Grossbritannien ringt um eine klare Linie
Am Montagnachmittag muss Theresa May dem Unterhaus ihren «Plan B» für den Brexit vorlegen. Das Parlament sucht derweil nach Alternativen
Im Streit um das Brexit-Abkommen stellt die britische Premierministerin Theresa May am Montag (16.30 Uhr) ihren «Plan B» vor. Die Regierungschefin will dem Unterhaus neue Vorschläge unterbreiten, um den Austrittsvertrag mit der EU nach der deutlichen Abstimmungsniederlage am vergangenen Dienstag doch noch durchs Parlament zu bringen.
Ein Knackpunkt in den Verhandlungen ist die im Brexit-Abkommen festgeschriebene Auffanglösung für die Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland. Einem Medienbericht zufolge plant May einen bilateralen Vertrag mit Irland, um die umstrittene Regelung zu umgehen.
Der sogenannte Backstop sieht vor, dass das Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleibt, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wird. Die Brexit-Hardliner befürchten, dass Grossbritannien damit auf unabsehbare Zeit an die EU gebunden bliebe.
Zeit gewinnen
Nach Mays Präsentation im Unterhaus will eine parteiübergreifende Gruppe unter der Federführung der Labour-Abgeordneten Yvette Cooper und des Konservativen Nick Boles einen Änderungsantrag für weitere Verhandlungen mit der EU einbringen, sollte das Parlament Mays neuen Vorschlag am 29. Januar ablehnen. Damit wollen die Rebellen den Brexit hinauszögern und einen ungeordneten EU-Austritt verhindern.
Der Konservative Dominic Grieve will nach Informationen der britischen «Times» mit einem weiteren Antrag dafür sorgen, dass Artikel 50 des EU-Vertrages zeitweise ausgesetzt wird - ebenfalls um Zeit zu gewinnen. Der Artikel regelt den Austritt eines Landes aus der Union. Wie diese Aussetzung erfolgen soll, wurde aus dem Text nicht deutlich.
In der Downing Street 10 - Mays Amtssitz - ist man über die Pläne der Anti-Brexit-Rebellen offensichtlich wenig erfreut. «Jeglicher Versuch, der Regierung die Macht zu entziehen, zu diesem historisch bedeutenden Zeitpunkt die rechtlichen Bedingungen für einen geordneten Austritt (aus der EU) zu erfüllen, ist in höchstem Masse Besorgnis erregend», zitierte die BBC am Sonntag aus Regierungskreisen. Es bestehe die Gefahr, dass das Parlament einen Brexit stoppen könnte.
Labor offen für Alternativen zu Neuwahlen
Die Labour-Partei hält an ihrer Forderung nach Neuwahlen fest, ist aber offen für Alternativen, wie der Brexit-Minister im Schattenkabinett, Keir Starmer, am Samstag sagte. Seine Partei müsse sich aber auch die Möglichkeit eines zweiten Referendums offen halten, sagte Starmer.
In Grossbritannien erscheint die Möglichkeit eines Gangs an die Wahlurnen nicht ganz abwegig. Drei Mitglieder von Mays Kabinett hatten der «Financial Times» (Freitag) gesagt, dass eine Neuwahl denkbar sei. Regierungsmitarbeitern zufolge wurden in der vergangenen Woche Notfallpläne dafür diskutiert.
Ob eine Neuwahl der Labour-Partei nützen würde, ist unklar. Laut einer unveröffentlichten Umfrage einer EU-freundlichen Lobby-Gruppe, die dem «Guardian» zugespielt wurde, würde Labour etwa mit einer klaren Parteinahme für einen Verbleib Grossbritanniens in der EU keine Wähler hinzugewinnen.
Der Tory-Hardliner und May-Kritiker Jacob Rees-Mogg drängte in der Boulevardzeitung «Daily Mail» am Sonntag die Premierministerin, erst einmal ihre eigene Partei hinter sich zu bringen. Dazu müsse sie weitere Konzessionen von der EU bekommen, vor allem zu den Austrittskosten sowie zu Nordirland.
«So attraktiv es scheinen mag, europafreundlichen Labour-Abgeordneten die Hand reichen zu wollen, Frau May kann nur ins Ziel kommen, wenn sie die Tory-Rebellen für sich gewinnt», so Rees-Mogg.
Pläne für Vertrag mit Irland
Mays Konzept soll laut «Times» unter anderem Pläne für einen Vertrag Grossbritanniens mit Irland enthalten, um das Problem einer neuen Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden.
Ein solcher Vertrag soll ebenso Tory-Harliner wie die nordirische DUP überzeugen, deren Abgeordnete Mays Regierung im Parlament unterstützen. Wie dieser Vertrag mit EU-Recht vereinbar sein soll, wurde nicht gesagt. Irische Regierungskreise sagten der «Times», ein bilateraler Vertrag sei «nichts, das wir in Erwägung ziehen würden».
Sorgen nach Autobombe
Sorgen bereitete Politikern in Belfast auch die Explosion einer Autobombe am Samstag in der Innenstadt der nordirischen Stadt Londonderry. Zwar wurde nach dem derzeitigen Informationsstand niemand verletzt. Es wurde aber über politische Hintergründe spekuliert.
In Grossbritannien herrscht die Sorge, dass der Nordirland-Konflikt zwischen irischen Nationalisten und pro-britischen Unionisten bei einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen wieder aufflammen könnte.
Die DUP-Vorsitzende Arlene Foster verurteilte den «sinnlosen Akt des Terrors» bei Twitter. Auch Elisha McCallion, Parlamentsabgeordnete der Sinn Fein, erklärte, Londonderry sei eine aufsteigende Stadt, «und niemand möchte einen derartigen Zwischenfall».
Aussenminister der EU diskutieren
Vor dem Hintergrund der unklaren Lage zum Brexit kommen am Montag die Aussenminister der EU zusammen. Das Thema steht zwar nicht offiziell auf der Tagesordnung, dürfte aber am Rande intensiv diskutiert werden. Offiziell befassen sich die Minister mit der Lage nach der umstrittenen Wahl in der Demokratischen Republik Kongo und dem Dauerkonflikt in Venezuela. Weiteres Thema ist vor der Europawahl im Mai der Schutz vor Falschinformationen und Beeinflussung durch Drittstaaten wie Russland.
Darüber hinaus wollen Europas Chefdiplomaten das Gipfeltreffen der EU mit der Arabischen Liga im Februar in Ägypten vorbereiten. Am Rande des Ministertreffens will die EU zudem Sanktionen gegen vier Russen, fünf Syrer und eine Organisation wegen Einsatzes und Entwicklung von Chemiewaffen beschliessen. Dazu gehören auch zwei mutmassliche russische Geheimagenten, die im März vergangenen Jahres den früheren Doppelagenten Sergej Skripal in Grossbritannien vergiftet haben sollen.
Merkel wirbt für Brexit-Kompromiss
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die EU gemahnt, einen Kompromiss mit Grossbritannien in der Brexit-Debatte zu finden. Man werde respektieren, dass Grossbritannien nicht mehr Mitglied der EU sein wolle, sagte Merkel am Samstag auf dem CDU-Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern in Rostock.
«Aber auch wir haben eine Verantwortung, diesen Trennungsprozess so verantwortlich zu gestalten, dass man nicht in 50 Jahren über uns den Kopf schüttelt und sagt, 'Warum waren die nicht in der Lage, einen Kompromiss zu finden», sagte sie in Anspielung auf die Gefahr eines ungeordneten EU-Austritts Grossbritannien. Sie werde deshalb bis zum letzten Tag für einen geordneten Brexit arbeiten.
Merkel hatte zuletzt gefordert, dass die britische Regierung sagen müsse, was sie nach der gescheiterten Ratifizierung des ausgehandelten Austrittsvertrages im britischen Unterhaus machen wolle. Dann könne die EU reagieren. «Ich werden dafür arbeiten, dass wir danach beste Beziehungen haben», betonte sie. Grossbritannien bleibe Teil Europas und solle auch in Zukunft ein enger Partner der EU bleiben. Es gebe heute eine "wunderbare Zusammenarbeit gerade in Sicherheitsfragen.
AFP/anf
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