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Widerstand gegen alpine Solaranlage
Grengiols Solar ist massiv geschrumpft – und für viele doch zu gross

Am Südhang des Walliser Saflischtals sollen 3,4 Quadratkilometer für eine der grössten alpinen Solaranlagen genutzt werden.
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Es herrscht dicke Luft an diesem Mittwochnachmittag. «Das ist doch eine Illusion!», ruft eine Frau. In einem verdunkelten Sitzungszimmer am Hauptsitz der Energie Brig-Aletsch-Goms AG in Brig sitzen Herren im Anzug mehreren Umweltschützerinnen und besorgten Bürgern gegenüber.

Es geht um Grengiols Solar. Jenes Projekt, das vor einem Jahr im linken Oberwalliser Kampfblatt «Rote Anneliese» erstmals Aufsehen erregte. Das als grösste alpine Solaranlage Europas zelebriert wurde – und massgeblich den Solar-Express im Parlament geprägt hat

Heute ist klar: So gigantisch wie einst zelebriert wird Grengiols Solar keineswegs. Und trotzdem sind die Bedenken riesig.

Produktion schrumpft um mehr als zwei Drittel

Am Mittwoch informierten die Gemeinde Grengiols und fünf involvierte Energieunternehmen zuerst die Medien und anschliessend die Umweltverbände über das Vorhaben. Man wolle endlich eine Faktenbasis haben, nach so vielen «Unwahrheiten», wie sie der Grengioler Gemeindepräsident Armin Zeiter bemängelte. Was er damit genau meint, liess er offen.

Klar ist: Das Projekt ist im Vergleich zu dem, was der ehemalige SP-Präsident Peter Bodenmann in der «Roten Anneliese» und später auch Zeiter in zahlreichen Medienberichten verbreiteten, deutlich geschrumpft. Aus den fünf Quadratkilometern Fläche respektive 700 Fussballfeldern, die mit Solarpanels bedeckt werden sollten, wurden 3,4 Quadratkilometer.

Armin Zeiter, Gemeindepräsident von Grengiols, hofft, dass seine Gemeinde durch das Solarprojekt «auch touristisch profitiert».

Damit verringert sich auch die Leistung massiv: Statt der maximal zwei Terawattstunden soll Grengiols Solar nun 600 Gigawattstunden Solarstrom im Jahr produzieren können – weniger als ein Drittel der einst verkündeten Mengen. Gut 40 Prozent der Produktion sollen im Winter erfolgen.

«Wir haben insgesamt 6,6 Quadratkilometer untersucht, aber es war im Vorhinein klar, dass diese Fläche nicht realistisch ist. Wegen Naturgefahren und Schutz der Umwelt», sagt Raoul Albrecht. Der Produktionschef bei der Walliser Energiegesellschaft FMV leitet das Projekt. Neben der FMV konnte Grengiols mittlerweile auch die Energie Brig-Aletsch-Goms AG, die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, das Westschweizer Energieunternehmen Groupe E und die Industriellen Werke Basel (IWB) als Partner ins Boot holen. 

Denn wie FMV-Direktor Stéphane Maret sagt: «Grengiols Solar ist kein Walliser Projekt, sondern eines für die ganze Schweiz.»

Man will nicht länger über die überdimensionierten Zahlen reden. Schliesslich seien 600 Gigawattstunden «immer noch sehr viel», sagt Albrecht. Zudem erhoffen sich die Projektverantwortlichen eine mögliche Verdoppelung der Produktion – indem sie Grengiols Solar mit Wasserkraft kombinieren. 

Und zwar mit dem Chummensee-Projekt, einem jener Projekte, die am runden Tisch der ehemaligen Energieministerin Simonetta Sommaruga als machbar eingestuft wurden. Überschüssiger Strom aus den Solarpanels soll in wertvollen Winterstrom umgewandelt werden – der Chummensee dient als Batterie für Grengiols Solar. Das Potenzial des Kraftwerks: nochmals 600 Gigawattstunden.

Zeitdruck könnte Solaranlage zusätzlich verkleinern

Viele Fragen bleiben bei dem Solarprojekt im Saflischtal aber offen. Es werden noch keine Zahlen dazu genannt, wie viel Grengiols Solar etwa kosten wird. Dafür sei es zu früh. Auch bleibt unklar, ob der Solarstrom abtransportiert werden kann. Im vergangenen Oktober erschien eine Studie, die zeigte: Die dafür nötige Hochspannungsleitung soll frühestens 2028 fertiggestellt werden.

«Es ist immer noch ein Grossprojekt», sagt Raoul Albrecht, Projektleiter von Grengiols Solar.

«Für den ersten Schritt sind die Kapazitäten vorhanden», sagt Albrecht. Soll heissen: für die 10 Prozent der Gesamtleistung, die bis Ende 2025 am Netz sein müssen, um vom Solar-Express zu profitieren. Sollte der Bund nun aber definitiv verlangen, dass die alpinen Solaranlagen bis Ende 2028 vollständig am Netz sind, könnte es für Grengiols Solar eng werden. Die entsprechende Verordnung liegt bis Anfang April vor. Noch hoffen die Projektverantwortlichen, dass die Frist verlängert wird.

Falls nicht – und die Hochspannungsleitungen sind nicht rechtzeitig fertig –, «müssen wir die Leistung reduzieren und das Projekt verkleinern», sagt Albrecht.

«Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt»

Offen bleibt auch, wie gut sich Grengiols Solar mit der Umwelt verträgt. Eine entsprechende Prüfung ist trotz beschleunigtem Verfahren vorgeschrieben. Sie soll bis Ende Jahr vorliegen, wie auch das Bauprojekt. Doch die Skepsis bei den Umweltverbänden ist gewaltig. Am ersten Austausch, dem auch diese Zeitung beiwohnte, kochte die Stimmung hoch.

«Ich glaube nicht, dass wir je auf einen gemeinsamen Nenner kommen werden», sagt etwa Ulrike Steingräber-Heinen. Sie bewirtschaftet mit ihrem Mann und Schwager die Alp Furggen, die mitten im Saflischtal liegt. Da sie Mitgründerin der IG Saflischtal ist, wurde sie ebenfalls zum Austausch eingeladen. «Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt: Unser ganzes Weidegebiet für die Kühe ist betroffen.»

Zwar sagen die Projektverantwortlichen, man wolle eine weitere Pachtung der Alp ermöglichen. Steingräber-Heinen hält das für «eine Illusion». Dass die Kühe rund um die Panels weiden? Für die Bäuerin ausgeschlossen.

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Seit Generationen bewirtschaftet die Familie Heinen die Alp Furggen. 
Grengiols Solar (rechts oben) soll mit dem geplanten Speicherkraftwerk Chummensee (links oben) kombiniert werden.
Ulrike Steingräber-Heinen (links) und Brigitte Wolf, Präsidentin der Grünen Wallis, wollen mit der IG Saflischtal das Mega-Solarprojekt stoppen.

Zutiefst besorgt ist auch Moritz Clausen, Geschäftsleiter des Landschaftsparks Binntal. Dieser trägt das Label «Park von nationaler Bedeutung», das Saflischtal liegt mittendrin. Clausen hatte bereits letzten Herbst gegenüber dieser Redaktion bezweifelt, dass sich das Label und Grengiols Solar vertragen würden. Mittlerweile hat er sich mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) ausgetauscht und sagt klipp und klar: «Das Label ist akut gefährdet.»

Eingeladen zum Austausch waren neben dem Schweizer Alpen-Club (SAC), Pro Natura oder Birdlife auch der WWF Oberwallis. Geschäftsführerin Angela Escher sagt danach: «Ich habe viele Fragezeichen und ein ungutes Gefühl.» Sie sorgt sich vor allem um seltene Pflanzen-, Vogel- und Insektenarten, die im Saflischtal vorkommen. «Ich erwarte, dass sie diese schützenswerten Lebensräume genau anschauen. Wir haben bereits eine Biodiversitätskrise.»

Die Projektverantwortlichen betonen, man wolle die Umweltverbände nun proaktiv einbeziehen. Anfang April soll eine erste Sitzung stattfinden, um eine Begleitgruppe zu bilden. Wie viele da mitmachen werden, ist aber fraglich. Einzig der Geschäftsführer des Landschaftsparks Binntal sicherte zu, an einer ersten Sitzung teilzunehmen. Escher vom WWF Oberwallis sagt: «Ich bin offen, mit ihnen zusammenzusitzen. Aber dann müssen wir darüber reden, ob es geeignetere Standorte für Grengiols Solar gibt, die schon vorbelastet sind.»