Impfung gegen CoronavirusHausärzte befürchten, Impfstoff wegwerfen zu müssen
Noch immunisieren die regionalen Hausärzte ihre Patienten, doch die Wartelisten schrumpfen. Viele zögern darum, weiteren Impfstoff zu beziehen.
Zuletzt waren alle Blicke auf die Zürcher Impfzentren und Apotheken gerichtet. Dies, nachdem der Kanton in der ersten Mai-Woche vermeldet hatte, dass in den Impfzentren Termine für Personen ab 16 Jahren freigeschaltet seien und nun auch Apotheken beginnen würden, zu impfen. Durch die Meldungen etwas in den Hintergrund gerückt sind die Hausärzte – doch auch da tut sich einiges.
Seit Januar sind Praxen daran, besonders gefährdete Patienten zu immunisieren. Aufgrund der Lieferengpässe des Moderna-Impfstoffs, den die Hausärzte prioritär erhalten, kam es zu Verzögerungen, es entstanden lange Wartelisten. Jetzt, einige Monate später, hat sich die Situation jedoch entschärft. Die meisten Risikopatienten sind, zumindest in den regionalen Arztpraxen, durchgeimpft, die Wartelisten teils deutlich geschrumpft – oder gar inexistent.
In der Folge ergibt sich eine spezielle Konstellation: Während die Termine in den Zentren in Meilen und Horgen innert Stunden weggingen wie warme Semmeln und in einigen Apotheken noch nicht klar ist, ob und wann sie mit dem Impfen beginnen, sind einige Arztpraxen auf der Suche nach Impfwilligen, damit der Impfstoff überhaupt verwendet werden kann. Diese Suche gestaltet sich jedoch schwierig. Bereits gibt es Hausärzte um den Zürichsee, die zögern, weiteren Impfstoff zu beziehen. Zu gross ist das Risiko, dass Impfdosen ungenutzt weggeworfen werden müssen.
Schwierig, spontane Termine zu vereinbaren
Hannes Frick, Bezirksarzt von Horgen, ist einer dieser Hausärzte. Noch Anfang Frühling wuchs die Warteliste in seiner Oberriedener Praxis auf 600 Patienten an, er musste die Leute vertrösten und riet ihnen, sich in den Impfzentren anzumelden. Mittlerweile gibt es bei Frick keine Warteliste mehr.
Zwar stehen in seiner Praxis in den nächsten Wochen noch jeweils 100 Erst- und Zweitimpfungen an. Danach sei jedoch Schluss. Jedenfalls für den Moment. «Wir haben dann alle Risikopersonen durchgeimpft und werden keinen weiteren Impfstoff vom Kanton bestellen.»
«Kleinere Praxen verfügen nicht über die nötige Flexibilität, auf derzeitige Begebenheiten angemessen zu reagieren.»
Weshalb? Frick sieht das Problem in den Mengen an Impfdosen, welche die Praxen jeweils vom Kanton erhalten. «Wir können nur 100 Dosen aufs Mal beziehen, finden aber nicht mehr genug Leute dafür.» So drohe das Szenario, dass sie nicht alle Dosen verabreichen könnten und solche stattdessen im Müll landeten. Der Moderna-Impfstoff könne zwar bis zu 30 Tage lang gelagert werden, doch einmal geöffnet, müssen jeweils Blöcke von zehn Impfdosen innert weniger Stunden verimpft werden.
Spontane Termine zu vereinbaren, sei äusserst schwierig. «Kleine Praxen verfügen nicht über die nötige Flexibilität, auf die derzeitigen Begebenheiten angemessen zu reagieren», erklärt Frick. So benötigten Genesene nur eine Impfung. Die überzählige Dosis könne zwar einem anderen Patienten verabreicht werden, diesem fehle dann aber eine Zweitimpfung.
«Auch können wir Zweitimpftermine wegen Ferienabwesenheiten nicht einfach verschieben. Das alles ist in Impfzentren möglich.» Darum höre Frick nun vorerst mit den Impfungen auf, auch des Aufwands wegen. «Das gibt unserer Praxis etwas Entlastung.»
Immer mehr jüngere Patienten
Ähnlich geht es Meilens Bezirksarzt Andreas Steiner. Noch vor einigen Wochen war die Warteliste in seiner Praxis in Küsnacht mehrere Hundert Patienten lang, nun kommen die letzten 290 Personen in den nächsten 14 Tagen an die Reihe. Bis heute hat Steiner 660 Patienten Erst- und Zweitimpfungen verabreicht, dies an ganztägigen organisierten Impftagen in der Praxis.
«Plötzlich fällt ein Viertel der geplanten Impfungen weg und wir müssen andere Personen finden.»
Zuletzt sei es jedoch schwieriger geworden, Patienten für die Impfung aufzubieten. Immer öfter sei es vorgekommen, dass Leute von der Warteliste mittlerweile bereits einen Termin in den Impfzentren vereinbart hätten. «So fällt plötzlich ein Viertel der geplanten Impfungen weg, und wir müssen andere Personen finden, damit wir die verfügbaren Dosen noch verimpfen können», erklärt Steiner.
Dadurch kämen in den Praxen auch jüngere Menschen zum Zug. «Ganze Familien konnten schon bei ihren Hausärzten geimpft werden, zuerst die Eltern, danach ihre erwachsenen Kinder.» Ironischerweise entstehen in einigen Praxen gar erneut Wartelisten, da sich Junge und auch Reisebegeisterte schnell impfen lassen wollen.
Man darf beim Hausarzt nachfragen
Steiner kann dennoch einzelne Hausärzte verstehen, die einen Schlussstrich ziehen wollen. Zu gross sei der Aufwand, zu mühsam und unsicher die Planung und Organisation. Und auch die Vergütung sei nicht zufriedenstellend: «Die zusätzliche kantonale Abgeltung deckt den grossen Aufwand in keiner Weise ab.» Hinzu kommt, dass eine neue kantonale Impf-Software zur Datenerfassung für rote Köpfe bei den Zürcher Hausärzten sorgt.
Die Gesundheitsdirektion betont jedoch, dass sie auch im weiteren Verlauf der Impfaktion auf die Hausärzte setzen will. Viele Hausärzte setzten sich denn auch ein und machten mit, was der Meilemer Bezirksarzt sehr befürwortet: «Das Ziel ist jetzt, möglichst rasch für die breite Bevölkerung eine Impfung anzubieten.»
Steiners Tipp für alle Impfwilligen: «Wer noch keinen Termin in einem Impfzentrum ergattert hat, der soll auch bei seinem Hausarzt nachfragen.» Zusätzliche Impfdosen werden im Juni geliefert. Die Hausärzte, die weiterimpfen werden, sind dann froh um jeden Impfwilligen, jung oder alt. «Finden wir genug Leute, können wir so nochmals einen Zacken zulegen.»
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