Kommentar zum Golfstrom-KollapsWir haben schon einmal den Fehler gemacht, die Klimaforscher zu unterschätzen
Die neuen Erkenntnisse über die Ozeanzirkulation sollten nicht nur die Wissenschaft beschäftigen, sondern uns daran erinnern, wie dringend es ist, zu handeln.
Dänische Forscher konnten erstmals aufzeigen, dass der Kollaps der atlantischen Meeresströmungen aufgrund des Klimawandels mehr als nur ein theoretisches Konstrukt ist. Sie gehen sogar so weit, zu vermuten, dass sie die Ozeanzirkulation – zu der der Golfstrom gehört – in Richtung dieses Kipppunktes bewegt, mit der Folge einer katastrophalen Abkühlung in Europa. Wann dieser Kipppunkt erreicht sein wird, wissen sie allerdings nicht. In Jahrzehnten, in Jahrhunderten oder noch später. Wer weiss.
Haben uns Studien mit solchen Ungewissheiten zu interessieren? Ja. Es sind diese Erkenntnisse, die uns daran erinnern, dass die Konsequenzen des Klimawandels letztlich unberechenbar sind. Und dass wir schon einmal den Fehler gemacht haben, die Wissenschaft zu unterschätzen. Und es scheint, dass wir es noch immer tun.
Zwar kam am Umweltgipfel von 1992 die Klimarahmenkonvention zustande, weil die Wissenschaft vor einem bevorstehenden Klimawandel warnte. Trotzdem schafften es die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens auch nach dreissig Jahren an der vergangenen Klimakonferenz in Dubai nicht, den Ausstieg aus den fossilen Energien wenigstens im Wortlaut zu formulieren.
Auch in der nationalen Klimapolitik der Schweiz erkennt man noch nicht den durchschlagenden Willen im Klimaschutz. Es scheint, der immer knapper werdende Faktor Zeit werde von der Politik und auch von der Gesellschaft entgegen den heute zuverlässigen Klimadaten nach wie vor unterschätzt.
Es macht sogar den Anschein, dass das Thema Klimawandel in diesen unsicheren Zeiten, die aktuell durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten geprägt sind, in den Hintergrund rückt.
Wie sagte doch der Schweizer Schriftsteller C.F. Ramuz in seinem erstmals 1922 veröffentlichten Roman «Sturz in die Sonne»: «Unsere Welt ist so klein. Unsere Welt geht so weit, wie unser Auge reicht.» Damals wusste die Welt noch nichts von der Bedrohung durch die globale Erderwärmung. Aber seine Geschichte handelte auch von einer Weltkatastrophe, welche die Wissenschaft voraussagte und zuerst niemand ernst nahm, weil sie im Alltag nicht sichtbar war.
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