Gedenkanlass in Berner Synagoge«Wir teilen Ihre Trauer, wir teilen Ihr Entsetzen»
Die Jüdische Gemeinde trauerte um die Terroropfer der Hamas-Anschläge. Dabei war auch Bundesrat Albert Rösti.
Die Sitze der Holzbänke in der Synagoge sind bis auf den letzten Platz besetzt. Auch auf den Tribünen im oberen Stock stehen Leute. Insgesamt mindestens 160 Personen versammeln sich an diesem Montagabend, um der Opfer der Terrorattacken der Hamas zu gedenken.
Beim Eintreten von Bundesrat Albert Rösti schweigt die versammelte Menge. Fotografen knipsen Fotos, der Bundesrat selber schüttelt Hände und nimmt in der vordersten Reihe Platz.
Der Gottesdienst beginnt mit Gesang. «Ich stehe heute vor Ihnen, ohnmächtig und traurig», sagt Ralph Lewin, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG).
Er stehe hier, um der Trauer über den Terror Ausdruck zu verleihen. Auch die Verlautbarungen des Bundesrats seien deutlich gewesen. Man realisiere nun in der Schweiz, dass man mit der Hamas nicht verhandeln könne. Doch sobald sich Israel wehre, schwinde meist die Solidarität. Er schliesst mit den Worten: «Es lebe das jüdische Volk.»
In den vorderen Reihen sitzen National- und Ständeräte, die meisten mit einer Kippa auf dem Hinterkopf. Auch Stadtpräsident Alec von Graffenried und die israelische Botschafterin sitzen im Publikum.
«Es ist mir wichtig, durch die Anwesenheit Betroffenheit zu zeigen.»
Albert Rösti tritt an das Podium. Er nimmt stellvertretend für den Bundesrat teil, auf Anfrage des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, wie sein Departement im Vorfeld mitteilte.
«Wir teilen Ihre Trauer, wir teilen Ihr Entsetzen», sagt Albert Rösti. Der Bundesrat verurteile die barbarischen Terroranschläge in Israel aufs Schärfste und fordere die sofortige Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geisseln. Es müsse alles unternommen werden, damit nicht auch in der Schweiz Menschen Opfer von Terroranschlägen würden.
Rösti schliesst: «Es ist mir wichtig, durch die Anwesenheit Betroffenheit zu zeigen. Danke.»
Die israelische Botschafterin betritt mit schnellen Schritten die Bühne, sie bedankt sich für die Solidaritätsbekundungen, dann wechselt ihr Tonfall.
Sie spricht eindringlich und schaut mit festem Blick ins Publikum: «Israel ist im Krieg.» Sie sei nicht hier, um Kerzen anzuzünden. Sie sei auch nicht hier, um als Diplomatin zu sprechen.
«Ich bin entsetzt, und ich möchte zu den Schweizer Autoritäten sprechen.»
Sie erzählt Schicksale von Opfern des Massakers am 7. Oktober, von getöteten Jüdinnen und Juden, getöteten Kindern, Babys, älteren und jüngeren Menschen, bei einem Schicksal zittert ihre Stimme.
«Ich bin entsetzt», sagt sie. Wenn es Israel nicht erlaubt werde, die Hamas zu besiegen, werde dies das Ende des «zionistischen Projekts» sein. Ein Begriff, der die Hamas verwenden würden. Botschafterin Ifat Reshef möchte niemals in die Situation kommen, mit den Schweizer Behörden darüber sprechen zu müssen, was dies bedeuten würde.
Ein Mann aus der hinteren Reihe fällt ihr ins Wort, er wird aus der Synagoge geführt.
Sie sei hier, um alle dazu aufzurufen: «Wir haben eine Pflicht, wir müssen uns gegen Antisemitismus wehren.» Ifat Reshef hat sich in Rage geredet, der Saal ist sehr still, ihre Stimme hallt durch den grossen Raum. Die Menge applaudiert, als die Botschafterin ihre Rede beendet.
Im Gespräch mit den Besuchenden nach dem Gedenkanlass wird klar: Die Botschafterin sprach und verhielt sich ungewöhnlich emotional an diesem Abend. Einer der Anwesenden sagt: «Das ist der Ausnahmesituation geschuldet und deshalb auch angemessen.»
Die Gedenkfeier wird fortgesetzt. Es folgen Gesang und Worte des Rabbiners Jehoschua Ahrens. Man werde die Hoffnung nicht aufgeben, dass aus dem Terror, der Dunkelheit, irgendwann auch ein Licht aufgehen werde.
Der Rabbiner stimmt die schweizerische Nationalhymne an, danach die israelische Hymne. Sie hallt deutlich lauter durch die Synagoge.
Zum Schluss verabschiedet Michel Ronen, Co-Präsident der Jüdischen Gemeinde Bern, die versammelten Leuten. Er bittet sie, sich möglichst kurz vor der Synagoge aufzuhalten und auf direktem Weg nach Hause zu gehen. «Hier geht es auch um Sicherheitsüberlegungen.»
Fälschlicherweise stand in einer ersten Version dieses Artikels, dass die israelische Botschafterin die Schweiz bittet, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen. Die Botschafterin sagte jedoch: Wenn es Israel nicht erlaubt werde, die Hamas zu besiegen, werde dies das Ende des «zionistischen Projekts» sein. Ein Begriff, den die Hamas verwenden würden. Botschafterin Ifat Reshef möchte niemals in die Situation kommen, mit den Schweizer Behörden darüber sprechen zu müssen, was dies bedeuten würde, und in diesem Kontext sagte sie: Sie möchte die Schweiz zukünftig nicht bitten wollen, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen.
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