Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Streit um Rafah-Offensive
Netanyahu fährt riskanten Kurs

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu speaks during a joint press conference with the German Chancellor after their meeting in Jerusalem on March 17, 2024. Netanyahu said on March 17 that any Gaza peace deal that weakens Israel and leaves it unable to defend itself against hostile neighbours would be unacceptable. (Photo by Leo Correa / POOL / AFP)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Anfang nächster Woche steht in Israel der Unabhängigkeitstag an, erinnert wird an die Staatsgründung vor 76 Jahren. Zum Feiern gibt es wenig Grund inmitten des Gazakriegs. Den ernsten Ton hat Premier Benjamin Netanyahu bereits vorgegeben mit einem Vergleich der Lage anno 1948 und heute.

Dies darf als direkte Antwort auf die Drohung des US-Präsidenten Joe Biden verstanden werden, bei einem israelischen Sturm auf Rafah die Waffenhilfe zu stoppen. Und die Kurzfassung lautet: Wenn Israel allein Krieg führen muss, wird es das tun. Um die Entschlossenheit zu demonstrieren, fügte Netanyahu noch an: «Wenn es sein muss, werden wir mit unseren Fingernägeln kämpfen.»

Israel allein gegen den Rest der Welt – für viele im Land mag dies eine furchterregende Vorstellung sein. Für Netanyahu aber ist es die perfekte Formel, seine Anhängerschaft wieder um sich zu scharen. Der Mythos des Unabhängigkeitskriegs dient ihm dabei als Vorlage. «Wir waren wenige gegen viele, wir hatten keine Waffen, es gab sogar ein Waffenembargo gegen Israel», erklärte er in einer Videobotschaft – und wie es ausgegangen ist, weiss jeder: «Wir haben gewonnen.»

Netanyahu beschwört «Allein gegen alle»-Mythos

Seit dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober hat Netanyahu den Krieg um Gaza als Kampf ums Überleben gezeichnet. Natürlich weiss er, dass der jüdische Staat 2024 trotz aller Bedrängnis ganz anders dasteht als im Jahr der Gründung. Israel ist Atommacht, und die USA halten allen Streitigkeiten zum Trotz ihren politischen und militärischen Schutzschirm weit aufgespannt.

Mit der Beschwörung des «Allein gegen alle»-Mythos betreibt Netanyahu ein durchsichtiges politisches Spiel. Zugleich jedoch schürt er dabei die Gefahr, dass Israel tatsächlich die Verbündeten verprellt und zunehmend in Isolation gerät – und das kann sich der jüdische Staat jenseits aller Rhetorik nicht leisten.

Bidens Waffenstopp-Drohung mag zwar als verbaler Warnschuss gedacht sein. Aber sie enthält eine Botschaft, die ihre Wirkung voraussichtlich nicht nur in Israel entfalten wird. Ein Echo könnte aus zwei komplett konträren Richtungen kommen: von Israels anderen Verbündeten – und von Israels Feinden.

Erste Verbündete setzen Waffenlieferungen aus

Im Lager der Verbündeten könnte eine Art Dominoeffekt einsetzen. Kanada, Spanien und Italien haben bereits mit Blick auf Israels Kriegsführung in Gaza Waffenlieferungen ausgesetzt. In Deutschland mit seiner besonderen Verantwortung für Israels Sicherheit könnte diese Frage lauter gestellt werden. Nach den Amerikanern liefert Deutschland am meisten Waffen an Israel.

In Israel gibt sich nach Bidens Drohung nicht nur die Politik betont trotzig bis gelassen, sondern auch das Militär. «Wir haben, was wir brauchen für die geplanten Einsätze und auch für die Einsätze in Rafah», sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Im Schutz der Anonymität werden in den israelischen Medien jedoch auch Stimmen aus dem Sicherheitsapparat zitiert, die drauf hinweisen, dass es bald nötig werden könnte, sparsamer mit Munition umzugehen. Vor allem aber wird gewarnt vor Auswirkungen auf andere Fronten.

Israels Feinde könnten noch aggressiver handeln

Denn auch die Feinde Israels werden nun genau beobachten, ob der jüdische Staat wegen Netanyahus Kurs nur politisch ins Abseits driftet oder am Ende auch militärisch geschwächt wird. Das Regime in Teheran oder die Hizbollah-Terroristen im Libanon könnten dadurch dazu verleitet werden, Israel noch offener herauszufordern. Einen bitteren Vorgeschmack gab es Mitte April beim beispiellosen Angriff des Iran auf Israel mit über 300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern. Abgewehrt wurde die Attacke vor allem dank US-Hilfe.

Jedem wurde klar, wie dringend Israel Verbündete braucht. Nun scheint ausgerechnet der Regierungschef das schon wieder vergessen zu haben.