Donzallaz zur Abwahl empfehle. Jositsch: «Die SVP möchte den politischen Kampf ins Bundesgericht tragen.» Für Jositsch und die SP ist fraglich, ob die SVP-Richter noch unabhängig sind. Diese Frage müsse vor der Gesamterneuerungswahl geklärt werden. «Eine Wahl heute ist nicht vertretbar.»
Die Sitzung ist eröffnet
Nationalratspräsidentin Isabelle Moret hat die Sitzung eröffnet. Jetzt beginnt der Krimi um das Bundesgericht. Die Bundesversammlung muss 38 Richter am Bundesgericht bestimmen. 37 Richter stellen sich zur Wiederwahl. Der bisherige Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer tritt ab.
Für Spannung sorgt insbesondere die Nichtwahl-Empfehlung der SVP für ihren eigenen Richter Yves Donzallaz. Bevor die Bundesversammlung zur Wahl schreitet, wird es eine Debatte geben mit Fraktionserklärungen.
Ausgangslage
In wenigen Minuten beginnt im Bundeshaus die Gesamterneuerungswahl des Bundesgerichts. Selten war die Ausgangslage so angespannt. Der Grund: Vor zwei Wochen hat die SVP entschieden, einen ihrer eigenen Richter nicht zur Wiederwahl zu empfehlen (lesen Sie hier, wie es dazu kam). Es handelt sich um Yves Donzallaz. Der Walliser ist bei der SVP in Ungnade gefallen, weil er an verschiedenen Entscheiden beteiligt war, die seiner Parteispitze nicht passen. «Es zeigt sich klar, dass Herr Donzallaz unsere Werte nicht teilt», sagte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi im Interview mit dieser Redaktion.
Eine politisch motivierte Abwahlempfehlung gegen einen eigenen Bundesrichter ist höchst ungewöhnlich. Das Manöver wird von den anderen Parteien scharf kritisiert. Für FDP-Präsident Petra Gössi handelt es sich um einen «Angriff auf die Gewaltenteilung». Die SP geht noch einen Schritt weiter. Ein Antrag, die Wahl des Bundesgerichts auf die Dezembersession zu verschieben, um zu untersuchen, wie die SVP Druck auf ihre Richter ausübt, scheiterte zwar im Ratsbüro. Doch die SP will heute den Antrag im Plenum nochmals vorbringen. Fällt der Antrag abermals durch, will SP-Präsident Christian Levrat keinen der 12 SVP-Richter wählen, wie er gegenüber SonntagsBlick erklärte.
Doch auch für die SVP-Spitze könnte es ein dornenvoller Morgen werden. Bereits die Empfehlung zur Nicht-Wahl Donzallaz’ wurde nur von einer knappen Mehrheit der Fraktion getragen. Macht Yves Donzallaz heute ein gutes Ergebnis, kommt dies einer Desavouierung der SVP-Spitze gleich. (lnz)
Artikel: Der SVP-Richter und seine Henker
Am Anfang war Liebe, jetzt nur noch Hass: Die SVP schiesst ihren eigenen Bundesrichter ab. Dabei hat die Partei Yves Donzallaz einst gegen alle Widerstände durchgeboxt. Lesen Sie hier die Geschichte einer Entfremdung.
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