Schweiz-EU«Geheimplan» gegen die bilaterale Blockade
Bern und Brüssel kommen bei den institutionellen Fragen nicht voran. Nun will der EU-Parlamentarier Andreas Schwab die Blockade mit einem pfannenfertigen Musterprotokoll für alle bilateralen Abkommen überwinden.
Angesichts des Stillstands kann man schon mal die Geduld verlieren. Andreas Schwab ist einer, der sich in Brüssel seit Jahren berufsmässig mit der Schweiz befasst. Nun legt der EU-Abgeordnete aus Baden-Württemberg einen ausformulierten Vorschlag vor, wie die Blockade nach dem Abbruch beim Rahmenabkommen und bei den Sondierungsgesprächen von Staatssekretärin Livia Leu überwunden werden könnte. Der deutsche Christdemokrat kommt dabei der Schweiz entgegen, die den horizontalen Ansatz des Rahmenabkommens ablehnt. Dafür nimmt er nun den Bundesrat mit seiner Forderung nach einem «sektoriellen Ansatz» beim Wort. Die institutionellen Fragen wie die Streitschlichtung sollen dabei in jedem Abkommen einzeln geregelt werden.
Der Vorsitzende der für die Schweiz zuständigen Delegation im EU-Parlament kopiert dafür allerdings eins zu eins den Streitschlichtungsmechanismus aus dem Rahmenabkommen in ein Zusatzprotokoll, das an jedes bestehende und künftige bilaterale Abkommen wie etwa über den Strom oder zur Gesundheit angehängt werden soll. Der Vorschlag des damaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker mit einem Schiedsgericht sei für beide Seiten fair und könne einfach integriert werden.
Nägel mit Köpfen
«Streng vertraulich» steht über dem neunseitigen Papier, das Andreas Schwab allerdings breit gestreut hat. Etwas Marketing muss wohl sein, damit dieser «Geheimplan» die gewünschte Aufmerksamkeit bekommt. Aber im Prinzip macht Schwab das, was man sich wohl in Brüssel von Staatssekretärin Livia Leu seit dem Beginn der Sondierungsgespräche im Februar erhofft hat: Er macht Nägel mit Köpfen und deutet an, in welcher Richtung eine Lösung möglich sein müsste.
Der Christdemokrat hat in Brüssel auch das Ohr von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und deren Team. Dort hält sich hartnäckig der Verdacht, dass der Schweizer Bundesrat auf Zeit spielt und nicht ernsthaft an einer Lösung interessiert ist. Nach acht Jahren der Verhandlungen fehle es nicht an Erkenntnis über die Positionen beider Seiten, schreibt Schwab. Was fehle, sei die Bereitschaft der Schweizer Regierung, Entscheidungen zu treffen. Der EU-Abgeordnete moniert, dass selbst «konstruktive Vorschläge» des Parlaments in Bern als unwillkommene Einmischung wahrgenommen werde.
Streitpunkt Staatsbeihilfen
Der Schweiz-Kenner aus dem EU-Parlament will den Bundesrat nun selber auf die Probe stellen. Das Schiedsgericht soll gemäss dem Vorschlag nur in eng definierten Fällen an den Europäischen Gerichtshof gelangen, dessen Urteil dann verbindlich wäre. Konkret: wenn es um die Interpretation von EU-Recht geht und es dazu noch keine Rechtsprechung gibt. Neben der Streitschlichtung soll das Musterprotokoll auch einen Mechanismus enthalten, um die dynamische Übernahme von EU-Recht in die bilateralen Abkommen sicherzustellen. Detailliert ausformuliert sind die Regeln zu den Staatsbeihilfen, mit einer längeren Auflistung der Ausnahmen vom Subventionsverbot. Beide Seiten müssten Überwachungsbehörden einrichten, an die Beihilfen gemeldet werden müssten.
Ein rotes Tuch
Andreas Schwab ist in der Schweiz nicht zuletzt für die Gewerkschaften ein rotes Tuch, da er die Interessen der Handwerksbetriebe in seinem Wahlkreis im südbadischen Raum besonders offensiv vertritt. Der Bundesrat müsse klarstellen, in welchen Bereichen er Ausnahmen von der dynamischen Rechtsübernahme wolle, fordert der EU-Abgeordnete. Für Schwab ist klar, dass es bei der Personenfreizügigkeit im engeren Sinn keine Ausnahmen geben könne. Er erwähnt konkret eine neue EU-Vorschrift, wonach auch bei Identitätskarten biometrische Daten nötig sind. Es gehe um die Sicherheit für alle Bürgerinnen und Arbeitnehmer, die zwischen der Schweiz und der EU unterwegs seien.
Auch beim Recht auf Daueraufenthalt nach fünf Jahren Beschäftigung in der Schweiz sieht Andreas Schwab keinen Spielraum. Dieses Recht müsse für Bürgerinnen und Bürger aller EU-Staaten gelten. Die Schweiz könne aber ähnlich wie die EU-Staaten alle Instrumente nutzen, um Missbrauch zu unterbinden. Einwanderung in die Sozialversicherungen sei auch in der EU nicht vorgesehen. Eine Schutzklausel, die der Schweizer Regierung unter aussergewöhnlichen Umständen Restriktionen der Personenfreizügigkeit erlauben würden, sei aber vorstellbar. Beim Streitthema Lohnschutz schlägt Schwab in seinem Papier vor, das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» explizit im bilateralen Personenfreizügigkeitsabkommen zu verankern. Die Schweiz würde zusätzliche Schutzmassnahmen ergreifen dürfen, solange diese verhältnismässig und nichtdiskriminierend seien.
Jährlicher Gipfel in Basel
Schwab will auch die Zusammenarbeit der Exekutiven und der Parlamente verstärken. So sollen jeweils zwei Mitglieder des Bundesrats und der EU-Kommission mindestens einmal jährlich zu einem Gipfel in Basel zusammenkommen. Ein neuer «Swiss deal» brauche ein Symbol. Die Wirtschaftsmetropole Basel sei bürgernah und als Stadt im Dreiländereck bestens geeignet, Kommunikation fruchtbar zu machen. Andreas Schwab sieht die Zukunft rosig. Doch ob sein Vorschlag in der Schweiz Gefallen finden wird, ist zumindest fraglich.
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