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Handball-Hoffnung Mia Emmenegger
Endlich in Norwegen eingerichtet – dann geht der Club fast pleite

11.10.2023; St. Gallen; Handball Nationalmannschaft Frauen - EHF EURO Cup Women - Schweiz - Oesterreich; 
Mia Emmenegger (SUI) jubelt (Carsten Harz/freshfocus) SWITZERLAND ONLY
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In Kürze:
  • Mia Emmenegger erlebte eine Achterbahnfahrt mit den Vipers Kristiansand.
  • Der norwegische Club verkündete Konkurs, wurde jedoch Stunden später gerettet.
  • Die Schweiz trifft bei der Heim-EM auf die Färöer, Dänemark und Kroatien.

Mia Emmenegger sitzt in der BBC Arena in Schaffhausen und sagt: «Ich freue mich einfach, hier zu sein.» Vor ihr liegt die Heim-EM der Handballerinnen in Basel. Emmenegger trifft dabei mit der Schweiz auf die Färöer, Dänemark und Kroatien. Es ist eine willkommene Abwechslung für den Teenager.

Mitte Oktober, Emmenegger spielt mit den Vipers Kristiansand gegen ŽRK Budućnost Podgorica. Was wie ein normales Champions-League-Spiel erscheint, ist für den Club «das Spiel für einen Neustart – oder es ist das letzte Spiel überhaupt». Eine Woche zuvor ist bekannt geworden, dass die Vipers vor dem finanziellen Aus stehen. Gut zwei Millionen Schweizer Franken fehlen in den Kassen. Dabei hat die Schweizerin eben erst die ganze administrative Arbeit erledigt: Endlich ist sie in Kristiansand angemeldet, hat ihre Wohnung, ihr Team. Und dann das.

Die 19-jährige Emmenegger hat im Sommer zum dreifachen Champions-League-Sieger nach Norwegen gewechselt. Die Vipers sind in Kristiansand in etwa das, was der FC Basel in Basel ist. Es gibt ein Vipers-Brot, in der Stadt hängen Vipers-Flaggen.

Doch drei Tage nach dem Spiel gegen Budućnost scheint es vorbei. Die Vipers verkünden den Konkurs – und wenige Stunden später die Rettung. Für die junge Schweizerin eine Achterbahnfahrt. Sie hat bereits eine Versicherung abgeschlossen für den anstehenden Zusammenzug mit dem Nationalteam, damit sie bei einer allfälligen Verletzung die Rehabilitation nicht selbst bezahlen müsste. Das ist typisch für Emmenegger. Sie ist trotz ihrer jungedlichen Jahre - «Ich bin noch ein Teenager!» - extrem professionell und fokussiert. «Ich habe immer mit Älteren zusammengespielt, das hat eventuell einen Einfluss», sagt sie.

Debüt mit 16 Jahren

Dass Emmenegger Handball spielt, ist kein Zufall. Ihre Mutter Caroline ist dreifache Schweizer Meisterin mit Spono Nottwil und spielte 86-mal für die Schweiz. Ebenso eindrücklich ist der Aufstieg der Tochter. Mit 16 Jahren debütiert Mia für die Schweiz und steht bei ihrem ersten Aufgebot gleich in der Startaufstellung. Es folgt die EM 2022, an der die Schweizerinnen zum ersten Mal einen Punkt holen. Emmenegger erzielt sieben Tore zum 26:26 gegen Kroatien. Dann kommen die ersten Angebote aus dem Ausland, und Emmenegger fragt sich: «Ist das überhaupt etwas für mich?» Für die Familie hingegen ist klar: Zuerst wird die Schule abgeschlossen.

Das tut Emmenegger und sucht sich dann schnell eine Agentin. Als Kristiansand anfragt, ist für die nur 1,60 Meter grosse Flügelspielerin klar: «Da sagst du nicht nein.» Schon allein aus sportlicher Sicht ist das mehr als verständlich – die Norwegerinnen haben zwischen 2021 und 2023 dreimal in Serie die Champions League gewonnen. Aber auch die Stadt passt Emmenegger. Sie war vor dem Wechsel mit ihrem Vater dort.

Die Schweizerin weiss, weshalb. «Wir sind am Meer, es ist alles mit dem Velo machbar, das ist schon sehr schön», sagt Emmenegger, die nebenbei Geschichte studiert. Mit einer Teamkollegin wohnt sie in einer WG. Von ihr lernt sie auch Norwegisch. «Ich kann es schon ziemlich gut, ich versuche, im Café und am Flughafen möglichst lange Norwegisch zu sprechen, ohne dass die andere Person merkt, dass ich Ausländerin bin.»

Lange Auswärtsreisen und ein anderer Umgang mit Fehlern

Doch die Lage an der Südküste bringt auch Nachteile mit sich. «In der Schweiz war die längste Fahrt an ein Auswärtsspiel drei Stunden, hier ist das die kürzeste», sagt Emmenegger. Die Reisen würden viel Kraft kosten.

Überhaupt seien die Unterschiede zwischen dem Schweizer Handball und dem norwegischen riesig. «Hier darfst du viel mehr auf den Körper hören und beispielsweise selbst entscheiden, wann du nach dem Spiel welches Krafttraining machen willst.» Auch der Umgang mit einem Fehler sei ganz anders. «Man wird nicht zusammengestaucht, es wird gesagt, wie man es besser machen kann.» Dies führt die Schweizerin zum einen auf das Niveau im Team wie auch auf die skandinavische Mentalität zurück. Gerade sie als «Küken» der Vipers profitiert davon. Zu dritt teilen sie sich die Spielzeit auf Rechtsaussen. Emmenegger – auf dem Papier wohl die Nummer 3 – kommt vor allem in der Liga zum Einsatz. «Ich kann von den anderen abschauen und habe nur wenig Verantwortung.»

Im Nationalteam hat sie eine ganz andere Rolle. Hier ist sie gesetzt. Für die Heim-EM hat Nationaltrainer Knut Ove Joa gar keine andere auf ihrer Position nominiert. Emmenegger spielt sowieso.

Ein Weiterkommen ist durchaus möglich. «Es gibt im Frauenhandball vier, fünf Topnationen, dazu gehört Dänemark. Aber dahinter kommt es immer wieder zu Überraschungen», sagt Emmenegger. Wobei sie realistisch bleibt: «Die anderen Teams haben sich alle auf sportlichem Weg für das Turnier qualifiziert, sie sind mindestens konkurrenzfähig.»

So richtig haben das die Schweizerinnen noch nie geschafft. Für die Euro 2022 qualifizierten sie sich zwar, aber weil Russland ausgeschlossen wurde, reichten dafür bereits zwei Siege über Litauen. Emmenegger war damals 17 und die grosse Überraschung. Jetzt ist die Schweiz als Gastgeberland gesetzt, Emmenegger noch immer keine 20 – aber bereits eine Routinière.