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Handyregeln bei den Topclubs
Tiktok als Newsquelle der Jungen? Der Captain sorgt sich

Switzerland's Andi Zeqiri, Denis Zakaria and Zeki Amdouni, from left, use their mobile phones prior to the UEFA Euro 2024 qualifying group I soccer match between Romania and Switzerland at the National Arena stadium in Bucharest, Romania, Tuesday, November 21, 2023. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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In Kürze:
  • Der Handykonsum in Fussball- und Eishockey-Garderoben nimmt zu.
  • Die Clubs reagieren darauf auch mit Bussen.
  • Captains aus dem Eishockey und dem Fussball erzählen von ihren Sorgen in Bezug auf den Handykonsum.

Lukas Görtler sitzt gerade am Flughafen, als er den Abruf entgegennimmt. Mit dem FC St. Gallen geht es nach Brügge für ein Spiel in der Conference League. Also hat Görtler Zeit. Thema: Handynutzung im Teamsport.

Görtler schaut auf seine ebenfalls wartenden Kollegen, und etwas fällt ihm auf: «Die XXL-Kopfhörer nerven mich mehr als die Handynutzung.» Manchmal spricht er im Bus jemanden an, und der hört ihn nicht. «Dann fühle ich mich etwas einsam», sagt der 30-jährige Captain des Teams. Sein Sitznachbar Albert Vallci kriegt dann jeweils etwas zu hören. «Den stauche ich oft zusammen», sagt Görtler und lacht. 

12.08.2023; Genf; Fussball Super League - Servette FC - FC St. Gallen;
Warm Up Lukas Goertler (St.Gallen) 
(Urs Lindt/freshfocus)

Auch nach den Spielen zücken Spieler oft als Erstes das Handy. Görtler bedauert das. Vor zwei Wochen gewann St. Gallen zu Hause 4:1 gegen den FCZ. «Die Stimmung war überragend – und ab dem Moment, in dem du in der Kabine bist, schaut jeder auf den Bildschirm. Da wäre es schon cool, könnte man mehr über das Spiel reden, zusammen feiern oder leiden.» 

Und noch etwas macht ihm Sorgen: Instagram und Tiktok als Informationsquelle. Es kam auch schon vor, dass er fragende Blicke erntete, als er beim Frühstück ein Thema aus dem Nahostkrieg in die Runde brachte. 

Ein ähnlicher Typ wie Görtler ist Loris Benito. Er ist Captain bei den Young Boys und weiss, wovon der Kollege aus St. Gallen spricht. Er sagt: «Die Älteren im Team verstehen gewisse geopolitische Zusammenhänge und reden darüber.» Viele Junge würden vor allem das Extreme auf ihre Smartphones gespielt bekommen. 

17.09.2024; Bern; Fussball UEFA Champions League - BSC Young Boys - Aston Villa; 
Loris Benito (YB) 
 (Toto Marti/Blick/freshfocus) 
--------------------------------------------------------------------- ACHTUNG REDAKTIONEN: KEINE ABONNEMENTS, ES GELTEN DIE PREISEMPFEHLUNGEN DES SAB - MANDATORY CREDIT, EDITORIAL USE ONLY, NO SALES, NO ARCHIVES ---------------------------------------------------------------------

Benito erinnert sich, wie er in die erste Mannschaft des FC Zürich kam und sein erstes iPhone bekam. 2012 war das. «Was jetzt heraussticht, sind die sozialen Medien», sagt er. «Bei mir sah das noch so aus: nach Hause kommen, im MSN einloggen und auf Facebook mal ein Foto posten.» Heute sei der Informationsüberfluss enorm.

Görtler und Benito räumen ein, dass sie selbst auch oft am Handy sind. Sie sehen das Phänomen eher als Typfrage denn als Eigenschaft der Generationen. «Ich laufe deshalb nicht herum und sage den Jungen: ‹Du bist zu lange am Handy!›», sagt Benito. Eine gewisse Eigenverantwortung müsse man den Spielern überlassen.

Damit der Handykonsum nicht überhandnimmt, stellen die Clubs Regeln auf, Benito und Görtler sind in Bern respektive in St. Gallen als Captain für die Einhaltung zuständig. Bei den Grasshoppers ist Amir Abrashi der Chef. Und wenn man ihm so zuhört, ein eher strenger. «Wenn ich in der Garderobe vor dem Spiel jemanden telefonieren oder schreiben sehe, dann gibt es sofort eine Busse», sagt er. Kassenwart Giotto Morandi treibt das Geld ein. 

21.09.2024; Zuerich; Fussball Super League - Grasshopper Club Zuerich - Servette FC, Amir Abrashi (GC) und $Team vor Fans
(Claudio Thoma/freshfocus)

Auch im Kraftraum oder beim Physio habe das Handy nichts zu suchen. Abrashi geht es dabei nicht zuletzt um das Verhalten gegenüber den Menschen, die im Club arbeiten. «Wenn man während einer Behandlung ständig am Handy ist, ist das respektlos», sagt er. Ohnehin sei man auch dort, um zu entspannen. «Wie soll das gehen, wenn man ständig am Handy ist?» Man müsse dem Körper Zeit geben, sich zu erholen.

Nintendo und «Brändi Dog»

Früher habe er sich mit anderen Spielern viel mehr unterhalten, sagt Abrashi. Görtler berichtet, wie er früher mit seinen Kollegen Schafkopf gespielt habe, vergleichbar mit Jassen. Benito sagt, als er 2015 zum ersten Mal zu YB gekommen sei, habe es eine Nintendo-Gruppe gegeben, die oft zusammengekommen sei und «Mario Kart» gezockt habe.

Vielleicht könnten Abrashi, Görtler und Benito ja das Spiel ins Team bringen, das im Frauenfussball gerade rauf und runter gespielt wird: «Brändi Dog». Naomi Mégroz, Captain der FCZ-Frauen, gehört zu den Initiantinnen im Schweizer Nationalteam. Die «FCZ-Oldies», wie Mégroz sagt, etablierten das Brett- und Kartenspiel im Team, nun wird es in jedem Trainingslager gespielt.

Bezüglich Handynutzung haben auch die FCZ-Frauen ihre Regeln. Mégroz spricht Bussen aus und kassiert das Geld ein. Das meiste Geld macht sie allerdings, wenn Spielerinnen vergessen, den obligatorischen Fragebogen zu ihrem Wohlbefinden auszufüllen. 

30.04.2022; Zuerich; Fussball Women's Cup Final 2022 - FC Zuerich Frauen - Grasshopper Club Zuerich;
Seraina Piubel (Zuerich) jubelt nach dem Tor zum 4:1 mit Meriame Terchoun, Naomi Megroz und Fabienne Humm (Zuerich)
(Benjamin Soland/Blick/freshfocus)
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Bei den FCZ-Frauen kam es in den letzten Jahren zu einem Umbruch. Ältere Spielerinnen wie Fabienne Humm sind weg, das Durchschnittsalter sank massiv. Sie merke das schon, sagt Mégroz, selbst auch erst 26. «Der älteren Generation ist es wichtiger, nach dem Training gleich zu duschen, um schnell zu Hause zu sein, die Jungen sind dann eher noch etwas am Handy.»

Bei einigen Spielerinnen fehlt aber schlicht die Zeit dafür, lange am Handy zu sein. Auch Mégroz arbeitet neben dem Fussball in einem 80-Prozent-Pensum. Im Nationalteam hat sie mehr Freizeit, aber eben: Dann kommen sie alle zusammen und spielen lieber «Brändi Dog». 

Der Captain, der noch mit Kassetten Musik hörte

Und wie sieht es im Spitzeneishockey aus? Die Regeln in den Schweizer Kabinen sind unterschiedlich. Ein Privileg hat wie im Fussball jeweils der DJ der Mannschaft. Das ist zum Beispiel in Zürich, Bern und Davos gleich: Wer für die Musik zuständig ist, muss sein Telefon dabeihaben, um es mit der Soundanlage verbinden zu können. Ansonsten gilt an allen drei Orten: Das Handy darf nicht in die Garderobe!

Andres Ambühl, 41-jähriger Captain des HC Davos, hat die Zeit ohne Smartphones als Aktiver noch miterlebt. Als er 2001 in die 1. Mannschaft kam, war zum Beispiel klar: Auch im Teambus wird nicht telefoniert. «Aber damals verwendeten wir für die Musik CDs oder sogar Kassetten – die Zeiten haben sich geändert.»

26.01.2024; Bern; Eishockey National League - SC Bern - HC Davos; Andres Ambuehl (Davos) gegen Ramon Untersander (Bern) (Daniela Frutiger/Freshfocus)

Regeln wurden seither darum überall gelockert. «Man kann heute kaum noch durchsetzen, dass das Handy auch im Vorraum, wo wir die Strassenkleider ausziehen, oder im Kraftraum verboten wäre», sagt Berns 33-jähriger Captain Ramon Untersander.

Genau darüber diskutierten die Zürcher Spieler beim Umzug in die neue Swiss-Life-Arena: «Wir überlegten uns, die gesamte Homebase zur handyfreien Zone zu erklären», sagt Captain Patrick Geering, mit 34 ebenfalls ein Spieler der älteren Generation. Heraus kam ein Kompromiss: In den Vorräumen soll es beim gemeinsamen Entspannen möglich sein, sich Bilder und Videos auf dem Handy zu zeigen. Wer aber in der Garderobe erwischt wird, muss 50 Franken Busse bezahlen.

Denn es gibt sie hin und wieder, die «Schlaumeier». Geering erzählt vom früheren Goalie Lukas Flüeler, der Tricks gekannt habe, das Handy heimlich zu bedienen: «Er sass dann da mit den Schonern, die über dem Knie für einen knapp 15 Zentimeter hohen Sichtschutz sorgten. Dahinter platzierte er das Telefon. Natürlich erwischten wir ihn.»

30.04.2024; Zuerich; EISHOCKEY NATIONAL LEAGUE - Playoff Final - Spiel 7; ZSC Lions - Lausanne HC; 
Warmup; Patrick Geering (ZSC) 
 (Martin Meienberger/freshfocus)

Die Captains betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, Polizist zu spielen. «Aber mir ist wichtig, dass wir häufiger miteinander reden, als auf die Handys zu starren», sagt Ambühl. Darum gelte in Davos auch beim Mittagessen: Das Telefon bleibt in der Hosentasche.

Geering seinerseits versucht, die eingestampfte Jassrunde im Bus wieder zum Leben zu erwecken. Nicht einfach, da die Jüngeren lieber mit dem Handy gamen. Allerdings hat Geering mit Freude festgestellt, dass es oft gemeinsame Spiele sind: «Quasi das neue Jassen.»

30.12.2023; Davos; EISHOCKEY POSTFINANCE WOMEN'S LEAGUE - HC Davos Ladies - HCAP Girls; 
Leah Marino (Davos) jubelt nach dem Tor zum 2:1 
 (Martin Meienberger/freshfocus)

Dies ist auch in Frauenteams zu beobachten, wo die Spielerinnen im Schnitt jünger sind. Leah Marino ist im Captainteam des HC Davos, die 24-Jährige erzählt vom Ratespiel «Heads Up», das im Bus gespielt werde. Die Handyregeln bei den Davoserinnen sind nicht so streng wie bei den Männern: «Man darf das Telefon in die Garderobe nehmen, aber nicht telefonieren.»

Dass dies aber nichts mit dem Geschlecht zu tun hat, zeigt ein früheres Beispiel aus Marinos Karriere. Die Amerikanerin spielte drei Jahre College-Hockey, in ihrem Team galt: Kein Handy in der Garderobe, kein Handy im Bus, nicht einmal Reden war auf der Fahrt zu den Auswärtsspielen gestattet: «Nur Ruhe.»