Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Magazin»-Interview für Schnellleser
Zehn Aussagen des Fifa-Chefs

Viel «Heuchelei und die Doppelmoral gewisser Leute»: Gianni Infantino sieht sich als Reformer, der oft zu Unrecht kritisiert wird.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Der Herr über den Weltfussball gibt kaum je Interviews. Wer trotzdem anfragte, erhielt eine Absage oder wurde auf später vertröstet mit dem Hinweis, dass sich der Fifa-Präsident nicht äussere, solange in der Schweiz ein Strafverfahren gegen ihn wegen Geheimtreffen mit dem Bundesanwalt laufe. Kürzlich wurde dieser Fall eingestellt – und Infantino entlastet.

Darauf hat sich der Italoschweizer, aufgewachsen in Brig, entschieden, zwei Journalisten dieser Redaktion zu einem ausführlichen Gespräch zu empfangen. In den zweieinhalb Stunden Interview äusserte sich Infantino erstmals eingehend zu vielen Themen, die international für Kritik an ihm und der Fifa gesorgt hatten. Hier die wichtigsten Passagen.

1. So kam es zu seiner spektakulären Rede in Katar.

Vor dem Start der WM in Katar hielt Gianni Infantino an einer Medienkonferenz eine einstündige Rede, die weltweit Schlagzeilen sorgte. «Heute fühle ich mich arabisch», so der Fifa-Chef. «Heute fühle ich mich afrikanisch, heute fühle ich mich schwul, heute fühle ich mich behindert, heute fühle ich mich als Wanderarbeiter.»

Nun erklärt Infantino, dass es spontan dazu kam – und was er mit der Ansprache bezwecken wollte: «Ich hatte ein paar Notizen vor mir, aber die waren dazu da, um auf die Fragen zu antworten. (,,,) Dass ich so eine Rede mache, war absolut ungeplant. Ich dachte, ich sage ein paar Worte zu Beginn, fünf, zehn Minuten. (…) Es ist einfach losgegangen. Ich habe gesagt, was ich auf dem Herzen habe. Dazu muss man wissen: Der Druck, den wir vor der WM hatten, war gross – die Kritik an der Vergabe nach Katar, die Attacken, die Heuchelei und die Doppelmoral gewisser Leute. Das hat mir in gewisser Weise den Nuggi rausgehauen. (…) Wir haben versucht, in Katar hinter den Kulissen etwas zu ändern, für die Menschenrechte und so weiter. Und ich denke, wir haben etwas bewegt.»

2. Was meint er mit Doppelmoral?

«Wenn du etwas ändern willst, musst du zuerst versuchen, die Leute zu verstehen», erklärt Infantino im «Magazin»-Interview. «Wenn wir das Gefühl haben, so, wie wir es machen, ist es das Beste auf der Welt, dann muss man jene, die es anders machen, überzeugen. Und das kannst du nur, wenn du hingehst und mit ihnen redest. Wer sind wir mit unserer Geschichte, um anderen Morallektionen zu erteilen?»

Dann kommt er auf die Schweiz und seine Herkunft zu sprechen: «Ich bin 1970 als Sohn von Italienern – Arbeitsmigranten – in der Schweiz geboren. Es gab die Schwarzenbach-Initiative, es gab Ausländerfeindlichkeit. Und heute ist die Schweiz ein Land, das alle Nationen integriert, auch die Nationalmannschaft ist ein Abbild davon. Das ist doch schön. Doch auch wir haben einen Prozess durchgemacht, um da hinzukommen.»

3. Das sagt er zum «wunderschönen» Fifa-Standort Zürich.

Immer wieder wird in der Schweiz befürchtet, dass die Fifa ihren Hauptsitz in Zürich aufgibt. Darauf angesprochen, sagt Infantino: «Mir gefällt es hier. Meine Philosophie ist aber, dass die Fifa viel präsenter sein muss in der Welt. Das war auch immer einer meiner Kritikpunkte an der Organisation. Du kannst nicht sagen, du seist ‹the governing body of world football›, und dann meinen, du könntest von Zürich aus – wunderschöne Stadt, wunderschönes Gebäude – irgendeinen Einfluss ausüben in der Welt. Sonst passiert eben genau das, was passiert ist: Du schickst Geld herum. Kein Mensch kontrolliert das, und nachher landen viele hinter Gittern wegen irgendwelcher Korruptionsvorwürfe.»

A conference room with a miniature pitch inside the FIFA Headquarter in Zurich, during a day of open doors all over Zurich, photographed in Zurich, Switzerland, Saturday, October 1, 2016. (KEYSTONE/Manuel Lopez)

4. So kontert er die Kritik an der Kommerzialisierung des Sports.

Fans kritisieren, der Weltverband kommerzialisere den Fussball zu sehr. Dazu sagt Infantino: «Das Einkommen der Fifa bleibt nicht bei der Fifa. Wir investieren all unsere Einnahmen wieder auf der ganzen Welt – das ist heute übrigens alles öffentlich einsehbar. (…) Ohne dieses Geld würde es in 100 bis 150 Ländern gar keinen organisierten Fussballbetrieb geben, keinen Jugend- und keinen Frauenfussball.»

Für den Fifa-Chef ist sein Verband eher klein: «Die besten Ligen der Welt hingegen generieren vier- oder fünfmal mehr Einnahmen als die Fifa. (,,,) An wen geht dieses Geld? An die Klubs im eigenen Land. Das ist normal und auch schön für die Fans dort, aber für den Rest der Welt ist das nicht wirklich toll.»

5. Das sagt er zur Razzia, welche die Fussballwelt veränderte.

Der Aufstieg Infantinos zum höchsten Fussballfunktionär begann am 27. Mai 2015. An jenem Tag nahm die Zürcher Kantonspolizei im Hotel Baur au Lac in Zürich ein halbes Dutzend Fifa-Funktionäre auf Betreiben des US-Justizministeriums fest. Infantino, damals Uefa-Generalsekretär, erinnert sich: «Als diese Sachen im Baur au Lac passierten, waren wir in Warschau für den Europa-League-Final. Wir waren alle, alle, komplett schockiert. Wir haben noch ein Pressecommuniqué gemacht, Rote Karte an die Fifa und so, ich war einer der grössten Kritiker. Darum hatten sie mich hier am Anfang nicht so gern. Aber ich war stolz, als Uefa-Generalsekretär einer Organisation vorzustehen, die mehr generiert als die Fifa und die zeigt, dass man die Dinge auch korrekt machen kann, ohne Negativschlagzeilen. Aus der Fifa dagegen kam einfach jeden Tag irgendwas Negatives. Jeden Tag!»

6. Infantino verteidigt Saudiarabien – und will auf Menschenrechte pochen.

Die Vergabe der WM 2034 an Saudiarabien ist umstritten. Das Land belegt auf auf einem Demokratie-Index den siebtletzten Platz, knapp vor Syrien und Nordkorea. Dazu sagt Infantino: «Ein Austragungsort muss alle unsere Kriterien erfüllen, inklusive Menschenrechte. Der Prozess endet ja nicht mit der Kandidatur. Er fängt dann erst an.»

Infantino sagt, jedes der 211 Fifa-Mitgliederländer habe das Recht, sich zu bewerben: «Für mich als Fifa-Präsident ist Nordkorea gleich wie Südkorea. Ist Amerika gleich wie China.» Saudiarabien sei der einzige Bewerber für 2034 gewesen. «Und auch hier zeigt sich die Doppelmoral des Westens. Alle westlichen Staatschefs hofieren das Land. Sie machen Deals in Milliardenhöhe.» Auch das Schweizer Aussenministerium schreibe auf seiner Webseite, Saudiarabien sei ein «wichtiger Partner».

7. Was Infantino mit dem saudischen Machthaber bespricht.

Über seinen engen Austausch mit dem starken Mann Saudiarabiens, Mohammed Bin Salman, will Infantino zuerst nicht reden. Dann aber sagt er: «Ich spreche Missstände an, biete auch Hilfe an. Man diskutiert, sucht gemeinsam Lösungen. Als ich Fifa-Präsident wurde, gab es in Saudiarabien keinen Frauenfussball. Jetzt gibt es eine Frauenliga und ein Nationalteam.» Infantino zeigt sich überzeugt, dass Fussball den gesellschaftlichen Wandel fördern kann, insbesondere in Staaten mit schlechter Menschenrechtslage.

8. Die WM in Russland sieht er als Erfolg.

Die Weltmeisterschaft in Russland von 2018 bezeichnet Infantino als «Erfolg»: «Es gab keine Unfälle, schöne Spiele, die Organisation klappte tadellos. Das Land hat sich während der WM geöffnet. Zwei Millionen Fans aus dem Ausland konnten Russland entdecken, darunter auch viele Amerikaner, obwohl sich die USA nicht qualifiziert hatten.» Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine Anfang 2022 musste der Fifa-Chef aber einräumen: «Offensichtlich hat die WM in Russland die Probleme der Welt nicht gelöst.» Infantino verweist im Interview darauf, dass die Attacke fast vier Jahre nach der WM geschah. «Es begann ein schrecklicher Krieg. Der Fussball allein kann die Welt sicherlich nicht verbessern, aber er kann manchmal einen Beitrag leisten.» Der «Orden der Freundschaft», den ihm Wladimir Putin damals verlieh, befinde sich «igendwo hier in der Fifa, bei den anderen Orden». Zurückgeben will Infantino ihn nicht: «Ich denke, die Welt hat grössere Probleme als diesen Orden.»

9. Infantino ging «nicht zu Al Capone».

Zu den Geheimtreffen mit dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber sagt Infantino: «Ich ging ja nicht zu Al Capone, sondern zum höchsten Garanten des Rechts in unserem Land. Wir trafen uns auch nicht konspirativ in einem Wald, sondern in der Öffentlichkeit. Ich reiste mit dem Zug an. Ich habe auch amerikanische Justizminister getroffen, ohne dass jemand auf die Idee gekommen wäre, ein Strafverfahren zu eröffnen.»

Die eigene Fussballkarriere verlief kurz und schmerzlos: Gianni Infantino (kniend, zweiter von links) in den Achtzigern bei einem Grümpelturnier in Brig.

10. So erzielte er sein erstes Tor.

In seiner eigenen Fussballkarriere kam Infantino beim FC Brig nicht über die unterste Schweizer Liga hinaus. Er trägt dies mit Fassung und Humor – und antwortet auf die Frage, ob er auch Tore geschossen habe: «Als Junior ein paar, in der 5. Liga dann genau zwei. Das erste in Ried-Brig. Und das in meinem ersten offiziellen Spiel! Es kam eine Flanke von der Seite, und dann ist mir der Ball per Zufall ans Bein gesprungen. Erster Match, erstes Tor. Da hätte ich aufhören müssen. Ich habe aber nicht aufgehört und ein paar Jahre später mein zweites Tor geschossen.»