Nach Schimpftirade an KonzertGiorgia Meloni verklagt Placebo-Sänger
Placebo-Sänger Brian Molko hat Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bei einem Auftritt beschimpft. Dass sie ihn darob verklagt, kommt in Italien nicht selten vor.
Im Internet findet man viele Texte über Brian Molko – klar, denn der Frontmann der britischen Indie-Band Placebo ist ein bekannter Musiker. Seit 1994 ist die Gruppe zusammen, und gleich mit den ersten Alben zog sie viel Aufmerksamkeit auf sich. Das lag am kreativen Mix aus Rock, Punk, Grunge und noch einigen Zutaten – aber auch daran, dass insbesondere Molko das Stereotyp von Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll bereitwillig bediente. Der in Belgien geborene Sohn eines international erfolgreichen Bankers bekannte sich offen zu seiner Bisexualität und zum Drogenkonsum und erinnerte in seiner androgynen Erscheinung nicht von ungefähr an Altstar David Bowie, der ein Freund und Förderer der Band war. Vom ersten Album an war Placebo erfolgreich und hat bis heute mehr als 14 Millionen Alben verkauft. Songs wie «Pure Morning» oder «Every You, Every Me» wurden Hits.
Ein Text im Netz ist angeteasert mit den Worten: «5 Dinge, die ihr über Placebo-Dandy Brian Molko noch nicht wusstet», und was folgt, ist auch ein bisschen eklig. Was nicht erwähnt wird, aber auch nicht jeder weiss, ist der Umstand, dass Brian Molko, 50, die ähnlich alte Italienerin Giorgia Meloni, 46, ganz und gar nicht leiden kann – und das hat jetzt Folgen.
Das Verfahren gegen Roberto Saviano hat Meloni zuletzt forciert
Die Parteichefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia ist seit Oktober 2022 Regierungschefin im EU-Gründungsland Italien – als erste Frau, aber auch als erste ultrarechte Politikerin. Im Wahlkampf hatte sie sich gegen Migranten, Abtreibung, die EU und auch die LGBTQ+-Community positioniert: Das fordert Molko heraus. Bei einem Konzert beim Sonic Park Festival in Stupinigi bei Turin zog der Musiker kürzlich auf Italienisch über die Regierungschefin her: «Giorgia Meloni, Stück Sch..., Rassistin, Faschistin. Verpiss dich!», man kann das in unscharfen Fanvideos auf Youtube deutlich hören.
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Ob Politprofi Meloni darüber persönlich wirklich empört war, weiss man nicht. Aber sie hat jedenfalls reagiert und Molko jetzt laut Medienberichten wegen Beleidigung verklagt. Ohnehin ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft, denn wer die «Republik öffentlich beleidigt», macht sich nach italienischem Recht strafbar. Unter den Begriff Republik fällt neben den Gerichten, der Armee und dem Parlament eben auch die Regierung des Landes und damit auch die Ministerpräsidentin.
«Ich werde wie ein Monster beschrieben.»
Was man sagen kann, ist, dass Meloni unter ihrem Image als ultrarechte Politikerin leidet. «Ich werde wie ein Monster beschrieben», sagte sie neulich anlässlich ihres ersten Besuchs bei Präsident Joe Biden im Weissen Haus einem amerikanischen Fernsehsender – dabei wolle sie doch nur das Beste fürs Land. Sie hat auch, nachdem sie ins Amt gekommen war, ein schon länger laufendes Verfahren gegen Roberto Saviano, den bekannten Anti-Mafia-Autor («Gomorrha») forciert, der sie im Fernsehen als «bastarda» bezeichnet hatte.
Im konkreten Fall Molko droht im Falle der Verurteilung (nur) eine Geldstrafe zwischen 1000 und 5000 Euro. Die würde der Musiker aus der Portokasse zahlen, er fühlt sich im Zweifel eher geehrt. Aber Verfechter der Meinungs- und Pressefreiheit sind trotzdem alarmiert. Zwar ist Beleidigung von Staatsorganen auch in anderen Ländern strafbar, in manchen Staaten gibt es sogar noch den Tatbestand der Majestätsbeleidigung, und die juristischen Massnahmen in Italien bedeuten sicher nicht die existenzielle Bedrohung wie in autoritären Systemen. Aber es fällt doch auf, dass die Regierung Meloni die Schrauben anzieht.
Italienische Minister ziehen gern und schnell vor Gericht
Verschiedene ihrer Minister greifen rasch zur juristischen Keule, Innenminister Matteo Piantedosi etwa gegenüber einem ehemaligen Seenotretter, der das Bootsunglück von Cutro «das Ergebnis ruchloser Politik» nannte. Claudio Durigon, Staatssekretär im Arbeitsministerium, steht im Ruf, Polizei und Staatsanwälte zu bemühen, wenn kritisch über ihn berichtet wird. Der Europarat klagt in einem neuen Bericht, dass die Regierung Meloni offenbar versuche, Kritiker zum Schweigen zu bringen. Er zitiert Verteidigungsminister Guido Crosetto, der gesagt habe: «Ich bin davon überzeugt, dass zivil- und strafrechtliche Verurteilungen im Falle von Verleumdung die einzige Methode sind, die Verleger, Redakteure und Journalisten verstehen.»
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