College-Sport in den USAHaben sie die Schüler sogar absichtlich angesteckt?
Während die grossen Profiligen in den USA allesamt mit einer Fortsetzung rechnen, droht im College-Sport das Chaos. Leidtragende sind die Sportler – und die werden noch nicht einmal bezahlt.
Der Profisport nimmt auch in den USA langsam wieder den Betrieb auf. Die Fussballer und Basketballer haben sich in Disney World verschanzt und tragen dort all ihre Spiele aus. Die NHL hat seine Teams in Toronto und Edmonton in Blasen einquartiert, während die Major League Baseball ohne Isolation auskommen will. All diese Ligen eint das Vorhaben, eine Absage der Saison um jeden Preis zu verhindern. Die NFL plant gar, ab September mit (einer gewissen Anzahl) Zuschauern zu starten.
Komplizierter ist der Fall im Hochschulsport. Auch viele Colleges würden gerne auf das Spielfeld zurückkehren, denn gerade auch College-Football ist genauso wie die Profiliga ein Milliardenbusiness. Jeden Samstag zieht es Millionen Fans in die Stadien und vor den Fernseher. Doch eine Saison in einer Blase nach dem Vorbild der Profis ist praktisch unmöglich. Denn diese müsste gigantisch sein: Allein in der obersten Liga gibt es 130 Teams – mit jeweils mehr als 100 Spielern und unzähligen Trainern und Betreuern.
Und: Bei den Spielern handelt es sich um «student-athletes», studentische Athleten, die auch Kurse belegen müssen. Tun sie dies nicht im geforderten Umfang, dürfen sie die Sportart nicht ausführen, schlimmstenfalls verlieren sie ihr Stipendium. Ob diese schulischen Aktivitäten aus der Isolation eines Sportteams heraus möglich sind, ist äusserst fraglich.
Eine Schulen haben bereits abgesagt
Einige Universitäten haben deshalb reagiert und die Saison bereits abgebrochen. Prominenteste Beispiele sind einige der renommiertesten Universitäten der Welt: Harvard, Princeton, Yale. Diese Teams, organisiert in der traditionsreichen Ivy-League (Efeu-Liga), gehören zwar nicht zu den sportlich besten des Landes, ihr Fokus ist mehr auf die schulischen Leistungen der Schüler als deren sportliche Aktivitäten gelegt. Die Absage ist entsprechend zwar verkraftbar – und hat doch Signalwirkung und könnte weitere Schulen dazu bringen, nachzuziehen.
Dies zeigt das Problem: Im Gegensatz zu den Profiligen ist die College-Meisterschaft nicht von einer Liga organisiert. Vielmehr sind die Hunderten von Universitäten in verschiedene Konferenzen eingeteilt, die eigene Entscheidungen über den Spielbetrieb fällen. Der Dachverband des Hochschulsports dagegen, die NCAA, ist vielmehr für die Einhaltung der Reglemente oder Spielberechtigungen zuständig. Eine einheitliche Regelung über eine Absage der Saison – oder etwa auch die Schutzkonzepte für den Spielbetrieb – sind so nicht möglich.
Gewisse Universitäten scheinen bereit, einen hohen Preis für den schnellen Wiederbeginn zu bezahlen. So ist beispielsweise die Clemson University im Bundesstaat South Carolina, eines der besten Teams, bereits zu Vollkontakttraining zurückgekehrt – und musste abbrechen, nachdem sich 37 Spieler infiziert hatten. Weitere Universitäten verzeichneten ebenfalls hohe Zahlen. Der ehemalige NFL-Spieler Boomer Esiason äusserte daraufhin den Verdacht: «Versuchen die Footballteams, Herdenimmunität zu erreichen?» Eine Quarantäne der Starspieler sei für die Mannschaften jetzt, da die Saisonvorbereitung noch nicht begonnen habe, besser zu verkraften, als wenn die Spielzeit laufe. Doch Beweise dafür gibt es keine.
Es ist ein Milliardenspiel
Dass die meisten Universitäten auf alle Fälle Football spielen lassen wollen, ist klar. Denn für sie geht es um Geld. Sehr viel Geld. Mindestens 4,1 Milliarden Dollar an Einnahmen werden allein 65 der besten Colleges fehlen, wenn die Saison abgesagt wird. Dies berichtete USA Today. Geld, das in den universitären Sportprogrammen schmerzlich vermisst werden würde. Denn bereits nach der abgesagten Basketballsaison verloren die Schulen mehr als die Hälfte der 600 versprochenen Millionen aus den TV-Verträgen. Sollte nun auch die lukrativere Football-Saison ausfallen, dürfte das einige Universitäten vor Probleme stellen.
Mit Basketball und Football finanzieren viele Colleges andere, finanziell schwächere Sportarten, auch in diesen erhalten zahlreiche Sportlerinnen und Sportler wertvolle Stipendien. Wegen der fehlenden Einnahmen haben nun jedoch bereits einige Universitäten gewisse Sportarten aus dem Programm gestrichen. Am extremsten reagierte die Universität Stanford in Kalifornien. 11 von 36 Sportarten werden dort nicht mehr ausgeführt.
Diese Entscheidung dürfte für die College-Sportler um einiges schmerzhafter sein als die fehlenden Einnahmen. Denn Geld verdienen sie nicht – dürfen sie nicht: Die NCAA kontrolliert dies. Der Verband verbietet ihnen jegliche Einnahmen, unabhängig davon, ob diese von der Universität oder von Werbepartnern stammen. Einzig die Studiengebühren sowie das Wohnen und Essen auf dem Campus werden ihnen bezahlt. Ob dies aber auch der Fall ist, wenn die Saison abgesagt wird, ist unklar. Für einige könnte Corona das Ende ihres Alltags als «student-athlete» bedeuten.
NFL-Kandidaten können sich nicht präsentieren
Bis zu vier Saisons lang dürfen Spieler am College-Sport teilnehmen. Vier Saisons lang dürfen sie ihren Schulen Millionen Einnahmen generieren – ohne davon auch nur einen Cent zu bekommen. Doch wenigstens winkt danach der grosse Zahltag. American Football zum Beispiel: Wird ein Spieler in der ersten Runde des Drafts der Profiliga gezogen, bekommt er einen Vertrag über mehrere Jahre. Die Frage stellt sich: Kann ein Draft, jeweils Ende April angesetzt, stattfinden, wenn die College-Saison abgesagt wird?
Hunderte Stunden an Filmmaterial studieren NFL-Teams, bevor sie sich für einen Spieler im Draft entscheiden. Doch ohne Spiele fehlt dieses grösstenteils. Zwar haben die nächstjährigen Kandidaten bereits in der letzten Saison Football gespielt. Doch viele könnten in der kommenden Saison ihre Fähigkeiten noch besser unter Beweis stellen und so Werbung in eigener Sache machen. Bei vielen künftigen Superstars war es das letzte Jahr, mit dem sie sich besonders in die Notizblöcke der Scouts spielten.
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