Hallen-EM der LeichtathletikMujinga Kambundji holt Silber – die Schweizer sind so erfolgreich wie nie
Die Bernerin wird zum Abschluss der Titelkämpfe in Apeldoorn (NED) über 60 Meter nur von Zaynab Dosso bezwungen. Sie beschliesst damit die für die Schweizer überaus erfolgreiche Hallen-EM.

«No chli meh Pfupf drhinger, när isch guet», so formuliert Mujinga Kambundji das Rezept für den Final. 7,04 Sekunden ist sie eben im Halbfinal die 60 Meter gelaufen. Sie weiss: Diese Zeit wird nicht reichen, um nach 2023 wieder an der Hallen-EM zu triumphieren. Zu stark ist die Konkurrenz, allen voran die Italienerin Zaynab Dosso. Doch dann beginnt der Final mit einem Schreckmoment – ein Fehlstart, ausgelöst durch ein Zucken Kambundjis. Sie kommt mit einer Gelben Karte davon, kniet kurz danach wieder in den Startblock und stellt in 7,02 eine Saisonbestleistung auf. Aber Dosso ist noch schneller – um den Hauch einer Hundertstelsekunde.
«Gold wäre schöner gewesen», hält Kambundji anschliessend gegenüber SRF fest. «Es war ein gutes Rennen auf sehr hohem Niveau, womöglich lief ich aber etwas weniger sauber als im Halbfinal.» Natürlich sei jede Medaille wertvoll, resümiert die Bernerin. Und doch schwingt in ihren Worten leise Enttäuschung mit. «Ich war sehr bereit und hätte es drauf gehabt.» Das Schöne sei, dass sie eine zweite Chance bekomme, sagt sie lächelnd. In zwei Wochen findet in Nanjing bereits die Hallen-WM statt.
Kambundji ist die Konstanz in Person
Gleichwohl gilt: Kambundji liefert wieder an einem Grossanlass ab. Dreimal stand die Bernerin an Olympischen Spielen schon in einem Einzel-Final, sie holte WM-Bronze, wurde Europameisterin und triumphierte in der Halle an Welt- und Europameisterschaften. Es ist diese Konstanz über eine Dekade, die sie auszeichnet. Dabei drängen längst jüngere Athletinnen nach, Dosso etwa ist sieben Jahre jünger als Kambundji. «Die Jungen machen Dampf. Es ist cool, dass ich immer noch mithalten kann», hält die 32-Jährige fest.
Selbst, wenn die Olympiasaison 2024 Spuren hinterlassen hat, sie nicht so viel Energie verspürte in den letzten Monaten wie auch schon. Das Trainingsprogramm hat ihr Coach und Partner Florian Clivaz deshalb angepasst, es galt die Devise: Weniger ist mehr. Dass sie es gleichwohl wieder an Titelkämpfen auf das Podest schafft, dürfte eine wichtige Erkenntnis sein.
Der «Super Saturday» wird in Erinnerung bleiben
Zwei Mal Gold und drei Mal Silber: Die Schweizer Leichtathletik blickt auf die erfolgreichste Hallen-EM der Geschichte zurück. Den Anfang macht am Freitag Ditaji Kambundji mit ihrem Fabellauf über 60 Meter Hürden. In 7,67 Sekunden stellt die 22-Jährige einen neuen Europarekord und eine Jahresweltbestleistung auf. Sie kratzt gar am Weltrekord von Devynne Charlton, den sie lediglich um zwei Hundertstel verpasst.

Es folgt der «Super Saturday» mit Angelica Moser, Annik Kälin und Simon Ehammer in der Hauptrolle. Erstere sichert sich zum zweiten Mal nach 2021 Gold an einer Hallen-EM – und das mit einem Sprung über 4,80 m, der die Egalisierung des Schweizer Hallen-Rekords bedeutet. Dass die Stabhochspringerin zu derlei Leistungen im Stande ist, stand ausser Frage. Im letzten Jahr stellte sie in 4,88 m bereits den Schweizer Freiluft-Rekord auf, sie gewann Gold an der EM und wurde an den Olympischen Spielen Vierte. Aber sie kämpfte in diesem Winter mit Fussproblemen, es gab gar Momente, in denen der Abbruch der Hallen-Saison zur Debatte stand. Entsprechend beeindruckend ist, mit wie viel Selbstvertrauen sie diesen Wettkampf bestreitet.
Selbiges gilt für Simon Ehammer, der nach dem WM-Titel 2024 auch an der EM in der Halle triumphieren wollte, Gold aber knapp verpasst. Doch er holt im Siebenkampf Silber mit einem neuen Schweizer Rekord (6506 Punkte), glänzt im Weitsprung und beim Kugelstossen sowie einer Bestzeit im abschliessenden 1000-m-Lauf. Der Norweger Sander Skotheim ist einfach noch ein My besser, er triumphiert mit neuem Europarekord (6558).
Apropos Rekord – auch Annik Kälin gelingt ein solcher. Gleich im ersten Versuch springt sie im Final auf 6,90 m und verbessert damit den eigenen Landesbestwert um 13 Zentimeter. Damit holt die Bündnerin – sie ist eigentlich Mehrkämpferin – bei den Spezialistinnen Silber. Geschlagen nur von der Italienerin Larissa Iapichino, aber Kälin steht auf dem Podest vor Malaika Mihambo, der zweifachen Weltmeisterin und Olympiasiegerin aus Deutschland.
Als Ziel formulierte Swiss Athletics, die Ausbeute von der Hallen-EM 2023 zu übertreffen (2 Gold, 1 Bronze). Und die Leichtathletinnen und Leichtathleten haben geliefert. So, wie sie das im letzten Jahr bereits an der Freiluft-EM mit neun Medaillen und an den Olympischen Spielen mit vier 4. Plätzen (Dominic Lobalu eingerechnet, der für das Refugee-Team antrat) getan hatten. Die Medaillen sind das eine – die Rekorde das andere. Fast nahtlos geht es nun weiter mit der Hallen-WM in Nanjing. Die Aussichten auf weitere Schweizer Erfolge sind hervorragend.
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