Kritik wegen InteressenkonfliktIrritation in Genf: Vater von Regierungsrätin wird Chefbeamter
Die Genfer Regierung hat den Vater von Staatsrätin Delphine Bachmann zum Chefbeamten befördert. Man habe sich strikt an das Gesetz gehalten, verteidigt die Regierung ihren Entscheid.
Darf der Vater einer Regierungsrätin und Ex-Schwager einer weiteren Regierungsrätin dem Kanton als Chefbeamter dienen? Das ist die Frage, über die derzeit die halbe «République de Genève» erhitzt diskutiert, befeuert von Journalisten und Politikern. «Ja natürlich. Alles kein Problem», lautet die Antwort der Regierung.
«Natürlich nicht. Solche Familienangelegenheiten müssen ein für alle Mal verhindert werden», ist hingegen die Haltung der SVP, die in der Regierung nicht vertreten ist. Ein Problem hat auch die SP-Spitze. Hier liege «unbestritten ein Interessenkonflikt vor», schimpfte der Genfer SP-Präsident Thomas Wenger im Lokalfernsehen, obwohl «seine» Regierungsrätin den Personalentscheid beantragt hat.
Ihren Anfang nahm die Affäre mit einer jener knochentrockenen Medienmitteilungen, welche die Genfer Regierung jeweils mittwochs im Anschluss an ihre Wochensitzung verschickt. An normalen Tagen wecken die Communiqués minimes Interesse. An diesem Tag war das anders. Weit unten, in der Rubrik «Personalentscheide», tauchte ein Mann mit einem für Genf eher ungewohnten Familiennamen und Wurzeln im Kanton Aargau auf: Alain Bachmann, präsentiert als neu gewählter «Generaldirektor für das kantonale Amt für Informationssysteme und Digitales».
Im Januar 1964 geboren, arbeite Bachmann seit 1992 für den Kanton, heisst es in der Mitteilung. Zuerst als Systemingenieur und heute als Direktionsmitglied und Verantwortlicher für Infrastrukturdienstleistungen. Gelobt wird seine «reiche Berufserfahrung». Herausgestrichen werden ein Master in Informatik und ein Abschluss in Ingenieurwissenschaften. Künftig werde Alain Bachmann die Verantwortung über 1000 IT-Anwendungen und 300 laufende IT-Projekte haben.
Was in der Medienmitteilung nicht steht: Alain Bachmann ist der Vater von Regierungsrätin Delphine Bachmann, 35 Jahre jung, gelernte Krankenschwester, langjährige Kantonsrätin, Mitte-Präsidentin und seit 2023 gewählte Genfer Staatsrätin, verantwortlich für die Genfer Volkswirtschaft. Und Journalisten mit gutem Gedächtnis und heissem Draht ins Genfer Gesellschaftsleben erinnerten sich, dass Bachmann der Ex-Schwager von Finanzdirektorin Nathalie Fontanet sein musste, weil die FDP-Staatsrätin vor zwei Jahrzehnten mit Bachmanns Bruder verheiratet war. Plötzlich roch die harmlos erscheinende Medienmitteilung stark nach Nepotismus. Und mit einem Mal stand die halbe Genfer Regierung am Pranger.
Ein Stoff mit Zunder also auch für die RTS-Diskussionssendung «Forum». «Wir gehen nach Genf, wo eine Nomination schockiert: die Ernennung von Alain Bachmann als Generaldirektor», fasste Moderator Mehmet Gultas die Situation zusammen. Zwar arbeite der Vater nicht im Departement seiner Tochter, trotzdem passe die Situation gewissen Politikern gar nicht.
«Vater einer Staatsrätin, Ex-Schwager einer anderen und nun Chefbeamter, wie geht das alles zusammen?», fragte Gultas den Präsidenten der Genfer Regierung, Antonio Hodgers (Grüne). Das Gesetz regle mögliche Interessenkonflikte, antwortete Hodgers. Wenn es in Regierungssitzungen jeweils um das Personalgeschäft gegangen sei, habe Delphine Bachmann jeweils das Sitzungszimmer verlassen und darüber hinaus keinen Zugang zu Dokumenten gehabt, so Hodgers. Die Regierung habe den Entscheid ohne Bachmann in globo gefällt.
Aber die Regierung riskiere einen potenziellen Imageschaden, hakte der RTS-Journalist nach. Natürlich, aber in solche Dilemmata kämen Regierungen häufig, so Hodgers. Man habe 50 Bewerbungen gehabt, Alain Bachmann sei der fähigste Kandidat gewesen. «Soll man diesem Kandidaten die Wahl verweigern, was das Gesetz so nicht vorsieht? Das wäre problematisch, weil wir das Gesetz strapazieren würden», sagte Hodgers. Die Regierung habe mit dieser Polemik gerechnet, in Genf gehöre sie fast zum politischen Alltag. Der Personalentscheid sei rechtskräftig, man werde nicht auf ihn zurückkommen. Dabei blieb es bislang.
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