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Jugendkriminalität hat abgenommen
Gerichte verurteilten plötzlich weniger ausländische Jugendliche

In den Nullerjahren hatte die Jugendkriminalität noch stark zugenommen. Ab 2010 nahm sie aber plötzlich stark ab.
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Die Ausländerkriminalität ist ein heisses Eisen in der Debatte über die Einwanderungspolitik. Gemäss der landesweiten Kriminalstatistik hat rund die Hälfte aller Beschuldigten keinen Schweizer Pass. Ausländische Staatsangehörige bilden aber nur ein Viertel der Gesamtbevölkerung.

Nun zeigt sich in einer neuen Übersicht des Bundesamts für Statistik eine überraschende Trendwende: Bei den wegen Straftaten verurteilten Jugendlichen haben sich in den letzten zehn Jahren die Kriminalitätsraten zwischen Schweizern und Ausländern stark angenähert.

Starker Rückgang auf einen Schlag

In der Statistik der Jugendstrafurteile seit 1999 fällt als Erstes auf, dass zwar in den Nullerjahren die Verurteilungen von 10- bis 17-jährigen Jugendlichen kontinuierlich zunahmen. Aber nach dem Höhepunkt 2010 sanken die Zahlen auf einen Schlag dramatisch. Sie verharrten dann während Jahren auf recht tiefem Niveau. Erst ab 2019 ist wieder ein Anstieg zu verzeichnen. 2020 hat er sich verstärkt – allerdings hat die Zählweise geändert, ein Vergleich ist daher schwierig.

Wie in allen Altersklassen ist bei Jugendlichen Straffälligkeit ein männliches Phänomen: Auf ein verurteiltes Mädchen kommen drei Jungen. Und: 17-Jährige werden 27-mal so häufig verurteilt wie 10-Jährige. Nur bei Vermögensdelikten werden die 15-Jährigen häufiger erwischt und verurteilt als 17-Jährige.

Beim Blick auf die Urteile verteilt auf die verschiedenen Straftaten zeigt sich: Der abrupte Rückgang nach 2010 ist primär auf einen Rückgang bei Gewaltstraftaten (Gewalt gegen Personen und Sachen) und – weniger ausgeprägt – Vermögensstraftaten (Diebstahl, Raub) zurückzuführen.

Die Verurteilungen von Jugendlichen wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrs- und das Betäubungsmittelgesetz dagegen schwankten in den letzten zwanzig Jahren kaum.

Besonders aufschlussreich ist ein Blick auf die Zahlen von verurteilten Schweizer Jugendlichen im Verhältnis zu jenen von Jugendlichen mit Ausländerausweis B oder C: Der Knick in der Statistik geht einher mit einer auffälligen Annäherung der sogenannten Belastungsraten von ausländischen beziehungsweise Schweizer Jugendlichen.

Anders ausgedrückt: 1999 kamen noch rund 400 verurteilte ausländische Jungen auf 10’000 Ausländerinnen und Ausländer im selben Alter. 2019 waren es nur noch 270. Bei den Schweizern dagegen erhöhte sich die entsprechende Zahl gleichzeitig von rund 200 auf 224.

Wie aber ist diese Entwicklung zu erklären? Isabel Zoder, eine der Autorinnen der Studie beim Bundesamt für Statistik, sagt: «Ja, die Zahlen sind auffällig. Aber im Rahmen dieser Studie konnten wir das nicht näher untersuchen.»

Ich kann den Knick leider nicht erklären.

Barbara Altermatt, Leitende Jugendanwältin Kanton Solothurn

Prädestiniert dafür, die Zahlen zu deuten, müssten eigentlich die Jugendanwaltschaften der Kantone sein. Denn sie beschäftigen sich täglich mit der Strafverfolgung von Jugendlichen. Barbara Altermatt, Leitende Jugendanwältin in Solothurn, sagt, der Knick sei «tatsächlich beeindruckend». Aber: «Ich kann ihn leider nicht erklären.» In ihrem Kanton seien die Fallzahlen in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich zurückgegangen. «Deshalb habe ich den Eindruck, dass es nicht ein einzelnes Ereignis war, sondern dass mehrere Faktoren zum Rückgang geführt haben.»

Marcel Riesen-Kupper, Leitender Oberjugendanwalt des Kantons Zürich, kann die gesamtschweizerische Entwicklung für seinen Kanton nicht bestätigen: «Bei uns verharrt der Ausländeranteil bei den Verurteilungen über alle Delikte durchschnittlich beständig bei rund einem Drittel.» Aber auch im Kanton Zürich ging die Zahl aller verzeigten Jugendlichen ab dem Jahr 2010 über alle Delikte hinweg und insbesondere auch bei den Gewaltdelikten zurück. Seit 2016 nehmen diese wieder zu.

Eine mögliche Erklärung für den Rückgang bei den Verurteilungen im Jahr 2010 liegt für Riesen-Kupper in der zunehmenden Sensibilisierung für das Problem Jugendgewalt: «Der starke Anstieg in den Jahren vor 2009 führte dazu, dass Politik, Schulen, Polizei und Jugendanwaltschaften Präventionsmassnahmen ergriffen haben.»

Das Bundesamt für Statistik jedenfalls hofft, dass sich die Forschung des Phänomens annimmt. So könnten allenfalls Ursachen identifiziert werden, die eine Straffälligkeit wahrscheinlicher machten, heisst es in der Studie. Man darf anmerken: Das ist umso wichtiger, als die Kriminalitätsraten unter Jugendlichen in letzter Zeit wieder zunehmen.