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Neuwahlen im Februar
Deutscher Bundestag entzieht Olaf Scholz das Vertrauen

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bei der Vertrauensfrage im Bundestag wie angestrebt die Mehrheit verfehlt. Bei der namentlichen Abstimmung am Montag sprachen 207 Abgeordnete dem Kanzler das Vertrauen aus, 394 Abgeordnete stimmten dagegen, 116 enthielten sich. Mit dem Verfehlen der Mehrheit ist der Weg zur Neuwahl des Bundestags am 23. Februar offen – die endgültige Entscheidung zur Auflösung des Bundestags obliegt dem Bundespräsidenten.

Ein letztes Poltern gegen die FDP

Scholz nutzte seine letzte Rede für heftige Kritik am früheren Koalitionspartner FDP. Dessen «wochenlange Sabotage» habe nicht nur der Regierung, sondern auch der Demokratie insgesamt geschadet, sagte er. «In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife.» CDU/CSU-Fraktionschef und -Kanzlerkandidat Friedrich Merz nannte die Attacke in seiner Erwiderung «nicht nur respektlos», sondern sie sei auch eine «blanke Unverschämheit».

German Chancellor Olaf Scholz gestures as he addresses the Bundestag (Lower house of Parliament) in Berlin on December 16, 2024, ahead of a no-confidence vote against himself. Germany's embattled Chancellor Olaf Scholz faces parliament on December 16, 2024 to trigger the process towards February 23, 2025 elections, in the hope that he can weather a political crisis and win a second term. (Photo by John MACDOUGALL / AFP)

Scholz› «Ampel»-Koalition war am 6. November im Streit um die Schuldenbremse zerbrochen. Scholz hatte damals Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner entlassen. Lindner hatte sich gegen eine Aussetzung der Schuldenbremse gewehrt.

Scholz bekräftigte im Bundestag, dass er die Vertrauensfrage mit dem Ziel einer um sieben Monate vorgezogenen Wahl des Parlaments stellt. «Bei dieser Wahl können dann die Bürgerinnen und Bürger den politischen Kurs unseres Landes vorgeben, darum geht es», sagte er vor den Abgeordneten. «Die Vertrauensfrage richte ich deshalb heute an die Wählerinnen und Wähler.»

Den grössten Teil seiner knapp halbstündigen Rede nutzte Scholz dann dafür darzulegen, mit welchem Programm er in den Wahlkampf ziehen will. Stabile Renten, Erhöhung des Mindestlohns, Senkung der Mehrwertsteuer, Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus in die Ukraine sind nur einige Punkte. Die Wählerinnen und Wähler bat er «um ihr Vertrauen und ihre Unterstützung».

Vertrauensfrage einziger Neuwahl-Hebel des Kanzlers

Für Scholz war die Vertrauensfrage die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. Er hatte diesen Schritt bereits am 6. November unmittelbar nach dem Rausschmiss von FDP-Finanzminister Christian Lindner und dem Aus seiner Ampel-Koalition angekündigt. Ursprünglich wollte er sie erst im Januar stellen.

Seitdem führt er eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Ohne Unterstützung aus der Opposition kann sie nichts mehr durchsetzen.

German Chancellor Olaf Scholz casts his ballot during a vote of confidence against him in a plenary session at the German parliament Bundestag, Berlin, Germany, Monday, Dec. 16, 2024. (AP Photo/Markus Schreiber, Pool)

Besuch im Schloss Bellevue bei verlorenem Vertrauen

Scholz kündigte an, er werde gleich nach der Sitzung ins Schloss Bellevue fahren und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen.

Dieser hat dann 21 Tage Zeit sich zu entscheiden, ob er zustimmt und eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen ansetzt. Da es im Bundestag eine grosse Einigkeit darüber gibt, dass die ursprünglich für den 28. September 2025 geplante Bundestagswahl vorgezogen werden soll, gilt die Zustimmung Steinmeiers als sicher. Er hat auch schon signalisiert, dass er mit dem angestrebten Termin 23. Februar einverstanden ist.

Scholz bleibt voll handlungsfähig

Auf den Status des Kanzlers und die Regierung hat die Vertrauensfrage keine Auswirkung. Der Kanzler und seine Regierung bleiben im Amt – und zwar im vollen Umfang und nicht nur geschäftsführend. Erst mit der Konstituierung des neuen Bundestags höchstens 30 Tage nach der Wahl endet laut Artikel 69 Grundgesetz das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition noch nicht abgeschlossen sind, kann der Bundespräsident die alte Regierung bitten, die Amtsgeschäfte bis zur Vereidigung der neuen weiterzuführen.

Von Brandt bis Schröder: Kanzler stellten Vertrauensfrage bisher fünf Mal

September 1972 – Willy Brandt (SPD)

Im September 1972 stellt Willy Brandt als erster Kanzler die Vertrauensfrage. Er will Neuwahlen herbeiführen. Denn seine Ostpolitik mit der faktischen Anerkennung der Oder-Neisse-Grenze hatte auch in der sozialliberalen Koalition zu grossen Verwerfungen geführt. Mehrere SPD- und FDP-Abgeordnete wechselten zur Opposition. Es kam zu einer Pattsituation mit der Union im Parlament.

Dass Brandt die Vertrauensfrage zur Ansetzung von Neuwahlen nutzen will, stösst auf Widerstand. Die Kritiker halten Brandt vor, dass eine absichtlich verlorene Vertrauensfrage nicht dem Geist des Grundgesetzes entspreche. Brandt verliert die Abstimmung am 22. September dann wie beabsichtigt. Bei Neuwahlen im November 1972 holt seine SPD ihr bis heute bestes Ergebnis. Brandt konnte seine sozialliberale Koalition mit klarer Mehrheit fortsetzen.

Februar 1982 – Helmut Schmidt (SPD)

Anfang Februar 1982 beantragte Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) die Vertrauensfrage – dieses Mal mit der ursprünglich vorgesehenen Absicht, sich der Mehrheit seiner sozialliberalen Koalition im Parlament zu versichern. Hintergrund war neben dem Streit über die Wirtschaftspolitik der wachsende Widerstand in der SPD gegen die Nachrüstung infolge des Nato-Doppelbeschlusses. Dieser sah neben Abrüstungsgesprächen mit der Sowjetunion die Stationierung von atomaren US-Mittelstreckenraketen in Westeuropa vor.

Knapp zwei Stunden nach seiner erneuten Wahl durch den Deutschen Bundestag wird Helmut Schmidt (l, SPD) am 15. Dezember 1976 von Parlamentspräsident Karl Carstens als Bundeskanzler vereidigt. (KEYSTONE/epa/DPA/Egon Steiner)

Schmidts Kalkül ging auf. Er bekam bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage am 5. Februar die Zustimmung sämtlicher Koalitionsabgeordneter. Allerdings zerbrach Schmidts Regierung im September am Konflikt mit der FDP über die Wirtschaftspolitik. Er wurde dann im Oktober durch ein konstruktives Misstrauensvotum der Opposition gestürzt. Neuer Kanzler wurde Helmut Kohl (CDU), der mit der FDP eine Koalition bildete.

Dezember 1982 – Helmut Kohl (CDU)

Kohl nutzte dann die Vertrauensfrage, um zur Vergrösserung seiner Machtbasis Neuwahlen herbeizuführen. Kritik an dem Vorgehen, sich nach wenigen Wochen trotz vorhandener Mehrheit durch die Vertrauensfrage stürzen zu lassen, wies Kohl zurück. Er verwies dabei auf das Ziel, das Land aus der «schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland» herauszuführen. Dazu brauche es einen «entschiedenen Wählerauftrag».

Kohl verliert die Vertrauensabstimmung am 17. Dezember 1982 wie vorgesehen. Bei den Neuwahlen im März 1983 gewinnt die Union klar. Der Streit um die «unechte» Vertrauensfrage hat aber vor dem Bundesverfassungsgericht ein Nachspiel, wo vier Abgeordnete klagen. Die Karlsruher Richter billigen Kohls Vorgehen, betonen aber, dass die Vertrauensfrage nur in einer «echten» Krise zulässig sei.

November 2001 – Gerhard Schröder (SPD)

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA wird die Beteiligung der Bundeswehr am Anti-Terror-Einsatz zur Zerreissprobe für die rot-grüne Koalition von Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Als erster und bisher einziger Kanzler verbindet er das Vertrauensvotum mit einer Sachfrage. Schröder gewinnt am 16. November die Vertrauensfrage, der Bundestag stimmt dabei der deutschen Beteiligung an der internationalen Operation «Enduring Freedom» zu, die insbesondere auf Afghanistan zielt.

Juli 2005 – Gerhard Schröder (SPD)

Nach Niederlagen der SPD bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen kündigt Schröder eine vorgezogene Bundestagswahl an. Er begründet dies mit den Widerständen gegen seine weiteren Reformpläne nach der Verabschiedung der umstrittenen Agenda 2010. Dafür brauche es eine «stetige Mehrheit» im Bundestag.

Der Bundestag stimmt am 1. Juli 2005 über die Vertrauensfrage ab, Schröder verliert sie wie geplant. Bei der Bundestagswahl im September 2005 unterliegt die SPD dann knapp der Union. Auch hier riefen noch vor der Wahl mehrere Abgeordnete das Bundesverfassungsgericht an. Dieses wies aber Ende August ihre Einsprüche zurück.

Wie es nach heute weitergeht in Deutschland:

Dienstag, 17.12.: Die Führungsgremien von SPD sowie CDU und CSU beschliessen die Entwürfe für ihre Wahlprogramme. Die Grünen-Führung stellt den Entwurf für das Wahlprogramm vor.

Montag, 6.1.: Bis zu diesem Datum hat Steinmeier Zeit, über die Auflösung des Bundestags zu entscheiden und einen Termin für die Neuwahl festzulegen, die dann innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss. Es gilt als sicher, dass er die Wahl auf den 23. Februar vorziehen wird.

Samstag, 11.1.: Die SPD kürt bei einem Parteitag in Berlin endgültig ihren Kanzlerkandidaten.

Sonntag, 12.1.: Das BSW beschliesst auf einem Mitgliederparteitag sein Wahlprogramm und kürt Parteigründerin Sahra Wagenknecht zur Spitzenkandidatin.

Samstag/Sonntag: 11./12.1.: Die AfD beschliesst bei einem Parteitag in Riesa ihr Wahlprogramm und bestimmt Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin.

Sonntag, 26.1.: Die Grünen beschliessen bei einem Parteitag in Berlin ihr Wahlprogramm.

Donnerstag, 30.1.: Die Wahlvorschläge müssen fix sein, der Druck der Wahlzettel kann beginnen.

Februar: Es wird vermutlich zwei Fernsehduelle zwischen Scholz und seinem Herausforderer Friedrich Merz von der Union geben. Zudem wird es weitere TV-Diskussionen in verschiedenen Konstellationen mit den Spitzenkandidaten geben.

Montag, 3.2.: Die CDU trifft sich zum vorgezogenen Bundesparteitag in Berlin.

Samstag, 8.2.: Die CSU trifft sich mit Blick auf die Bundestagswahl zu einem Parteitag.

Sonntag, 9.2.: Die FDP kommt zu einem ausserordentlichen Bundesparteitag zur Vorbereitung auf die Bundestagswahl in Potsdam zusammen.

Sonntag, 23.2.: Bundestagswahl

AFP/aeg