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Neue Impf-Software in Zürich
Verärgerte Zürcher Hausärztinnen stoppen das Impfen

Wegen einer komplizierten Software, die zu viel Zeitaufwand verursacht, gibt Hausärztin Ursula Köppel aus Oberweningen das Impfen auf.
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Hausärztin Ursula Köppel von der Gemeinschaftspraxis in Oberweningen hat genug. 370 Patientinnen und Patienten hat sie bisher gegen Covid-19 geimpft und in einem speziellen System registriert. Doch diese Art der Registrierung soll ab Montag nicht mehr möglich sein. So will es die Zürcher Gesundheitsdirektion. Neu gilt die Erfassung der Daten über ein Programm namens Vacme. «Dieses Tool ist viel zu kompliziert und daher unbrauchbar», sagt Köppel.

«Es bedeutet zudem einen sehr hohen Personaleinsatz, den wir in unserer Praxis nicht bewältigen können.» Die 50 Franken, die sie pro Impfung vergütet bekomme, reichten nicht aus, um den Aufwand zu decken. Und der Betrag würde sogar noch gekürzt werden, falls man nicht auf das neue Tool umsteige, wie die Gesundheitsdirektion angekündigt habe. Nun zieht Köppel einen Schlussstrich: Sie stoppt das Impfen in ihrer Praxis. Es bleiben nur noch die bereits vereinbarten Termine, um die zweite Dosis zu verabreichen.

«Das grosse Chaos» und die verärgerten Ärztinnen

Josef Widler, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft, versteht Ursula Köppels Frust. In ihrem Ärger auf die Umstellung und die «unnötige Bürokratie», wie Widler selbst sagt, hätten ihm Hausärzte die Bude eingerannt. Widler holt aus: Als das Onlineportal zur Impfanmeldung am 30. Dezember 2020 aufgeschaltet wurde und wegen der grossen Nachfrage gleich zusammenkrachte, beauftragte Widler ein paar Informatikerinnen, ein eigenes Programm zu entwickeln. Damit sollten Hausärzte eine Impfung ganz einfach abwickeln können: Einmal eingeben, und die Daten werden an Kanton, Bund, Krankenkasse geschickt.

Seit dem 19. Januar ist dieses Programm in Betrieb. «Es ist professioneller und sicherer als Vacme», sagt Widler.

«Es lohnt sich nicht, einen Aufstand zu veranstalten», sagt Josef Widler, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft, hier in seiner Praxis in Zürich.

Der Grund für die jetzige Software-Umstellung sind nicht die Arztpraxen. Sondern Spitäler und Altersheime. Sie hielten noch in Excel-Tabellen fest, wem sie die Impfung verabreicht hatten. Diese Excel-Tabellen muss die Zürcher Gesundheitsdirektion nun in ihr eigenes System importieren. Noch ist sie dran. Das führt dazu, dass die Verantwortlichen im Kanton Zürich zurzeit gar nicht wissen, wer alles geimpft wurde. Der Kanton schätzt, dass 100'000 Hochrisikopersonen beide Impfdosen und nochmals so viele eine Dosis erhalten haben. Für diesen statistischen Blindflug wurde Zürich vom Bund kritisiert.

Einen Aufstand wegen der Umstellung will Josef Widler nun aber nicht anzetteln. «Jetzt kommt halt Vacme. Die Berner, die es seit längerem verwenden, sind ja zufrieden.» Ausserdem würden nun zunehmend jüngere, mobilere Leute geimpft, die sowieso eher Impfzentren als Arztpraxen aufsuchten.

Ausserdem, sagt Josef Widler, gebe es nun aufgrund der deutlichen Kritik eine Übergangslösung. So habe er sich mit Natalie Rickli, der Gesundheitsdirektorin, getroffen und einen Kompromiss gefunden: Alle Impfungen, die bis zum 3. Mai gebucht sind, auch wenn man die zweite Dosis erst danach erhält, können noch im alten System durchgeführt werden. Definitiv umsteigen müssen die Hausärztinnen nach dem 31. Mai.

Über 750 Arztpraxen von insgesamt 3100 in Zürich seien bereits bei Vacme registriert und bereit, ab kommender Woche damit zu arbeiten, schreibt die Zürcher Gesundheitsdirektion. Angesprochen auf die Kritik, die Systemumstellung bedeute unnötige Bürokratie und viel Aufwand für Hausärztinnen, verweist die Gesundheitsdirektion auf die entsprechende Übergangslösung. Damit werde der Aufwand «möglichst klein» gehalten.

Die Umstellung ergebe aber durchaus Sinn. Es sei jetzt, aber auch in Zukunft wichtig, eine einheitliche Software und Datenquelle für die Impfdaten zu haben, schreibt die GD weiter. Sowohl für das eigene Monitoring des Impffortschritts in Echtzeit als auch für «ein automatisiertes Reporting» an das Bundesamt für Gesundheit.

Hoher administrativer Aufwand

Peter Wespi ist nicht überzeugt von der Übergangslösung. Der Präsident der Ärztegesellschaft des Zürcher Unterlandes mit eigener Praxis in Dielsdorf stoppt das Impfen. Auch er berichtet: «Die Ankündigung über das neue Impftool hat einen Sturm der Empörung ausgelöst.» Berufskolleginnen und -kollegen hätten sich bei ihm gemeldet und sich über das Vorgehen der Gesundheitsdirektion beklagt. Denn eine Information war erst am vergangenen Freitagabend verschickt worden.

Wespi selber hat am Wochenende versucht, sich in die neue Plattform einzuarbeiten. «Ich habe Stunden gebraucht, um alles zu verstehen und zu testen», sagt er. Vacme sei ein sehr aufwendiges Tool. «Man muss zum Beispiel eine Nummer mit 20 Ziffern von der Krankenkassenkarte erfassen. Das alles ist äusserst mühsam und zeitintensiv.» Diese Woche habe eine seiner Mitarbeiterinnen einen ganzen Tag lang die Daten im neuen Tool eingegeben. Auf Dauer sei diese zusätzliche Arbeit für die Angestellten nicht zumutbar.

Ab Mitte Juni macht Wespi nicht mehr mit beim Impfen. «Bis dann habe ich noch Termine festgelegt, nachher ist Schluss.»

Wieder für Patientinnen und Patienten da sein

«Extrem genervt» über das Vorgehen der GD hat sich auch Jürg Fatzer, der eine Hausarztpraxis in Dielsdorf führt. «Die bisherige Erfassung der Daten hat gut funktioniert. Ich sehe nicht ein, weshalb wir jetzt auf eine kompliziertere Plattform umsteigen sollen.» Für die Seniorinnen und Senioren, die sich für einen Impftermin anmelden, sei das viel zu mühsam. Viele bräuchten Unterstützung von seinem Praxisteam. «Dieser Mehraufwand führt zwangsläufig zu einer Überbelastung. Das gilt es zu vermeiden.»

Er findet es richtig, dass Hausärztinnen und Hausärzte Druck auf die GD ausgeübt haben. Aber auch Fatzer hat sich entschlossen, künftig aufs Impfen in seiner Praxis zu verzichten. «Wir sind es unseren Patientinnen und Patienten schuldig, uns wieder um ihre Beschwerden zu kümmern. Diese Aufgabe ist in letzter Zeit eindeutig zu kurz gekommen.»

Wie viele Zürcher Hausärzte nun mit dem Impfen aufhören, ist unklar. Unklar auch, ob die Impfzentren dies auffangen können.