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Ärger bei den Tories über Partygate
Boris Johnson muss sich Misstrauensvotum stellen

Bei einem Auftritt während des Queen-«Jubilee» wurde der britische Premier lautstark ausgebuht. (3. Juni 2022)
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Showdown in der «Partygate»-Affäre: Nach Monaten der Kritik muss sich der britische Premierminister Boris Johnson einem Misstrauensvotum seiner Konservativen Fraktion stellen. Nur wenige Stunden, nachdem in London die letzten Klänge der rauschenden «Jubilee»-Sause für Queen Elizabeth II. verstummt sind, geht es am Montag schon wieder um harte Politik – genauer gesagt: um das politische Überleben Johnsons.

Noch am gleichen Tag sollten die 359 Parlamentarier der Tory-Partei darüber entscheiden, ob sie weiter von diesem angeführt werden wollen oder nicht. Stimmt eine Mehrheit gegen Johnson, ist er sein Amt als Parteichef los und gezwungen, seinen Rückzug als Premier anzukündigen. Das Ergebnis solle noch am Abend (22 Uhr MESZ) vor laufenden Fernsehkameras verkündet werden, sagte der Vorsitzende des sogenannten 1922-Komitees, Graham Brady, am Montag vor Journalisten in London.

Erst am Morgen hatte Brady bekannt gegeben, dass die notwendige Anzahl an Briefen von Tory-Abgeordnete für ein Misstrauensvotum – also mindestens 54 – eingegangen sei. Damit ist die Schwelle von mindestens 15 Prozent erreicht. Der Zeitpunkt der explosiven Nachricht, die wohl so manchem noch feierseligen Briten schlagartig ernüchtert haben dürfte, ist kein Zufall: Brady bestätigte auf Nachfrage indirekt, man habe die Jubiläumsfeiern zu Ehren der Queen in den vergangenen Tagen nicht überschatten wollen. Parteikreisen zufolge gingen die Aufforderungen zur Einberufung einer Misstrauensabstimmung per Brief, E-Mail und sogar per Whatsapp ein.

Boris Johnson sieht in dem anstehenden Misstrauensvotum gegen ihn eine Chance, die «Partygate»-Affäre hinter sich zu lassen. Er begrüsse die Möglichkeit, sich dem Votum der Abgeordneten seiner Konservativen Partei zu stellen, liess der Premier am Montag über eine Downing-Street-Sprecherin mitteilen. Das Votum sei eine Chance für die Regierung, «Monate der Spekulationen zu beenden und einen Strich darunter zu ziehen», hiess es aus der Downing Street. 

Johnson steht innenpolitisch unter Druck, seit im Winter Stück für Stück ans Licht kam, dass in seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street exzessive Partys gefeiert wurden, während der Rest der Briten lange Lockdowns absass und sich nicht von sterbenden Angehörigen verabschieden konnte.

Erster amtierender Premier, der das Gesetz gebrochen hat

Die Kritik entzündet sich nach wie vor besonders an Johnsons Umgang mit der «Partygate»-Affäre. Viele Rebellen verwiesen in ihrem Antrag auf den vernichtenden Untersuchungsbericht der Spitzenbeamtin Sue Gray. Sie hatte Johnson schweres Führungsversagen vorgeworfen – doch der 57-Jährige macht weiter, als sei nichts geschehen, und ignoriert auch, dass er wegen einer Geldstrafe für die Teilnahme an einer Party nun der erste amtierende Premierminister ist, der das Gesetz gebrochen hat.

Klar ist aber auch: Es ist keinesfalls sicher, dass Johnson sein Amt verliert. Denn in einer Abstimmung müssen sich 180 Tory-Abgeordnete – also mindestens die Hälfte der aktuell 359 Fraktionsmitglieder – gegen den Premier aussprechen. Etwa 150 von ihnen aber haben einen unbezahlten oder bezahlten Regierungsjob, zum Beispiel als Staatssekretäre, Fraktionseinpeitscher («Whips») oder Handelsemissäre. Stimmen sie in der geheimen Wahl gegen Johnson, könnten sie selbst ihre Ämter verlieren.

«Niemand plant einen Putsch, aber seltsamerweise ist das gefährlicher»

Die Tories seien «gefangen zwischen Meuterei und Lähmung», kommentierte James Forsyth, Herausgeber der konservativen Zeitschrift «Spectator», in der Zeitung «Times». So sind zentrale Fragen offen.

Aktuell ist kein ernsthafter Nachfolger in Sicht. Finanzminister Rishi Sunak als bisher aussichtsreichster Kandidat hat an Rückhalt verloren, und der von vielen geschätzte Verteidigungsminister Ben Wallace hat offenbar keine Ambitionen. Bliebe Aussenministerin Liz Truss. Die 46-Jährige, die sich als moderne Ausgabe der früheren Premierministerin Margaret Thatcher in Szene setzt, stehe für konservative Tugenden wie Steuersenkungen und wirke entschlossener als alle anderen Kandidaten, kommentierte der ehemalige Tory-Abgeordnete David Gauke in der Zeitschrift «New Statesman». Sie sprach sich heute auf Twitter aber wie Sunak für Johnson aus. 

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Für Johnson spricht derzeit auch, dass er mit Abstand als bester Wahlkämpfer der Partei gilt. Viele fürchten, dass sie ohne den Populisten bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl keine Chance haben werden und ihren Sitz im Unterhaus verlieren (Lesen Sie dazu auch unsere Analyse zu Grossbritannien: Johnson betreibt Wahlkampf, statt zu regieren).

Dennoch ist der Unmut nun gross genug, um den Premier in ernste Schwierigkeiten zu bringen. Problematisch für Johnson ist, dass die Kritik von Vertretern verschiedener Strömungen kommt – von Abgeordneten, die für den Brexit waren oder gegen den EU-Austritt, von altgedienten Parlamentariern und solchen, die erst 2019 ins Unterhaus einzogen, von Konservativen aus allen Regionen des Landes. «Niemand plant einen Putsch, aber seltsamerweise ist das gefährlicher», zitierte «Spectator»-Chef Forsyth einen Tory. 

Wenn Johnson das Votum gewinnt, darf es nach den aktuellen Parteiregeln ein Jahr lang keinen weiteren Versuch geben, ihn abzuwählen. Das Ergebnis des Misstrauensvotums sollte noch nach der Abstimmung am Montagabend verkündet werden.

SDA/AFP/red