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Star-Investor in der Krise
Hat Warren Buffett seinen Riecher verloren?

Investoren-Legende Warren Buffett wirkt in der derzeitigen Krise unsicher.
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Der 89-jährige Mann sitzt allein auf einer Bühne vor einem Mikrofon. Neben sich ein Glas Cherry-Cola und vor sich ein Stapel Papiere. Er spricht mit heiserer Stimme und häufigen, langen Pausen zu einem leeren Raum. Es war ein schwerer Tag für Warren Buffett, nicht nur, weil er von früheren Aktionärstreffen her anderes gewohnt ist: Ein Publikum, das lacht und applaudiert.

Er muss eine massive Fehlinvestition in die US-Luftfahrtindustrie bekannt geben und zum ersten Mal überhaupt in seiner Karriere gestehen, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Er weiss nicht, wie er Barreserven von 137 Milliarden Dollar investieren soll, und selbst die Aktien seines Firmenkonglomerats sieht er nicht als kaufenswert.

Analysten und Fondsmanager zeigten sich nach der virtuellen Aktionärsversammlung ebenso ratlos wie Buffett. «Es scheint, als wollte er nicht enttäuschen, obwohl er sich in einer enttäuschenden Situation befindet», meinte Josh Brown von der Ritholtz Wealth Management. «Wir haben das Ende wohl noch nicht ganz erreicht, aber es ist nahe.» Kelly Evans, Finanzanalystin des Wirtschaftssenders CNBC, erklärte sich überrascht, dass Buffett die aktuelle Börsenschwäche anders als in früheren Fällen nicht zum Kaufen genutzt und zugleich sämtliche Airlines-Aktien auf einem Tiefstand verkauft hatte. Mag sein, dass Buffett in den kommenden Monaten ein genialer Schachzug gelingt, so Evans. «Doch es sieht zunehmend und wohl unausweichlich nach dem Ende einer Ära aus.»

Keine Ideen mehr

Das triste «Woodstock für Kapitalisten» dieses Jahres, wie Buffett das Aktionärstreffen nennt, überraschte nicht. Der Mangel an neuen Ideen war in den letzten Jahren immer klarer zu sehen. 2016 etwa kaufte er tonnenweise Airline-Papiere, obwohl er die Anleger oft davor gewarnt hatte, Geld in «Geldfallen» wie den Airlines zu versenken, und obwohl er selber mit der bankrotten US Air bereits früher eine Bruchlandung gemacht hatte.

Gleichzeitig verpasste er den fundamentalen digitalen Wandel der Wirtschaft und vergab sogar die einmalige, von den Google-Gründern offerierte Chance, sich an Google zu beteiligen. Stattdessen kaufte Buffett Aktien von IBM, einem Tech-Giganten von gestern, sah den Fehler lange Zeit nicht und musste das IBM-Paket schliesslich nach einem siebenjährigen Kampf mit Verlusten in Milliardenhöhe abstossen. Dafür kaufte er Apple und wurde rasch zum drittgrössten Investor des Unternehmens. Zu diesem Zeitpunkt hatte Apple das
starke Wachstum bereits hinter sich; den massiven Aufschwung 20 Jahre zuvor hatte Buffett verpasst. Er kaufe eben nichts, von dem er nichts verstehe, sagt er.

Schulden von über 100 Milliarden

Gleichzeitig räumte er am Wochenende ein, die Anleger seien besser bedient, einen breiten Index-Fonds zu kaufen, als Berkshire Hathaway, da sein Konglomerat zu schwerfällig geworden sei, um den Durchschnitt zu übertreffen.

«Als Buffett sich am Samstag als Treuhänder von Berkshire bezeichnete, lief es uns kalt den Rücken hinunter.»

Bill Smead, Fondsmanager

Dieses Zaudern und der Mangel an Ideen machten das Unternehmen nur noch träger. Inzwischen sind die Barreserven auf 137 Milliarden Dollar angeschwollen, denen zusammen mit Schulden von über 100 Milliarden die erklärten Buffett-Fans wenig abgewinnen können. «Als Buffett sich am Samstag als Treuhänder von Berkshire bezeichnete, lief es uns kalt den Rücken hinunter», schreibt Fondsmanager Bill Smead. «Doch wir investieren nicht in Berkshire, um kein Geld zu riskieren, sondern um Vermögen auf lange Frist zu schaffen.» Buffett und der um sechs Jahre ältere Compagnon Charlie Munger haben viele Aktionäre zwar sehr reich gemacht, doch können die Berkshire-Aktien seit etlicher Zeit nicht mehr mit dem Hauptindex der US-Börse mithalten.

Das fällt umso mehr ins Gewicht, als Buffett - anders als Apple - die hohen Reserven nicht für Dividendenzahlungen braucht. Das Festhalten an alten Unternehmen mit wenig Wachstum wie Coca-Cola schafft umso weniger Mehrwert, als Buffett auch massiv Geld in der schrumpfenden Finanzindustrie
versenkt hat.

«Ich lag dag daneben.»

Warren Buffett zu Airline-Aktien.

Das Unbehagen der Anleger zeigt sich diese Woche an einem anhaltenden Verkaufsdruck und einer klaren Abwertung der Berkshire-Aktie. Verunsichern dürfte vor allem der Entscheid von Buffett, sämtliche Aktien der vier grossen US-Airlines abzustossen und Verluste auf einem Tiefpunkt der Börse zu realisieren. «Ich lag dag daneben», erklärt er dazu lakonisch.

Goldman Sachs bettelte früher um Hilfe

Solche Zweifel hatte er in der Vergangenheit nicht. Wenn es krachte, dann kaufte er zu tiefen Preisen hinzu, wie in den Krisen von 1998 und 2008. Vor zwölf Jahren bettelten bedrängte Firmen wie General Electric und Goldman Sachs um Hilfe, die er gerne und zum lukrativen Vorteil für sich gewährte. Diesmal wollte und konnte er die Krise nicht im gleichen Stil nutzen.

Ganz seine Schuld war das allerdings nicht. Die US-Notenbank warf im März und April derart viel Geld in die Märkte, dass es für Geldgeber wie ihn gar keinen Bedarf mehr gab. «Die Unternehmen konnten sich Geld zu Bedingungen beschaffen», bedauerte er, «die wir nicht gewähren konnten.»

Mag sein, dass ihm tatsächlich noch ein Coup gelingt und er die Stagnation überwinden kann. Wenn nicht, so «brauchen sich unsere Aktionäre keine Sorgen zu machen. Ihr Unternehmen ist zu 100 Prozent auf unseren Abgang vorbereitet», sagte Buffett.