Gastronomie am ZürichseeDas lassen Langfinger im Restaurant mitgehen
Musikboxen, ein Iberico-Schinken und sogar der WC-Ring: In den Restaurants am Zürichsee wird viel und oft geklaut. Manche Gäste aber lassen auch etwas da.
Die orangen Tischleuchten gehören schon fast zum Markenzeichen des Cafés Europa an der Zürcher Europaallee. Obschon die gut 400 Franken teuren Designerlampen gut sichtbar auf dem Bartresen verteilt sind, ist eine der kabellosen Lichtquellen kürzlich zur Beute eines Langfingers geworden. Die Lampen sind drum neu angekettet.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass manche Gäste in Lokalen, Clubs und Bars Gegenstände wie Gläser, Teelichter oder mal eine Gabel mitlaufen lassen. Die Wirtinnen und Wirte am Zürichsee können aber von Verlusten berichten, die weit darüber hinausgehen.
In der Kultbeiz «Wilder Kaiser Beisl 2.0» im Zollikerberg liessen Gäste unter anderem schon einen 50 Zentimeter grossen Deko-Pferdekopf oder eine Tonfigur von Kaiser Franz Joseph mitgehen. Mit Abstand am häufigsten würden aber Serviettenringe oder Speisekarten in den Taschen landen, berichtet Inhaber Christian Krahnstöver. «Berufsrisiko», kommentiert der Gastronom, der neben dem Betrieb in der Trichtenhausermühle auch noch das Lokal «Der Wilde Kaiser Wienzeile» in Zürichs Altstadt führt.
Gast und Fernseher weg
Gestohlen werde meist dann, wenn extrem viel los sei, sagt Krahnstöver. So sei der Pferdekopf der Spanischen Hofreitschule etwa an einer geschlossenen Veranstaltung weggekommen. In flagranti erwischt habe er noch nie jemanden.
Die Diebstähle verbucht Krahnstöver unter «Verbrauchsmaterial». Glücklicherweise sei es doch eher eine sehr kleine Minderheit, die sich des «Kavaliersdelikts» schuldig mache. «Aus eigener Erfahrung weiss ich allerdings, dass dieses Phänomen in der Hotellerie sehr viel stärker akzentuiert ist.» Bademäntel und Handtücher seien da noch das Billigste, was wegkomme, berichtet Krahnstöver.
Diese Erfahrung hat auch Michel Péclard schon gemacht. Der Szenegastronom betreibt 16 Gastrolokale um den Zürichsee sowie ein einziges Hotelzimmer. «Es wird einfach alles geklaut», berichtet der gebürtige Kilchberger. Im Hotelzimmer hätten immer wieder Bilder gefehlt, und sogar der Fernseher sei einmal geklaut worden.
Dreimal im Jahr neues Besteck
Es sei schwer zu glauben, wie unverschämt manche Gäste seien. Im Restaurant Pumpstation am Utoquai werde circa dreimal im Jahr neues Besteck benötigt, erzählt Péclard. «Und ich war tatsächlich schon an einer WG-Party, wo alles voller Fischer’s-Fritz-Gläser war.»
Es seien aber längst nicht nur lose Gegenstände, die wegkämen, sagt Péclard. «Es wird schamlos demontiert.» Die Sonos-Musikboxen in den Toiletten würden eigentlich immer und in allen Betrieben geklaut. «Sobald ein Winkel nicht einsehbar ist, gehen die Dinger zack weg.» Selbst der WC-Ring in der Milchbar am Zürcher Paradeplatz sei schon einmal demontiert und mitgenommen worden.
Waschmaschine zum Entsorgen
Aber nicht jeder Langfinger ist um Diskretion bedacht. So hat es Michel Péclard auch schon erlebt, dass ein Gast einen ganzen Iberico-Schinken aus der offenen Küche der Milchbar geklaut habe und mit diesem unter dem Arm seelenruhig über die ganze Bahnhofstrasse gelaufen sei. Esswaren sind schliesslich auch schon bei einem Einbruch im Mönchhof in Kilchberg geklaut worden. Stolze 50 Kilogramm Pouletflügeli fehlten dem Betrieb am nächsten Tag.
Am meisten Inventar gehe rund um die offiziellen Zügeltermine verloren, weiss Péclard zu berichten. «In unseren Lokalen am See werden dann ganze Tischeinheiten mit Stühlen geklaut.»
Wirklich etwas machen kann der Gastronom gegen die Langfinger nicht. Anzeigen gegen unbekannt wären zwar theoretisch möglich, haben aber kaum Erfolg. Deshalb setzt Péclard auf vorbeugende Massnahmen. «Wir leimen zum Beispiel jetzt unsere Safes an und bohren sie ans Haus, damit Diebe nicht – wie im L’O Horgen schon dreimal passiert – den ganzen Safe mitnehmen.» Aber auch das sei nur mässig erfolgreich.
Bei den Aschenbecher hat Péclard aus der Not eine Tugend gemacht: So stünde auf jenen des Portofinos in Thalwil etwa «stolen by Portofino» drauf. «Dann reden sie wenigstens über uns.»
Aber nicht nur die Klauerei macht Péclard zu schaffen. «Bei uns wird auch wie wild deponiert.» Im Fischer’s Fritz an der Stadtgrenze würden etwa über Nacht Waschmaschinen, Autoteile und ganze Wohnungseinrichtungen zur Entsorgung hingestellt. Leider sei es noch nie gelungen, jemanden in flagranti zu erwischen.
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