Wegen Davidstern abgewiesenVorfall mit Gil Ofarim – Hotel-Mitarbeiter reicht Anzeige ein
Der Musiker soll beim Check-in in Leipzig wegen einer Kette angefeindet worden sein. Hunderte solidarisierten sich vor Ort mit ihm. Auch das Hotel hat reagiert.
«Wirklich?», fragt Gil Ofarim und hält seine Halskette mit dem Davidstern in die Kamera. Gerade hat er noch ungläubig gelächelt, aber jetzt mischt sich der Schmerz in seine Gesichtszüge, Ofarim kämpft mit den Tränen. Zu sehen ist das alles in einem zweiminütigen Videoclip, den der Musiker in der vergangenen Nacht auf Instagram hochgeladen hat. Er berichtet darin von einem antisemitischen Vorfall, den er Augenblicke zuvor in einem Leipziger Hotel erlebt habe.
«Ich bin gerade sprachlos, ich weiss nicht, wie ichs sagen soll», sagt Ofarim zu Beginn dieses Videos, er sitzt in der Lobby des Hotels Westin in Leipzig. Es habe sich eine lange Schlange am Counter gebildet, weil ein Computer ausgefallen sei. Er habe einfach gewartet, stehend, «mit meiner Kette», er hält den Davidstern in die Kamera. Die Kette habe er schon sein Leben lang.
Dann aber sei eine Person nach der anderen vorgezogen worden, erzählt Ofarim. Als er den Hotelmitarbeiter darauf angesprochen habe, habe dieser geantwortet, er mache das, «um die Schlange zu entzerren». Plötzlich habe «irgendeiner aus der Ecke» gerufen: «Pack deinen Stern ein!» Der Hotelmitarbeiter habe die Aufforderung ihm gegenüber wiederholt. Wenn er ihn einpacke, dürfe er einchecken. Ofarim fällt es sichtlich schwer, den Vorfall zu erzählen, er ringt um Worte. «Deutschland 2021», sagt er dann noch und beendet die Aufnahme.
Hotel beurlaubt Mitarbeiter
Die Vorwürfe sorgten für Empörung. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte die «antisemitische Anfeindung» gegen Ofarim «erschreckend». Er hoffe, dass das Hotel personelle Konsequenzen ziehe, und «ebenso, dass wir künftig auf Solidarität treffen, wenn wir angegriffen werden», schrieb Schuster auf Twitter.
Der sächsiche Wirtschaftsminister Martin Dulig schrieb auf Twitter, es mache ihn «wütend, was Gil Ofarim in meinem Heimatland widerfahren ist». «Ich spreche für die übergrosse Mehrheit der Menschen in Sachsen, wenn ich mich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige.»
Das Hotel selbst äusserte sich in den sozialen Netzwerken. «Wir sind besorgt über diesen Bericht und nehmen die Angelegenheit sehr ernst», hiess es am Dienstagnachmittag auf Facebook. Das Hotel versuche «mit allen Mitteln, mit Herrn Ofarim in Kontakt zu treten, während wir dringend nachforschen, was hier passiert ist».
Später bestätigte die stellvertretende Managerin Antje Reichenstein dem «Leipziger Volksfreund», dass zwei Angestellte beurlaubt seien. «Wir sind ein weltoffenes Hotel und lehnen jede Form von Intoleranz, Diskriminierung und Antisemitismus auf das Schärfste ab. Deshalb sind wir über die unerträglichen Vorwürfe von Herrn Ofarim besorgt und alarmiert».
Anzeige wegen Verleumdung eingereicht
Einer der beurlaubten Mitarbeiter hat nun Anzeige wegen Verleumdung eingereicht. Der Mann schildere den Vorfall «deutlich abweichend von den Auslassungen des Musikers», sagte ein Sprecher der Leipziger Polizei. Der Hotelangestellte habe zudem noch eine zweite Anzeige wegen Bedrohung gestellt, weil sich Menschen in den sozialen Netzwerken völlig entfesselt gegenüber dem Hotelpersonal geäussert hätten.
Vor dem Hotel kam es am Dienstagabend zu einer Solidaritätskundgebung für den Musiker mit mehreren Hundert Personen.
Gil Ofarim ist der Sohn des in Israel geborenen Sängers Abi Ofarim, der 2018 starb. Gil Ofarim ist als Schauspieler und Sänger bekannt, 2017 Jahr gewann er die RTL-Tanzshow «Let’s Dance».
afp/nlu
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