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Alles Wichtige zum Eidgenössisches Schwingfest 
Gibt es womöglich gar keinen Schwingerkönig?

«Manne, ad Arbet»! In Pratteln geht es am Samstagmorgen los, im ersten von acht Gängen werden die Weichen gestellt.
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Die Favoriten: Für den Dominator wird es kein Spaziergang

Eigentlich kann der neue Schwingerkönig nur Samuel Giger heissen. Keiner hat seit dem letzten Eidgenössischen so dominant geschwungen wie der Thurgauer, keiner in dieser Phase mehr Kranzfeste gewonnen (13). Im vergangenen Herbst gewann er überdies mit dem Kilchberger-Schwinget sein erstes Fest von eidgenössischem Charakter. 

Der rote Teppich aber wird Giger in Pratteln nicht ausgerollt. Denn da sind zum einen die Innerschweizer, die seit 1986 auf den Königstitel warten und mit Joel Wicki den ärgsten Herausforderer in ihren Reihen wissen. Der Sörenberger verpasste wegen einer Verletzung und eines Todesfalls in der Familie den Stoos- und den Brünig-Schwinget. Aber: Wenn Wicki antrat, war er stets gefährlich – davon zeugen drei Kranzfestsiege. 

Und dann ist da natürlich noch die Berner Armada, die sich zum Ziel gesetzt hat, zum fünften Mal in Folge den König zu stellen. Der stärkste Teilverband kann zwar in Pratteln keinen Topfavoriten stellen, aber dafür eine breite Mannschaft an Spitzenschwingern. Und er verfügt mit dem zweifachen Saisonsieger Matthias Aeschbacher über den einzigen Schwinger, der Giger in diesem Jahr bezwingen konnte.

Ebenfalls zu beachten gilt es Adrian Walther, der 21-Jährige hat mit dem Bernisch-Kantonalen und dem Brünig-Schwinget gleich zwei der prestigeträchtigsten und am besten besetzten Wettkämpfe in diesem Jahr gewonnen. 

Gespannt sein dürfen die Zuschauerinnen und Zuschauer zweifellos auf Pirmin Reichmuth und Werner Schlegel. Ersterer gehört zu den grössten Pechvögeln im Schwingsport, er hat sich bereits viermal das Kreuzband gerissen und ist zuletzt mit einer Verletzung der Bizepssehne ausgefallen. Aber Reichmuth hat in diesem Jahr gezeigt, dass er nicht viel Anlaufzeit braucht: Beim Aargauer-Kantonalen triumphierte er nach monatelanger Zwangspause mit makellosem Notenblatt. 

Mit Schlegel verfügen die Nordostschweizer neben Giger über einen weiteren Schwinger, der sich Chancen auf den Sieg ausrechnen darf. Der erst 19-jährige Toggenburger sorgte in diesem Jahr mit seinen Triumphen am St. Galler Kantonalen und als Gast am Nordwestschweizerischen für Aufsehen. Zudem forderte er Walther im Schlussgang des Brünig-Schwingets heraus. 

Die Schwünge: Die Vielseitigkeit macht es aus

An sich ist der Vielfalt an Schwüngen und Griffen kaum Grenzen gesetzt. Insgesamt gibt es über 300 verschiedene Varianten und Kombinationen, um den Gegner auf den Rücken zu legen, doch begrenzt sich das Repertoire der Spitzenschwinger meist auf ein paar wenig Schwünge.

Und der beliebteste davon ist der Kurz. Samuel Giger und Christian Stucki etwa sind gefürchtete Kurz-Züger.

Dem Kurz ähnlich ist der Hüfter, bei dem der Gegner mit einer Körperdrehung über das eigene Gesäss auf den Rücken gedreht wird. 

Weiter gehören auch der Brienzer und der Übersprung zu den gefährlichsten Waffen der Schwinger aus dem Stand heraus.

Ist ein Gegner dann einmal am Boden, greifen die Athleten oftmals zum Bur, um diesen endgültig auf den Rücken zu legen. 

Die Noten: Die Bedeutung des Sieges

Ermessensspielraum: Die Kampfrichter müssen auch ein wenig nach eigenem Gutdünken entscheiden.

Schwingen hat einige Besonderheiten und Eigenarten. Dazu gehört etwa, dass es eine der wenigen Kontaktsportarten ist, in denen es keine Gewichtsklassen gibt. Und: Beim Schwingen erhält auch der Verlierer Punkte. 8,50, um ganz genau zu sein. Und wenn er sich ordentlich gewehrt und viel riskiert hat, gibt es gar noch einen Viertelpunkt mehr als Bonus. 

Auch das ist besonders am Schwingen. Die Kampfrichter – einer steht im Sägemehl, zwei beobachten den Gang vom Tisch aus – haben bei der Notengebung Ermessensspielraum. Kommt es zu einem Unentschieden («Gestellter»), bei dem sich die Kontrahenten kaum attackieren, gibt es dafür ebenfalls 8,75 Punkte. Mit einer attraktiven Schwingweise kann ein Athlet dazu beitragen, dass er für einen Gestellten 9 Punkte erhält. 

Das Ziel aber ist natürlich, den Gegner platt auf den Rücken zu werfen und dafür eine 10 zu erhalten. Fällt dieser nicht im ersten Zug und muss deshalb am Boden mit Überdrücken bezwungen werden, gibt es 9,75 Punkte. Will heissen: Ein gewonnener Gang ist besonders viel wert.

Aber eben, die Besonderheiten: In der Theorie könnte es für einen Gestellten auch nur 8,50 Punkte geben, nämlich dann, wenn beide Kontrahenten extrem passiv agieren. Eine solche Note ist zwar äusserst selten, sie würde aber bedeuten, dass ein Unentschieden je nach Konstellation weniger wert wäre als eine Niederlage. 

Erfolgreichste Eidgenossen: Über allen thront Meli

Schwingerlegende: Karl Meli (links) siegte 1961 am Eidgenössischen in Zug. Insgesamt holte er neun eidgenössische Kränze.

Einer steht über allen: Karl Meli. 61 Kranzfeste gewann der zweifache Schwingerkönig, diese Marke ist bis heute unerreicht. Und noch in einer Sparte steht Meli ganz oben: Zwischen 1956 und 1977 holte er an neun Eidgenössischen stets den Kranz. 

Das dürfte ihm so schnell keiner nachmachen. Zumal von den aktuellen Schwingern einzig Christian Stucki (6) und Christian Schuler (5) annähernd in die Nähe dieses Rekords kommen. Aber der Schwingerkönig von 2019 und der Innerschweizer Spitzenathlet werden mit 37 respektive 34 Jahren nicht mehr so viele Gelegenheiten bekommen, sich an einem Eidgenössischen zu bewähren. 

Schwingerkönige: Berner an der Macht

35 Könige hat es seit dem ersten Eidgenössischen 1895 in Biel gegeben, wobei neun von ihnen mehrfach triumphiert haben. Von den fünf Teilverbänden haben die Berner ganz klar die Nase vorn. 19-mal konnten sie bereits den Schwingerkönig schultern. Am anderen Ende der Skala stehen die Innerschweizer – ihnen ist es nur einmal gelungen, an einem Eidgenössischen obenaus zu schwingen. 1986 triumphierte in Sitten Harry Knüsel. Was an und für sich unerklärbar ist. Denn: Der Innerschweizer Teilverband ist den anderen bezüglich Grösse teils deutlich überlegen.

Letzte Sieger: Der dreifache Abderhalden

Gigant im Sägemehl: Jörg Abderhalden prägte die Szene über Jahre hinweg. 1998, 2004 und 2007 wurde er Schwingerkönig.

Und gleich nochmals eine Sparte, in der die Berner die Nase vorn haben. Seit 2010 halten sie die Krone fest in der Hand. 

Zuvor allerdings regierten die Nordostschweizer während 15 Jahren. Wobei ein Athlet herausragt: Jörg Abderhalden. Der Toggenburger wurde 1998 im Berner Wankdorfstadion mit 19 Jahren ein erstes Mal Schwingerkönig, 2004 in Luzern und 2007 in Aarau legte er nach. 

Der Siegermuni: Eine Tonne schwer und 30’000 Franken wert

Er wiegt über 1000 Kilo und hat eine Schulterhöhe von 1,75 Metern. Gestatten: Magnus vom Schönenberg. Der Sieger des Eidgenössischen wird den Muni der Rasse Red Holstein erhalten. Weil von den Anwärtern auf den Königstitel allerdings nur die wenigsten einen Bauernhof besitzen, werden sie wohl den Gegenwert in Form des Preisgeldes nehmen – stolze 30’000 Franken. 

Das Unvorstellbare: Gibt es gar keinen König?

Wer den Schlussgang gewinnt oder am Ende des Fests am meisten Punkte hat, ist Schwingerkönig. So einfach ist es eben nicht, typisch Schwingen halt. 

Keinen Schwingerkönig – das gab es auch schon. 1945 in Bern wie auch 1950 in Grenchen wurde wegen Passivität der Finalisten im Schlussgang (30 Minuten endeten ohne Sieger!) vom Kampfgericht jeweils kein König ernannt, stattdessen zwei «Erstgekrönte». Arnold Forrer übrigens wurde 2001 in Nyon erst nach intensiven Diskussionen der Offiziellen zum König ernannt. Das finale Duell gegen seinen Clubkameraden Jörg Abderhalden endete mit einem Unentschieden, der Zentralvorstand und die Technische Kommission des Eidgenössischen Schwingerverbandes hätten das Recht gehabt, den Königstitel nicht zu verleihen.

Die Paarungen: Fluchen im Einteilungskampfgericht

Hitzige Diskussionen: Im Einteilungskampfgericht fliegen auch mal die Fetzen.

Im Schwingen gibt es kein Tableau, wie man es allenfalls vom Tennis her kennt. Nein, die Duelle werden immer wieder neu bestimmt. Das Spannende daran: Es schwingen immer jene Athleten gegeneinander, die in der Rangliste nahe beisammen sind. Im ersten Gang kommt es zu Spitzenpaarungen, die Besten greifen gleich sofort zusammen. Danach bilden je ein Vertreter der fünf Teilverbände (Bern, Innerschweiz, Nordostschweiz, Nordwestschweiz und Südwestschweiz) sowie der eidgenössische Technische Leiter Stefan Strebel das Einteilungskampfgericht.

In einem Büro werden die weiteren Gänge bestimmt. Grundsätzlich gilt: Athleten aus dem gleichen Teilverband treffen wenn möglich nicht aufeinander. Jeder Vertreter will für seine Schwinger natürlich das Beste rausholen; harte, ja sehr laute Diskussionen sind unumgänglich. Und ohne Fluchen geht es nicht.

Das geht gar nicht: Kurze Hosen und würgen

Eigene Gesetze hin oder her: Doping ist auch im Schwingen nicht erlaubt. Die Kontrollen sind längst intensiviert worden, mit Martin Grab hat es 2018 einen der ganz Grossen der Szene erwischt, 2013 wurde mit Bruno Gisler ebenfalls ein mehrfacher Kranzfestsieger überführt. 

Was im Sägemehl überdies verboten ist: kurze Hosen und offene Schuhe tragen, würgen, kratzen, beissen. Wer den Kampf nahezu verweigert, wird bestraft.

Der Kranz: Wer ihn holt, ist ein «Böser»

So klein und doch so begehrt: Die 274 Schwinger wollen am Sonntagabend mit Eichenlaub auf dem Kopf heimkehren. Dies gelingt aber nur 15 bis maximal 18 Prozent des Teilnehmerfeldes. Wer den Kranz gewinnt, kriegt den Schwingerstatus des «Eidgenossen». Und wird fortan «Böser» genannt. Auch der König kriegt übrigens einen Kranz, nicht etwa eine Krone.

Die Gangdauer: Von 6 bis 16 Minuten

Die ersten zwei Gänge am Samstagmorgen dauern jeweils maximal sechs, die Kämpfe drei und vier am Nachmittag bereits sieben Minuten. Am Sonntagvormittag (5. und 6. Gang) geht es mit höchstens sieben Minuten pro Duell weiter, am Nachmittag wird die Gangdauer im Kranzausstich auf acht Minuten erhöht.

Ach ja: Im Schlussgang geht es so richtig zur Sache. Der Kampf der Kämpfe könnte sechzehn Minuten dauern.

Sennen oder Turner: Die Kleidung verrät es

Es gibt zwei Gattungen von Schwingern: Turner und Sennen.

Turnerschwinger tragen weisse Hosen und Shirts, die Sennen ziehen sich dunkle Hosen an und kombinieren diese mit einem Hemd. Die Schwingerhosen aus Zwilch werden vom Festorganisator zur Verfügung gestellt und von Schwinger zu Schwinger weitergereicht. Sie sind hellbraun und dunkelbraun. Hellbraun trägt jener Akteur, dessen Nachname im Alphabet zuerst kommt.

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