Giessen-Areal Wädenswil So wird der historische Kamin gerettet
Auf dem Giessen-Areal entstehen Luxuswohnungen neben einem Hochkamin. Dieser muss jedoch aufwendig saniert werden, was statische Herausforderungen mit sich bringt.
![Kamin auf dem Giessenareal wurde nun stabilisiert und kann anschliessend wieder aufgebaut werden. Herr Hagen der Firma, die den Kamin stabilisiert hat, erklaert den Prozess der Rennovation eines solchen Kamins.
Foto: Michael Trost / Tamedia AG.](https://cdn.unitycms.io/images/4b4lVnNFasnAOxmqeAJm2Q.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=cLGitMgAx0I)
Die Sonne brennt auf die Baustelle im Giessen-Areal in Wädenswil. Die Bauarbeiter tragen Sonnenbrille, ihre Trinkwasserflaschen sind bereits geleert. Doch hier, zu Füssen des alten Kamins der Tuchfabrik Pfenninger, weht eine leichte, kühle Brise.
«Das ist, weil die Luft im Kamin immer zirkuliert», erklärt Elias Hagen von der Wanner & Lott AG aus Regensdorf. Zusammen mit seinem Team bringt er als Bauführer den Hochkamin aus dem frühen 20. Jahrhundert wieder in Schuss.
Aufwendige Stabilisierung
Der Kamin gehört zum ehemaligen Fabrikgebäude von 1906 und steht neben den Luxuswohnungen, die zurzeit gebaut werden auf der Giessen-Halbinsel. Einige der Eigentumswohnungen entstehen in historischen Gebäuden, andere sind Neubauten direkt am See. Damit der Kamin sicher neben den Wohnungen steht, muss er grundlegend saniert werden.
Dem Fundament des 43 Meter hohen Turms wird hier besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet. «Die Statikarbeiten an diesem Kamin sind aussergewöhnlich», sagt Hagen, der bereits Dutzende Kamine aus industriellen Zeiten sanierte. Einer davon ist auch der Hochkamin auf dem Chemieareal Uetikon.
Zunächst wurde der Kamin mit sogenannten Mikropfählen gesichert. «16 Pfähle, die jeweils 28 Meter tief in die Erde reichen, stabilisieren den Kaminuntergrund», erklärt Sergio Hösel, der Polier vor Ort. So können Druck- und Zuglasten in tiefere und tragfähigere Schichten eingeleitet werden.
![Kamin auf dem Giessenareal wurde nun stabilisiert und kann anschliessend wieder aufgebaut werden. Herr Hagen der Firma, die den Kamin stabilisiert hat, erklaert den Prozess der Rennovation eines solchen Kamins.
Sergio Hösel Polier.
Foto: Michael Trost / Tamedia AG.](https://cdn.unitycms.io/images/8PxATufl4g3AGgTH4jUio6.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=KpBkV8dtkxo)
Anschliessend statten die Bauarbeiter den Kaminfuss mit Armierungseisen aus, bevor sie einen Sockel aus Beton giessen. Der Beton wird rund um den Kamin als auch in einem grossen Kreuz quer durchs Innere gegossen. Statiker und Ingenieure begleiten die Prozesse von der Planung bis zur Umsetzung, sodass die Stabilität des Kamins jederzeit unter Kontrolle ist.
Zudem misst während der Statikarbeiten ein Messgerät, ein sogenannter Teodolit, in kurzen Intervallen immer wieder die exakte Höhe mehrerer Fixpunkte am Kamin. Dadurch wird ständig überprüft, ob sich das alte Gemäuer auf einer Seite absenkt. Falls dies der Fall ist, macht ein Alarm darauf aufmerksam, sodass frühzeitig reagiert werden kann.
Wenn eine Seite des Kamins sich etwas senkt, kann das ganze Gebilde mittels Hydraulik justiert werden. «Ein bis zweimal pro Woche müssen wir den Kamin etwas begradigen», sagt Hösel. Dieser Mehraufwand betreffend der Statik würde sich dann auch finanziell zeigen. So koste die Sanierung insgesamt rund eine Viertelmillion Franken.
Ein neuer Kopf
Der Hochkamin auf dem Giessen-Areal hat eigentlich eine stattliche Höhe von 43 Metern. Arbeiter haben jedoch die obersten acht Meter des Kamins bereits vor einem Jahr abgetragen, denn der Kopf des Kamins sei in marodem Zustand gewesen. Zu gross sei das Risiko gewesen, dass Backsteine durch die mit den Bauarbeiten einhergehenden Erschütterungen runtergefallen wären. «Diese lockeren und brüchigen Ziegel hätten Arbeitern sehr gefährlich werden können», sagt Hagen.
![Kamin auf dem Giessenareal wurde nun stabilisiert und kann anschliessend wieder aufgebaut werden. Herr Hagen der Firma, die den Kamin stabilisiert hat, erklaert den Prozess der Rennovation eines solchen Kamins.
Foto: Michael Trost / Tamedia AG.](https://cdn.unitycms.io/images/2aBgh46aq1c95rgzIHK1OB.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=7vmhalfYsCM)
Doch auch ohne die obersten Meter windet sich das Gerüst rund um die Aussenseite des Kamins in schwindelerregende Höhe. Von ganz oben lassen sich nicht nur die grossen Baugruben auf dem Giessen-Areal überschauen, sondern es bietet sich auch ein wunderbarer Blick über den blau funkelnden Zürichsee und bis in die Glarner Alpen. Hier oben in luftigen Höhen wird sofort ersichtlich, weshalb die Spitze des Kamins schon rückgebaut wurde. Denn besonders die Kaminseite, die Richtung See liegt, lässt erahnen, in welchem Zustand die obersten Ziegel gewesen sein mussten.
An vereinzelten Backsteinen fehlen grosse Stücke, und an anderen sind Risse zu erkennen. «Das sind Frostschäden», erklärt Hagen und bricht ohne grossen Kraftaufwand ein solches Stück Ziegel ab. Diese entstehen, wenn die Ziegel zu viel Feuchtigkeit aufnehmen und die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen. Dann sprenge es die Backsteine regelrecht.
![Kamin auf dem Giessenareal wurde nun stabilisiert und kann anschliessend wieder aufgebaut werden. Herr Hagen der Firma, die den Kamin stabilisiert hat, erklaert den Prozess der Rennovation eines solchen Kamins.
Foto: Michael Trost / Tamedia AG.](https://cdn.unitycms.io/images/3rYbZlHBafOAhGLDInlkTk.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=8Ox3XBD-7qQ)
Die alten Backsteine werden mit Wasserhochdruck gereinigt, um den Grossteil an jahrzehntealtem Russ und Dreck von den Ziegeln zu entfernen. Ganz wie neu werden sie dennoch nicht aussehen. Zudem wird Stein um Stein auf Schäden kontrolliert. «Wo immer nötig, werden einzelne Ziegel in schlechtem Zustand herausgespitzt und durch neue ersetzt», erklärt Hagen. Auch wenn die Mörtelfugen zwischen den Ziegeln nicht mehr in gutem Zustand seien, würden diese erneuert.
Die obersten acht Meter an Backsteinen werden allesamt komplett durch neue ersetzt. «Natürlich wird man den Unterschied zwischen den alten und neuen Ziegeln von weitem sehen, da der alte Teil des Kamins immer noch russgeschwärzt ist», sagt Hagen. Die Arbeiten am Kamin dauern rund zweieinhalb Monate.
Zu guter Letzt werde der Kamin mit einem rostfreien Stahldeckel vor zu viel Regen von oben geschützt. Eine kleine Gittertür am unteren Ende des Kamins ermögliche ausreichend Durchzug. «Wäre der Kamin ganz verschlossen, könnte das zu Standnässe führen, was die Stabilität des Kamins wiederum gefährden könnte», erklärt Hagen. Um spätere Schäden zu verhindern, müsse eine gute Luftzirkulation gewährleistet werden. Die Bauarbeiter freuen sich jedenfalls über genau diese Zirkulation, die einen angenehm kühlen Luftzug in den Fuss des industriellen Hochkamins bringt.
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