Geschenkideen der SportredaktionUltras, Drogen – und eine springende Giraffe: Diese 13 Bücher haben es in sich
Biografien, Romane, Erzählungen: Eine Auswahl lesenswerter Sportbücher – für Sie und Ihre Liebsten.
Laufen als Lebenshaltung
Es gibt viele Texte über die Glücksgefühle, über das ausgeschüttete Endorphin und die sagenumwobene Leere beim Laufen. Haruki Murakami verzichtet auf jede Überhöhung. Nüchtern schreibt er: «Wenn ich laufe, laufe ich einfach. Normalerweise in einer Leere. Oder vielleicht sollte ich es umgekehrt ausdrücken: Ich laufe, um Leere zu erlangen.»
Dieses Buch handelt vom Laufen. Es ist zugleich die Autobiografie des japanischen Autors, bei dem Sport und Schreiben untrennbar verwoben sind.
Den Rhythmus seiner Jahre bestimmen seine Marathonläufe und Triathlons. Aber den Takt seiner Tage diktiert das Schreiben. Der Sport ist der Ausgleich zu den vier Stunden, die er sich jeden Tag hinsetzt, um an einem Roman zu arbeiten.
Laufen ist für Murakami Übung in Disziplin und Demut. Und eine Grundhaltung: «Eine Aufgabe nach der anderen nehme ich in Angriff und erledige sie, so gut ich kann. Immerhin bin ich ein Langstreckenläufer.»
Ein elegantes Buch mit klarer Sprache, das sogar bei Nicht-Läufern kurz die Lust weckt, die Laufschuhe anzuziehen. (fra)
Haruki Murakami: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede. btb. 160 Seiten. ca. 14 Franken.
Der wahre König der Welt
Wie viele Bücher es über Muhammad Ali gibt? Keine Ahnung. Sicher ist immerhin: «King of the World» von David Remnick gehört zu denen, die man unbedingt lesen muss. Remnick, langjähriger Chefredaktor des «New Yorker» und Pulitzer-Preisträger, gelingt nicht einfach ein Epos über den grössten Sportler der Geschichte. Nein, er beschäftigt sich in einer Eindringlichkeit mit dem Aufstieg und Wandel von Cassius Clay zu Muhammad Ali, die viel über die Rassenproblematik in den Südstaaten der USA und die Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre erzählt.
Es zeigt das Bild eines Mannes, der sich gegen das System auflehnte, der sich weigerte, in den Vietnamkrieg zu ziehen, und dafür bereit war, seine Karriere zu opfern. Ali war mehr als nur ein Boxer, der den Ring zur Tanzbühne erklärte und dauernd darauflos redete, der seine Gegner nicht nur besiegen, sondern gerne auch verhöhnen wollte. Der «König der Welt» nahm es gleich mit allen auf, vor allem dem weissen Establishment. (ths.)
David Remnick: King of the World. Ramdon House. 352 Seiten. ca. 20 Franken.
Wie Doper Agassi mit seiner Lüge davonkam
Es gibt viele lesenswerte Autobiografien aus dem Tennis, aber jene von Andre Agassi ist unerreicht. Als im Herbst 2009 die ersten Auszüge erschienen, gut drei Jahre nach seinem Rücktritt, war der Aufschrei gross. Denn der Amerikaner gesteht darin, dass er in seiner schwärzesten Stunde die Droge Crystal Meth konsumierte und bei einer Dopingkontrolle positiv getestet wurde, aber mit einer Falschaussage davonkam.
Das Leitmotiv seines Buchs, für das er Pulitzer-Preisträger J. R. Moehringer verpflichtete, ist sein Hass aufs Tennis. Der Sport wurde ihm von seinem Vater, einem iranischen Immigranten und Olympiaboxer, aufgezwungen. Trotzdem machte er immer weiter. «Mit der Zeit habe ich meinen Vater verinnerlicht – seine Ungeduld, seinen Perfektionismus, seine Wut –, bis seine Stimme klingt, als wäre sie meine eigene», schreibt der achtfache Grand-Slam-Champion.
Das Werk hat aber auch heitere Seiten. Wie Agassis Beschreibung, warum er den Paris-Final 1990 gegen Aussenseiter Andres Gomez verlor: weil er durch die Angst gehemmt war, sein Toupet rutsche ihm vom Kopf. (sg.)
Andre Agassi: Open – das Selbstporträt. Droemer-Taschenbuch. 608 Seiten. ca. 26 Franken.
Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte
Er hat alle belogen, die Mutter, die Frau, vor allem aber sich selbst. In seinem Buch setzt Tyler Hamilton zu einer minutiösen Beichte an. Der einstige Radprofi enthüllt, wie verseucht der Sport gewesen ist, wie korrupte Mediziner und gewissenlose Teamchefs handelten, wie Rundfahrten zur Farce verkamen, weil Doping dazugehörte wie das Öl auf der Kette. Der Amerikaner spricht über Manipulationen, Erpressungen, Unterdrückungen – und er erzählt von Geheimcodes, mit denen die Fahrer den Ermittlern meistens zwei Schritte voraus waren.
Hamilton war Helfer und Vertrauter von Lance Armstrong. Er schildert, mit welcher verstörenden Tyrannei dieser das Peloton kontrollierte. Es ist ein Insiderbericht eines Mannes, der tief gefallen ist und weit mehr verloren hat als den Olympiasieg 2004 in Athen, der erst aus seiner Depression erwachte, nachdem er seine Lebenslüge abgelegt hatte. Kaum ein Detail wird ausgelassen, nicht einmal das auf seine Frau ausgestellte EPO-Rezept wegen angeblicher Menstruationsbeschwerden. (phr)
Tyler Hamilton: Die Radsport-Mafia. Piper-Verlag. 353 Seiten. ca. 20 Franken.
Robert Enke: Ein allzu kurzes Leben
Als der Schnellzug RE 4427 am 10. November 2009 um 18.17 Uhr von Bremen Richtung Hannover auf das Dörfchen Eilvese zuraste, sahen die beiden Lokführer im Dunkeln einen grossen Mann auf den Gleisen stehen. Sie zogen die Notbremse, doch es war zu spät. Robert Enke wurde 32 Jahre alt.
Die Öffentlichkeit kannte ihn als den bärenstarken Torhüter mit dem ernsten Blick und den herausragenden Reflexen. Er spielte für Hannover, Barcelona, Benfica und war Keeper der deutschen Nationalmannschaft. Doch Enke war nicht nur das. Er war ein Mann der unermesslichen Selbstzweifel, für den die Emotionen des Lebens oft zu gross waren: die Rückschläge als Sportler, die Liebe als Ehemann und Vater, der Druck als hinterster Spieler einer Mannschaft, die Glücksgefühle nach einer Parade vor 60’000 Zuschauern.
Nach vielen Jahren Kampf mit seiner Depression nahm sich Enke das Leben, als er die Trauer nicht mehr aushielt, die Zweifel und die Angst vor dem Versagen. Seine Tat hinterliess Fassungslosigkeit und Trauer, die weit über den Fussball hinausging. (tmü)
Robert Enke: Ein allzu kurzes Leben. Piper, 432 Seiten. ca. 17 Franken.
Das Fussballmärchen und der staunende Amerikaner
Ein Fussballteam aus einem 5000-Seelen-Ort in den Abruzzen steigt in die zweithöchste italienische Liga auf. Worauf ein US-Amerikaner einen Millionenvertrag für ein Buch über O. J. Simpson sausen lässt, um eine Saison in Castel di Sangro zu verbringen.
Das ist die Ausgangslage für dieses Buch, in dem es keine journalistische Distanz gibt. Joe McGinniss ist Autor und Protagonist in einem.
Er diskutiert mit den Spielern über Geld, das in den Taschen des Clubpräsidenten verschwindet. Oder er streitet mit dem Trainer: «‹Osvald›, erklärte ich, ‹mir wäre es lieber, du würdest Rimedio nicht einsetzen.› – ‹Leck mich am Arsch›, erwiderte er. ‹Entschuldige, Osvald. Ich rede wirklich nicht gerne so, aber› – ‹Leck mich am Arsch.›»
Es geht um Fussball, aber auch um das Leben in der italienischen Provinz. Um kulturelle Distanz und Annäherung. Und am Ende wird wohl auch noch ein Spiel absichtlich verloren.
Ein grosses Vergnügen. Nur die Art, wie das gebrochene Englisch der Italienerinnen und Italiener ins Deutsche übersetzt wird, ist ärgerlich. (fra)
Joe McGinniss: Das Wunder von Castel di Sangro. Kiepenheuer & Witsch. 490 Seiten. ca. 24 Franken.
In eisige Höhen
Das Unwetter schlich sich unbemerkt an die vom Höhenfieber blinden Bergsteiger an. Im Mai 1996 wurden rund 30 Menschen auf dem Dach der Welt von einem heftigen Sturm überrascht. Sie waren ihm stundenlang ausgesetzt in der Todeszone, die Kälte entzog ihren Körpern Wille und Kraft, und die sauerstoffarme Luft liess sie langsam sterben.
Das Unglück 1996 am Mount Everest ist eines der tragischsten der Geschichte auf dem höchsten Gipfel der Erde. Fünf Bergsteiger auf der Südroute sowie drei auf der Nordroute kamen dabei um, etliche weitere erlitten brutalste Erfrierungen. Mittendrin im Elend befand sich der amerikanische Autor Jon Krakauer, der irgendwie überlebte und das Drama zu Papier brachte.
«In eisige Höhen» erzählt die Geschichte vom Verlust jeglichen klaren Denkens in der Todeszone. Von Extremsportlern, die getrieben sind von der Jagd nach Endorphinen, Anerkennung oder Geld. Und vom Kampf gegen die Urgewalt Natur, die ein Mensch in diesen unmenschlichen Sphären eigentlich nur verlieren kann, wenn ihn der Hochmut überfällt. (tmü)
Jon Krakauer: In eisige Höhen – das Drama am Mount Everest. Piper. 400 Seiten. ca. 20 Franken.
Die Radfahrerin
Heilige Madonna, ist das ein tolles Buch. Es ist traurig, es bedrückt, aber Simona Baldelli erzählt die Geschichte von Alfonsina Strada mit einer solchen Zärtlichkeit, dass man am Ende doch mit dem Gefühl zurückbleibt, etwas richtig Schönes gelesen zu haben.
Strada war die erste (und ist immer noch die einzige) Frau, die je eine Grand Tour der Männer bestritt. Beim Giro d’Italia kamen nur 38 der 90 Gestarteten ins Ziel. Strada war eine davon.
Strada wuchs in einem kleinen norditalienischen Dorf auf, der Vater Tagelöhner, die Mutter Amme. Ihre Kindheit war geprägt von der Enge der Familienhütte, vom Tod der vielen Kinder, die immer wieder auftauchten. Als sie eines Nachts das Fahrrad des Vaters ausleiht, fühlt sich Alfonsina zum ersten Mal frei.
Sie kämpft für ihre Freiheit, für ihren Traum. Und sie kämpft weiter, auch wenn viele gegen sie sind. Sie gewinnt (Rennen, Medaillen, Trophäen), sie verliert (ihren ersten Mann, ihr Geld), doch das Einzige, was sie eigentlich möchte, ist, von ihrer Familie akzeptiert zu werden. (abb)
Simona Baldelli: Die Rebellion der Alfonsina Strada. 2021 Eichborn. 336 Seiten. ca. 20 Franken.
Diese Liebe zum Fussball!
«Ich verliebte mich in Fussball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: unvermittelt, unbegreiflich, unkritisch, ohne einen Gedanken an den Schmerz oder den Schaden, den er mir zufügen würde.»
Wer kann sich einem Buch entziehen, das so beginnt? Wer kann sich Nick Hornby entziehen, wenn er seine Leidenschaft für Arsenal beschreibt, sein Leiden mit einer Mannschaft, als sie noch längst kein Hochglanzprodukt war? Ach, was heisst Leidenschaft bei Hornby! Es ist eine Besessenheit, die ihn befällt, wenn es um Fussball geht.
Sein Leben als Fan von oft hoffnungslosen Fussballern aus dem Norden Londons vermischt er mit der Erzählung eines jungen Mannes, der zum Erwachsenen reift. Sein Ton trifft immer seine Gefühlslage, die zwischen leicht und gequält schwankt.
«Jetzt fehlen nur noch Ian Ure, der über seine eigenen Füsse fällt, und mein Vater, der auf dem Sitz neben mir vor sich hin grummelt.» So endet das Buch, und wer es gelesen hat, der begreift, wie viel Sentimentalität in diesem einen Satz noch steckt. (ths.)
Nick Hornby: Fever Pitch. Kiepenheuer & Witsch, 326 Seiten. ca. 14 Franken.
Ach wie toll ist doch Fussball! Und Eishockey! Und Stabhochsprung! Und Klettern!
Die Giraffe fokussiert und läuft los, steckt den Stab in den Einstichkasten, stösst sich in die Höhe. Aber da ist ein Schmetterling! Hallo Schmetterling! Oh, der Versuch geht unter der Latte durch. Zweiter Versuch. Die Giraffe rennt an, aber oh, sie hat den Stab vergessen. Aber zum Glück hat man im Stabhochsprung ja drei Versuche. Die Giraffe tritt also nochmals an. Rennt, springt, fliegt über die Latte. Ja! Weltrekord! Stabhochsprung ist herrlich! Wie auch Radfahren herrlich ist. Und Eishockey! Und Bowling! Und Slacklining.
«Sport ist herrlich» heisst das wunderbare Buch von Ole Könnecke, das 70 verschiedene Sportarten vorstellt. Sie sind – Achtung, Spoiler! – alle herrlich. Und der Illustrator erzählt in seinen simplen Zeichnungen und mit wenig Text, was all diese Sportarten herrlich macht.
«Sport ist herrlich» ist ein Buch für kleine Menschen, die die wunderbare Welt des Sports entdecken. Es ist ein Buch für grosse Menschen, die sich gerne aufs Neue in diese mitnehmen lassen. Und es ist ein Buch, das man immer und immer wieder anschauen kann. (abb)
Ole Könnecke: Sport ist herrlich. Verlag Carl Hanser. 52 Seiten. ca. 25 Franken.
So siegt man im Tennis dreckig
In Flushing Meadows war Brad Gilbert, ein Dinosaurier des US-Tennis, plötzlich wieder in aller Munde. Der schrullige Kalifornier coachte die 19-jährige Coco Gauff zu ihrem ersten Grand-Slam-Titel. Dabei war seine Handschrift schon gut zu erkennen: Gauff nutzte die Schwächen ihrer Gegnerinnen aus und war manchmal, was so gar nicht ihrem Naturell entspricht, erstaunlich unsympathisch.
Sie wandte einige Tricks an, die Gilbert schon in seiner 1993 erschienenen Tennis-Bibel «Winning Ugly» niedergeschrieben hatte. Der heute 62-Jährige war kein begnadeter Tennisspieler und schaffte es trotzdem bis auf Rang 4 in der Weltrangliste. Weil er um seine Stärken und Schwächen wusste, seine Gegner genau analysierte und es wie kein anderer verstand, sie aus dem Konzept zu bringen.
«Winning Ugly» ist an die Hobbyspieler gerichtet und hat nichts an Aktualität eingebüsst. Wer in der nächsten Interclub-Saison nicht neue Freundschaften schliessen, sondern mehr Matches gewinnen möchte, dem sei das 2021 überarbeitete Buch wärmstens empfohlen. (sg.)
Brad Gilbert und Steve Jamison: Winning Ugly – Mentale Kriegsführung im Tennis. Verlag Zu Klampen. 264 Seiten. ca. 29 Franken.
Sein Anpfiff wurde für ihn zum Abpfiff
2023 wirkt dieses Buchprojekt noch aberwitziger als bei seinem Erscheinen. Während Sportlerinnen und Sportler heute einen Vertrag für eine wohlwollende Streaming-Serie abschliessen, schrieb Toni Schumacher 1987 ein Buch, das seine Karriere im Nationalteam und in seinem langjährigen Club beendete.
Es geht um angedeutetes Doping an der WM 1986, um Alkohol, Drogen, Sex und unfähige Funktionäre. Zu viel für den Deutschen Fussball-Bund und den 1. FC Köln, für die Schumacher danach nie mehr im Tor stand.
Einige Passagen können überblättert werden. Andere würden heute kaum mehr veröffentlicht. Wie das Plädoyer für Prostituierte im WM-Camp.
Aber Schumacher blickt vor allem sehr unsentimental auf sich selber. Etwa auf das Foul an Patrick Battiston 1982. «Ich wollte mir einreden, dass mich keine Schuld traf. Wie ein Kind, das eine Dummheit gemacht hat und versucht, mit der grösstmöglichen Selbstverständlichkeit weiterzuspielen.»
Selten hat ein Fussballer so ehrlich über sich und seine Gefühle Rechenschaft abgelegt. (fra)
Toni Schumacher: Anpfiff. Droemer Knaur. 256 Seiten. ca. 12 Franken.
Tiefe Einblicke in die Welt der Fussball-Ultras
James Montagues Buch ist eine fesselnde Erkundung der Welt der Ultra-Fussballfans. Inspiriert von Bill Bufords «Among the Thugs» taucht Montague von Serbien über Indonesien bis nach Brasilien in die Welt der Ultras, Hooligans und Barra Bravas ein.
Das Buch fängt die Intensität mit Montagues eigenen Erfahrungen ein, in denen er auf Menschen trifft, die sich der Gewalt und dem Extremismus hingeben. Doch jenseits des Chaos geht Montague der Frage nach, warum Ultras zu einer globalen Jugendkultur geworden sind und welchen politischen Einfluss sie haben.
Der Autor reist nach Uruguay, um die Wurzeln des ersten Fussballfans zu verfolgen, der bereits im frühen 20. Jahrhundert Begeisterung entfachte, und erklärt den Leserinnen und Lesern, worin die markantesten Unterschiede der Ultragruppierungen liegen.
Es ist ein tiefer Einblick hinter die Fassaden der Kurvengänger und zeigt auf, wie wenig man doch wirklich über diese zu wissen scheint. (lob)
James Montague: Unter Ultras. Eine Reise zu den extremsten Fans der Welt. Copress. 416 Seiten. ca. 35 Franken.
Fehler gefunden?Jetzt melden.