Max Küng feiertWas wäre das für ein Geburtstagsfest!
Unser Kolumnist stellt sich eine imaginäre Party vor – mit einer spektakulären Gästeliste.
Ein Freund hatte Geburtstag, am 6. Februar, es gab aber keine Party, was ich sehr bedauerte, denn je älter man wird, desto mehr sollte man die Feste feiern. Also stellte ich mir die Geburtstagsparty meines Freundes eben vor, denn sich Dinge vorzustellen ist im Grunde recht mühelos und vor allem: gratis. Nicht selten ist zudem die Vorstellung von etwas sogar schöner als die Wirklichkeit.
Genauer stellte ich mir vor, wie mein Freund Menschen zu seinem Geburtstag einlädt, die alle am selben Tag wie er zur Welt gekommen sind. Und da es sich um reine Vorstellung handelte, spielte es auch keine Rolle, ob diese Menschen noch leben oder schon tausend Jahre unter der Erde liegen, denn es ist eine Tatsache: Es gibt mehr interessante Tote als Lebende.
Ich schlich mich also an die imaginäre Party der am 6. Februar Geborenen und sah gleich beim Eingang Bernhard von Prittwitz und Gaffron in seiner feschen Uniform, einst preussischer Rittmeister, im Gespräch vertieft mit Pierre Brice alias Winnetou. Sicherlich unterhielten sie sich über Iltschi, den Rappen, welcher nach Winnetous Tod erschossen wurde, damit man den Apachenhäuptling mit ihm zusammen begraben konnte.
Erna Sack stand auch noch dort, eine deutsche Sopranistin. Schnell weiter! Bevor Erna Sack zu singen anfinge, denn sie war dafür berühmt, mit ihrem Organ das viergestrichene C zu erklimmen, die höchsten Höhen eines eh schon hohen Tones, der Haustiere in den Suizid durch Fenstersturz trieb und Brillengläser zum Zerplatzen brachte.
Wer würde sich noch an der Party rumtreiben? Viktor Giacobbo im Gespräch mit Sänger Rick Astley («Never Gonna Give You Up») und Chongzhen, dem letzten chinesischen Kaiser der Ming-Dynastie. Am Buffet, tüchtig zulangend, die in die Schweiz immigrierte deutsche Politikerin Alice Weidel neben Eva Braun und Adolfo Tito Yllana, einem Diplomaten des Heiligen Stuhls.
In einer grösseren Runde Filmleute, sicher über Subventionen redend: François Truffaut, Ronald Reagan und Zsa Zsa Gabor. Zudem die angolanische Wirtschaftswissenschaftlerin Maria Mambo Café, der zu Ehren in ihrem Geburtsort Cabinda der Flughafen nach ihr benannt werden soll, wo es dann bestimmt ein Maria-Mambo-Café-Airport-Café gibt, in dem Mambomusik läuft.
Wer noch? Christian Henrich Heineken selbstverständlich, der nicht Bierbrauer war, sondern ein Wunderkind. Schon als Zweijähriger beherrschte Heineken Latein und Französisch.
Eine illustre Runde käme da zusammen, der 6. Februar scheint es in sich zu haben!
Heute aber ist leider nicht der 6. Februar, sondern der 9. März. Heute haben andere Geburtstag. Zum Beispiel Kurt Latte, deutscher Altphilologe, der kaum unerwähnt liesse, mit seiner Dissertation über kultische Tänze bei den alten Griechen summa cum laude promoviert zu haben. Oder Johann Georg Rohr, ein Glockengiesser aus dem 17. Jahrhundert. Oder Adolf Scheibe, der Entdecker der Inkonstanz der Erdrotationsgeschwindigkeit.
Das gäbe eine Party: Gespräche über das Glockengiessen, kultische Tänze bei den alten Griechen und die stotternde Erdrotation.
Am 9. März haben anscheinend nur Langweiler Geburtstag. Ich stünde an dem Fest bald dort, wo es bei jeder Party am interessantesten ist, in der Küche, in der Nähe des Kühlschranks, oder auf dem Balkon, rauchend und auf die Uhr blickend, die ich mir selbst zum 55. Geburtstag geschenkt habe, in der Hoffnung, sie würde mir sagen, dass es nun an der Zeit wäre, die Gäste rauszuschmeissen und langsam, aber sicher zu Bett zu gehen.
Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».
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