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Rekordverdächtiger Jobwechsel
Vom Mitspieler zum Chef innert acht Wochen

Trainer der Schweizer Männer Handballnationalmannschaft Andy Schmid während einem Training in der Mobiliar Arena in Gümligen, am 13.03.2024.  Foto: Christian Pfander / Tamedia AG
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So rasant haben noch nicht viele die Seite gewechselt. Mitte Januar stand Andy Schmid an der EM noch als Nationalspieler auf dem Platz. Nun ist er Nationaltrainer und Chef seiner alten Teamkollegen. Die neue Rolle behagt ihm offensichtlich. Bereits beim Warm-up im Training in Bern redet er eindringlich auf Manuel Zehnder ein, seinen designierten Nachfolger als Spielgestalter. Zeigt ihm, wie er sich in Spielsituationen verhalten soll.

Schmid will seine Ideen vermitteln, dabei hat das Training noch gar nicht richtig begonnen. Auch danach spricht er viel – und kaut noch mehr Kaugummi. Die Kadenz erinnert an die Fussball-Trainerlegende Alex Ferguson. Adressat von Schmids Anweisungen: immer wieder Zehnder. Dieser sagt: «Andy Schmid ist ein Angriffsstratege, im Angriff wird noch mehr auf die Details geachtet als zuvor.»

Und der Trainer Schmid ist pingelig. «Mein Ziel ist, dass mein Konzept den Spielern unter die Haut geht», sagt er. Die Spieler sollen beim nächsten Mal schon genau wissen, was der neue Chef von ihnen erwartet. Football-Fan Schmid fragt: «NFL-Defense-Spieler kommen am Montag ins Training und lernen Spielzüge auswendig, warum soll das im Handball nicht funktionieren?» Wer die Grundlagen kenne und wisse, was seine Aufgabe sei, der könne seiner Intuition und der Individualität freien Lauf lassen, glaubt er. Sein Team soll agieren und risikofreudig spielen. So wie es Schmid bis vor kurzem selbst getan hat.

Macht Schmid alles neu?

Im Gespräch gibt sich der neue Nationaltrainer vorsichtig, wägt genau ab. Auf die Frage, ob das Team anders spielen wird als zuletzt unter Michael Suter, sagt er: «Hier eine Aussage zu treffen, ist riskant.» Dann zählt Schmid aber doch auf, dass er ein zweites Abwehrsystem will, wie er sich das Umschaltspiel vorstellt – «maximal ein Wechsel zwischen Abwehr und Angriff» – und wie er offensiv gerne spielen würde. Es ist viel. Zu viel für die erste Woche. Das musste der Trainerlehrling erfahren. «Ich wollte das zweite Defensivkonzept bereits diese Woche etablieren, doch es geht nicht. Das habe ich unterschätzt», gibt er zu.

Es ist nicht der einzige Stolperstein. «Viele Leute sagten mir, dass ich Sachen nicht als selbstverständlich nehmen soll, wenn sie für mich selbstverständlich sind», erzählt Schmid. Passiert ist es ihm dennoch. «Wenn wir etwas besprochen haben und der Spieler es dann nicht macht, bin ich nun ohnmächtig», sagt Schmid. Früher habe er in solchen Situationen einfach den Ball in die Hand genommen und selber etwas gemacht. Das geht nun nicht mehr, Schmid steht nur noch an der Seitenlinie. Im Training kann er es aber nicht ganz lassen, immer wieder ist er da am Ball.

Schmids Wechsel vom Mitspieler zum Trainer ist für die alten Teamkollegen kein Problem. «Die Autoritätsperson war er schon vorher», sagt Luka Maros. Er teilte sich die letzten sieben Jahre mit Schmid das Zimmer während der Nationalmannschaftszusammenzüge. Das sei natürlich nicht mehr so. Auch in der Whatsapp-Gruppe ist Schmid nicht mehr dabei. Ganz verändern will sich der neue Nationaltrainer aber nicht. «Am Abend sitze ich noch immer mit den Spielern zusammen und spreche über Handball», sagt er. Das wolle er beibehalten, alles andere sei nicht authentisch. «Ich will der Trainer sein, den ich selbst als Spieler gerne gehabt hätte.»

Für Schmid heisst das: Er möchte ein Trainer sein, der viele Freiheiten lässt, aber gleichzeitig fordernd ist, ohne dabei autoritär zu wirken. Ganz ähnlich wie das Nikolaj Jacobsen bei Schmids früherem Club gemacht hat, den Rhein-Neckar Löwen. Nun ist Jacobsens Dänemark der erste Gegner in Schmids Trainerlaufbahn. «Eine spezielle Affiche», nennt er es deshalb. Mit Jacobsen hatte Schmid seine erfolgreichste Zeit als Spieler. Mit den Rhein-Neckar-Löwen wurden die beiden zweimal deutscher Meister.

Amtsantritt früher als geplant

Im Januar bestritt Schmid noch die EM in Deutschland, danach trat der 40-Jährige zurück. Dass er den Nationaltrainerjob übernehmen wird, war schon lange klar. Dass er es bereits jetzt tut, ist den verpassten Zielen geschuldet. Die Schweiz schied als Gruppenletzter in der Vorrunde aus, der langjährige Nationaltrainer Michael Suter wurde freigestellt.

Schmid hat geahnt und auch etwas befürchtet, dass es so kommen könnte. Eigentlich hätte er wie nach der Matura ein Zwischenjahr machen wollen. Eine Auszeit für vier Monate. «Das hat mir damals aber eigentlich nicht viel gebracht, darum ist es gut so», sagt Schmid. Dass er im Sommer besser vorbereitet gewesen wäre, glaube er indes nicht. «Es ist wie bei einer Prüfung: Wenn du den Druck spürst, bist du intensiver und bewusster dran.»

Als Trainer spricht der Neuling bereits wie ein Routinier, der sich Zeit verschaffen will und auf die Entwicklung verweist. «Die EM hat gezeigt, wie resultatabhängig wir unterwegs sind», sagt Schmid. Klar, am Schluss entscheide das Resultat, aber er wolle wegkommen von diesem Schwarz-weiss-Denken.

Deshalb gehe es am Samstag auch darum, einen Schritt weiterzukommen, weil die Dänen normalerweise ausser Reichweite sind. Zum ersten Mal für die Schweiz hat Schmid gegen Luxemburg gespielt. Das weiss er heute noch. Es war die erste von 218 Partien. So viele werden es wohl als Trainer nicht werden. Doch Schmids Vertrag läuft immerhin bis nach der Heim-EM 2028. Spätestens dann zählen die Resultate.