EM-Hoffnungsträger Goran PerkovacSeinen heutigen Captain hielt er früher als Baby auf dem Arm
Der Schweiz-Kroate war einst Handball-Olympiasieger, nun soll er sein Heimatland als Trainer zu einer EM-Medaille führen. Dass er den Job bekam, überraschte – doch der Auftakt ist gelungen.
Er tigert auch in den Schlussminuten noch an der Seitenlinie herum. Zwar nicht mehr ganz so nervös und aktiv wie in der knappen Stunde zuvor, aber noch traut Goran Perkovac der Sache nicht. Dabei ist das Spiel in Mannheim längst entschieden. Seine kroatische Mannschaft hat die Spanier, die an der EM in Deutschland zum erweiterten Favoritenkreis gehören, dominiert. Es ist eine Überraschung.
«Ich wusste, dass wir gewinnen können, aber gleich so hoch habe ich nicht erwartet», sagt Pekovac. Nach der Pressekonferenz bleibt er noch lange sitzen, nimmt sich Zeit für Fragen, geniesst den Moment. «Es ist wohl der schönste Sieg in meiner Trainerkarriere, der wichtigste aber wird noch kommen», prophezeit der schweizerisch-kroatische Doppelbürger.
1989 kam Goran Perkovac als Spieler in die Schweiz. Zuerst spielte er für Borba Luzern, dann beim TV Suhr und zuletzt bei Pfadi Winterthur. Der Olympiasieger von 1996 ist mit 2637 Toren noch heute Rekordtorschütze der höchsten Schweizer Liga. Und auch sein Lebensmittelpunkt ist noch in der Schweiz. «Ich bin mindestens einmal im Monat hier», sagt er. Seine Familie lebt in Luzern, seine Tochter spielt in Schaffhausen Volleyball. Sie ist mit dem Schweizer Kreisläufer Lucas Meister liiert.
Als Spieler Olympiasieger, als Trainer meist erfolglos
Auch die Trainerkarriere von Perkovac begann in der Schweiz. Beim TV Suhr, dem heutigen HSC Suhr-Aarau, war er zuerst Spieler und dann Spieler-Trainer. Diese Rolle hatte er auch bei Pfadi Winterthur inne. Er war also Spielmacher mit Trainerkompetenz, sein eigener verlängerter Arm auf dem Feld. Später trainierte er die Kadetten Schaffhausen. Mit allen drei Teams wurde er Meister.
Ähnliches erhofften sie sich auch beim HC Kriens-Luzern von ihm. Doch es endete mit einer fristlosen Entlassung und einem juristischen Streit. Heute sagt Perkovac: «In Kriens lief es drei Jahre perfekt, dann hatte ich einen unerfreulichen Abgang wegen eines Mannes.» Gemeint ist Nick Christen, der damalige Sportchef, der Perkovac ein Spiel vor der geplanten vorzeitigen Trennung entliess.
Überraschend zum Traumjob
Doch damit beschäftige er sich nicht mehr, sagt Perkovac. Er ist zurück auf der Bühne des Welthandballs. Der 61-Jährige ist seit knapp einem Jahr Nationaltrainer von Kroatien. «Ich habe meinen Traumjob», sagt er. Es gebe kaum einen Trainer, der einen solchen Job nicht wolle. Dass ausgerechnet Perkovac ihn bekam, darf als Überraschung bezeichnet werden.
Klar, Perkovac ist als Olympiasieger ein grosser Name im kroatischen Handball. Aber als Trainer fehlen ihm seit dem letzten Meistertitel mit den Kadetten 2007 die Erfolge. Weder in den fünf Jahren als Schweizer Nationaltrainer noch als Coach der Bundesligisten GWD Minden und TuS N-Lübbecke erreichte er die Ziele. Bei den deutschen Clubs war der 61-Jährige keine ganze Saison tätig, beide stiegen am Ende der Spielzeit ab.
Mit Kroatien macht er nun aber etwas richtig, so beschreibt es jedenfalls Captain Domagoj Duvnjak. «Früher waren wir immer sehr ruhig, heute waren wir sehr aggressiv und sind viel gelaufen», so der Welthandballer von 2013. Das sei das Verdienst des Trainers.
Zu Duvnjak hat Perkovac ein spezielles Verhältnis. Dieser spielte einst mit seinem Vater zusammen. «Ich hatte Duvnjak schon als Baby auf dem Arm», erzählt der Schweiz-Kroate. Heute ist es etwas anders, als Duvnjak eingewechselt wird, legt der Trainer den Arm um den Spieler, dieser ist einen Kopf grösser. Die Einsätze von Duvnjak sind nur noch kurz, aber er nimmt von der Bank her fast so viel Einfluss aufs Spiel wie der Trainer.
Alte Bekannte aus besseren Zeiten
Perkovac dürfte den Job in Kroatien wohl auch bekommen haben, weil er sein Land 1996 zum Olympiasieg führte. Bei der Vorrunde in Mannheim holt ihn diese Vergangenheit etwas ein. Die beiden Schweden Magnus Wislander und Staffan Olsson, damals als Gegner auf dem Feld, sind ebenfalls vor Ort, weil Schweden und die Niederlande in der Parallelgruppe spielen. «Jahrhunderthandballer» Wislander ist als Experte für ein schwedisches Medium anwesend, Olsson ist Nationaltrainer der Niederlande.
Solche Erfolge erhoffen sie sich in Kroatien nun von Perkovac. «Egal wie stark die Mannschaft ist, es wird immer eine Medaille erwartet», sagt er. Das wäre gelinde gesagt eine Überraschung, denn davon waren die Kroaten zuletzt weit entfernt. Bei der EM vor vier Jahren waren sie zwar noch im Final, danach fielen sie aber in ein Loch. Bei der EM 2022 wurden sie noch Achter, bei der WM ein Jahr später nur Neunter.
Davon ist am Freitagabend nichts zu sehen. Die Kroaten hüpfen nach dem Spiel vor ihren Tausenden Fans in der SAP-Arena in Mannheim und posieren für Siegerbilder, als ob sie schon einen Titel gewonnen hätten. Nur einer bleibt ganz ruhig und entspannt: Goran Perkovac. Der wichtigste Sieg soll ja noch kommen.
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