Wirre Rede des Fifa-PräsidentenGianni Infantino treibt es auf die Spitze
Am Tag vor dem WM-Eröffnungsspiel in Katar gibt der Präsident des Weltverbandes Fifa eine denk- und fragwürdige Pressekonferenz.
Gianni Infantino weiss, dass er scheitern wird. 45 Minuten soll seine Rede dauern, so lautet zumindest der Plan. Aber schon nach 25 Minuten ahnt er, dass das nicht reichen wird. «Ich werde etwas länger brauchen», sagt der Präsident des Fussball- Weltverbandes Fifa. «Aber wir haben Zeit. Die WM beginnt erst morgen.»
Am Tag vor der Eröffnung der WM in Katar hat der 52-Jährige die Absurdität vieler Aspekte dieses Turniers noch mal eindrücklich auf die Spitze getrieben. In den letzten Monaten ging es ja vor allem um die skandalöse Turnier-Vergabe im Jahr 2010, um die Ausbeutung der ausländischen Gastarbeitenden sowie die Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Emirats.
Nur um eines ging es ziemlich selten: Fussball. Und Infantino hat mit seiner Rede dafür gesorgt, dass das vorerst auch so bleibt.
Es geht um «Heuchelei» und «Doppelmoral»
Ziemlich exakt eine Stunde dauert der Monolog des Fifa-Präsidenten in al-Rajjan. Und wenn es eine Aussage gibt, die man in Jahren noch aus dem Archiv holen wird, um die Entrücktheit dieser WM, der Fifa und die von Infantino zu beschreiben, dann ist es diese: «Heute fühle ich mich als Katarer. Heute fühle ich mich als Araber. Heute fühle ich mich afrikanisch. Heute fühle ich mich homosexuell. Heute fühle ich mich behindert. Heute fühle ich mich als Arbeitsmigrant.»
Man muss nicht näher darauf eingehen, warum Infantino all diese Perspektiven als schwerreicher Präsident der Fifa unmöglich einnehmen und die jeweiligen Sorgen nachvollziehen kann. Und es muss sich für ausgegrenzte Menschen – nicht nur in Katar – wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen, wenn Infantino etwas später sagt: «In der Schule wurde ich gemobbt, weil ich rote Haare und Sommersprossen hatte.» Doch das ist nur ein Aspekt seines befremdlichen Auftritts.
Am Anfang seines Auftritts stellt Infantino zwar schüchtern in Aussicht, dass man am Ende vielleicht auch «ein bisschen» über Fussball sprechen könne. Aber ziemlich schnell wird klar: Um Fussball geht es ihm nun wirklich nicht. Es geht ihm um die «Heuchelei», die «Doppelmoral» und um den «Rassismus» der westlichen Nationen gegenüber dem WM-Ausrichter. Infantino belehrt und tadelt, immer wieder unterstreicht er seine Worte mit langen Pausen. Es wirkt so aufgesetzt.
Infantino erzählt, wie er die Berichterstattung in den letzten Monaten verfolgt hat. Gelesen habe er nichts, «sonst wäre ich deprimiert gewesen». Aber der 52-Jährige hat offenbar genug gehört, um zu seiner Generalkritik anzusetzen. «Ich denke, was wir Europäer in den letzten 3000 Jahren weltweit gemacht haben, da sollten wir uns die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, anderen moralische Ratschläge zu geben», sagt er.
Er redet über die Situation der Arbeitenden, die sich in den letzten Jahren in Katar verbessert habe, während in Europa die Grenzen hochgezogen würden. Es geht um die Sicherheit der LGBTQI+-Community, die trotz der dort geltenden Gesetze während des Turniers garantiert sei. «Ich kann bestätigen, dass hier alle willkommen sind.» Es geht um das Frauenwahlrecht der Schweiz, das es in gewissen Kantonen erst seit den 90er Jahren gebe, «den 1990ern», sagt Infantino, «nicht den 1890ern». Es geht um die Entwicklung im Iran, in Afghanistan.
Es geht um alles – nur merkt Infantino nicht, wie aberwitzig manche seiner Aussagen sind.
«Ich kann bestätigen, dass hier alle willkommen sind»
Doch direkt im Anschluss an seinen aussergewöhnlichen Monolog erhält er einen kleinen Vorgeschmack auf das, was seine Worte ausgelöst haben. Handlich verpackt in Form von Fragen der Medienschaffenden. Ob er sich vorstellen könne, wie sich seine Aussagen für homosexuelle und queere Menschen anfühlten, die aus Angst nicht nach Katar reisten? Ob es nicht heuchlerisch sei, dem Westen Heuchelei vorzuwerfen, wenn man von Gleichheit spreche, aber gerade eine WM in einem Land veranstalte, in dem diskriminierende Gesetze gälten?
Nur in einem Punkte könnte der Fifa-Präsident tatsächlich recht behalten. Dass all die Diskussionen in den Hintergrund rücken, sobald der Ball rollt und die Spiele beginnen. Denn selbstverständlich spricht Infantino von nicht weniger als der «besten WM jemals». Und er selbst muss sich ohnehin keine Sorgen machen, dass seine Rede irgendwelche Konsequenzen haben könnte: Bei der Fifa-Wahl im März wird Infantino erneut gewählt werden. Er ist der einzige Kandidat.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.