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Grüner Filz in Deutschland
Habeck lässt seinen besten Mann fallen

«Ein weitreichender und schwerer Entscheid»: Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck verkündet die Trennung von seinem Staatssekretär Patrick Graichen. 

Wie lange kann sich Patrick Graichen noch im Amt halten? Das war unter Berliner Politikjournalistinnen und Beobachtern zuletzt eine beliebte Frage. Am Tag vor Auffahrt, an dem viele Redaktionen spärlich besetzt sind, kam nun überraschend die Antwort: Robert Habeck trennt sich mit sofortiger Wirkung von seinem Staatssekretär. Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister beantragte beim Bundespräsidenten, den 51-jährigen Graichen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.

Noch vor einer Woche hatte Habeck am Ende einer parlamentarischen Befragung zusammen mit Graichen ganz anders getönt: «Ich habe entschieden», sagte er da, «dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss.» Die Oppositionsparteien, aber auch Stimmen aus den mitregierenden Parteien SPD und FDP kritisierten seinen Entscheid.  

Schwester Verena und Bruder Jakob

Mit dem Fehler, den Habeck ansprach und den der Minister und sein Spitzenbeamter zuvor bereits eingeräumt hatten, war gemeint, dass Graichen Michael Schäfer zu einem hoch dotierten Job bei der Deutschen Energie-Agentur verholfen hatte – ohne den Kollegen in der Findungskommission oder seinem Chef zu sagen, dass Schäfer einst sein Trauzeuge war. Das Amt wird nun neu ausgeschrieben, Schäfer verzichtet auf seinen bereits unterschriebenen Vertrag.

Die sogenannte «Trauzeugen-Affäre» hatte Habeck, Graichen und die Grünen im vergangenen Monat politisch stark belastet. Zumal sie nicht die einzige Angriffsfläche war, die der anerkannte Energiewende-Experte Graichen ins Ministerium mitbrachte. Besonders zu reden gaben dessen Geschwister Verena und Jakob, die beide für private Öko-Institutionen arbeiten, die wiederum mit Millionen von Euro vom Wirtschaftsministerium gefördert werden. Die Schwester ist zudem mit Michael Kellner verheiratet, einem anderen von Habecks grünen Staatssekretären.

Da waren sie noch ein Team: Habeck und Graichen standen letzte Woche zwei Bundestagsausschüssen Rede und Antwort.

Im Unterschied zum Auswählprozess bei Schäfer, so entschuldigte Habeck das vor Dienstantritt offengelegte Familiengeflecht, sei bei Aufträgen für Institute, für die Graichens Geschwister arbeiten, sichergestellt, dass dieser nicht an deren Vergabe teilnehme (und auch nicht Schwager Kellner). Die Compliance-Abteilung schaue da sehr genau hin.

Offenbar hat sie es doch nicht genau genug getan. Bei einer erneuten Überprüfung aller Vergaben und Besetzungen, so legte Habeck am Mittwoch in einer eilig angesetzten Medienkonferenz offen, seien nämlich zwei weitere Verstösse entdeckt worden.

600’000 Euro für den Verein der Schwester

Im einen, gravierenderen Fall hat Graichen Ende November persönlich eine Projektskizze für einen Förderantrag gebilligt, der vom Berliner Bund für Umwelt und Naturschutz eingereicht worden war, in dessen Vorstand Schwester Verena sitzt. Es geht dabei um knapp 600'000 Euro. Habeck wertete diese Handlung als klaren Verstoss gegen die internen Ethikregeln: «Diese Vorlage hätte Patrick Graichen nie abzeichnen dürfen.»

Im zweiten Fall wirkte Graichen an der Berufung von Felix Matthes in eine Expertenkommission mit, die die Energiewende überwachen soll: Matthes arbeitet für dasselbe Öko-Institut, für das auch Verena und Jakob tätig sind. Hier, so Habeck, hätte der Anschein der Parteilichkeit vermieden werden sollen.

Habeck sagte, er habe Graichen trotz des Fehlers bei der Besetzung des Chefpostens der Energie-Agentur zuletzt stets verteidigt. Doch die neu entdeckten Fälle seien nun «der eine Fehler zu viel»: «In der Gesamtschau hat sich Patrick Graichen damit zu angreifbar gemacht, um sein Amt noch wirkungsvoll ausüben zu können.» Er, Habeck, stehe in der Pflicht, das Vertrauen in die Unabhängigkeit seines Ministeriums zu schützen.

Sein Leistungsausweis schützte ihn nicht mehr

Graichen galt für Habeck lange als unverzichtbar. Mit ihm opfert der Minister nun seinen wichtigsten Mann. Sein Staatssekretär habe «grosse Leistungen für das Land erbracht», meinte er: Er habe Deutschland im Winter vor einer Gasmangellage bewahrt und massgeblich dazu beigetragen, eine schwere Wirtschaftskrise abzuwenden. «Er hat die Energiewende wieder flottgemacht und Klimaschutz zum Regierungshandeln.» Dafür danke er ihm ausdrücklich. Seine Nachfolge soll so schnell wie möglich geregelt werden.

Auf die Frage, wie er verhindern wolle, dass erneut ein grüner Energiewende-Profi ins Amt komme, der mit vielen Akteuren der grünen Öko- und Energiewende-Blase eng befreundet oder gar verwandt sei, sagte Habeck: Das Bewusstsein, dass solche Verflechtungen ein Problem sein könnten, sei in seinem Ministerium zuletzt gestiegen. «Ich werde jetzt nicht meinen Trauzeugen als Staatssekretär berufen.» Es war der einzige Moment, an dem ein Lächeln über Habecks Gesicht huschte.