Verrückte ZeitenUnsere Nachfahren werden unsere Ära als barbarisch einstufen
Es darf nicht sein, dass wir irgendwann all das, was auf der Welt gerade passiert, als normal empfinden.

Bin ich eigentlich die einzige Person, die es übertrieben unangenehm findet, dass während Award-Shows alle Nominierten eingeblendet werden und man dann gezwungen wird, mitanzuschauen, wie die Verliererinnen und Verlierer versuchen, ihre Enttäuschung wegzulächeln? Fast noch schlimmer finde ich sogar, wenn man sich als Mitnominierte übertrieben freut für die anderen (I am looking at you Taylor Swift). Einfach alles, was die, die nicht gewinnen, machen, fühlt sich so an, als würde mir jemand mit einer Nadel auf den Zähnen rumkratzen.
Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass in gar nicht mal so ferner Zukunft, so in 50 Jahren, die Leute auf diese Ära zurückschauen und das als barbarisch einstufen. So wie Lobotomie, Rauchen in der Schwangerschaft oder Menschen in Zoos.
So ähnlich wird es auch denjenigen ergehen, die in ein paar Jahren die News, Pressekonferenzen und KI-generierten Gaza-Videos von Trump durchscrollen. Was sage ich da, nein Mann, eigentlich geht es uns allen ja heute schon so. Es gibt bereits jetzt so viele Momente, Reden, Situationen mit anderen Politikerinnen und Politikern, die ich mir nicht ansehen kann. Ich schaffe das nicht. Es cringt mich bis in mein Knochenmark, was dieser Mann und seine «Rasselbande» im Weissen Haus abziehen. Das Bild von Elon Musk, der neben Trump im Oval Office hin und her wankt. So unangenehm einfach. Das sah für mich aus, als würde er rumzappeln, aber in Slow Motion oder als würde er gleich einen Zaubertrick performen.
Und das Treffen des ukrainischen Präsidenten Selenski mit Trump!! Das hat mich nicht nur bis in meine Stammzellen gecringt, es hat mich entsetzt und verstört. Ich konnte nicht fassen, wie dieser Idiot in wenigen Minuten die Werte des freien Westens pulverisiert hat. Das ist alles nicht nur peinlich, das ist alles einfach auch so unfassbar gefährlich. Denn meistens resultiert das nicht aus harmlosen Fehltritten, sondern aus echter Ignoranz, aus Desinteresse, aus narzisstischer Selbstüberschätzung.
Wenn ein Politiker sich peinlich verhält, dann nicht nur, weil er schlechte Witze macht oder zu einem Meme wird, sondern weil er in seiner eigenen Realität lebt, einer Realität, in der er immer recht hat, in der Kritik ein Angriff ist und in der es keine Konsequenzen gibt.
Aktuell ist es irgendwie so, als hätte Europa seit knapp drei Monaten einen Toxic Boyfriend, einen, der bei einem entspannten Abendessen unter Freunden anfängt, auf den Tisch zu kacken, und dann laut rumschreit: «Look at the Scheisshaufen, it is the greatest Scheisshaufen in the world.» Und wir sitzen dann da und lächeln es weg, legen ihm liebevoll unsere Hand auf den Oberschenkel und erklären ihm sanft, dass man nicht auf Tische kacken sollte. Den Toxic Boyfriend haben wir jetzt für vier Jahre an der Backe, nicht nur das, wir müssen auch noch nett und anständig zu ihm sein, weil wir fucking abhängig sind von seinem Schutz und seinem Goodwill.
Daran ist also nicht zu rütteln, tant pis, dann müssen wir uns wirklich anstrengen für die Dinge, die man ändern kann. Denn was nicht passieren darf: dass wir solches Verhalten, solche Aussagen irgendwann als normal empfinden. Das, was in Amerika abgeht, muss immer wieder als irr und wirr und absolut DANEBEN outgecallt werden. Und wenn ich noch irgendjemanden sagen höre: «Er ist ein guter Geschäftsmann», dann raste ich aus. Das ist so relevant für seine Position wie die Aussage: «Sein Nagelbett hat die perfekte Mondform.»
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