G-20-Gipfel in IndienJoe Biden knöpft sich die Weltbank vor
Enttäuscht reist der US-Präsident nach Delhi, weil er Xi Jinping dort nicht treffen kann. Für den Amerikaner dreht sich dennoch alles um die Chinesen.
Mehr als zwei Meter hoch ist das Porträt von Joe Biden, der in Delhi bereits von einer Mauer grüsst. Ein Künstler hat Biden porträtiert im Vorfeld des G-20-Gipfels, der diese Woche in der indischen Hauptstadt beginnt. Energisch schaut der US-Präsident drein auf dem Bild, kräftig, jung, ist man versucht zu sagen, ganz anders als der tapsige Mann, der sonst über die Bildschirme stolpert. In Delhi ist er voll im Saft, bereit für die Rolle als Anführer der freien Welt.
Mit diesem Anspruch fliegt Biden am Donnerstag von Washington via Deutschland nach Indien. Er will die Weltbank reformieren. Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte: «Einer unserer Hauptpunkte auf dem Weg zu den G-20 ist der Plan, um die multilateralen Entwicklungsbanken fundamental umzugestalten und auszubauen, besonders die Weltbank.» Aufstocken soll sie ihr Budget, damit Entwicklungsländer bei ihr mehr Kredite abholen können.
Das ist unter anderem gegen China gerichtet. Besonders auf dem afrikanischen Kontinent investiert die Volksrepublik Milliarden, stets verbunden mit geostrategischen Hintergedanken. Biden will nun die Weltbank neu positionieren als Alternative für Kreditnehmer, als demokratisch und multilateral orientierte Institution, die attraktivere Geldgeberin als das kommunistische Regime in Peking, das selbst zum Kreis der Aktionäre der Weltbank gehört.
Enttäuschung über Xis Absage
Die amerikanischen Absichten vertragen sich gut mit den Plänen des neuen Bankchefs Ajay Banga, der die Kredite der Bank ausbauen will, unter anderem für Programme zum Umgang mit dem Klimawandel und zur Bekämpfung des Hungers. Biden hat bereits beim Kongress eine Aufstockung der amerikanischen Beiträge um 3,3 Milliarden Dollar beantragt. Am Treffen der G-20 soll er überdies nach einem Schuldenerlass für Entwicklungsländer rufen, wohl wissend, dass eine Einigung schwierig ist. Im Unterschied zu anderen Staaten haben die USA aber die Vorbereitungsarbeiten für den Gipfel mitgetragen und lassen damit einen Willen zur Lösung erkennen.
Gern hätte Biden bei dem Gipfel auch mit Chinas Präsident Xi Jinping gesprochen. Nach ihrem letzten Treffen in Bali im vergangenen Herbst sank die Beziehungstemperatur auf einen Tiefststand, unter anderem wegen des chinesischen Spionageballons über den USA. Inzwischen hat eine Reihe hochrangiger Vertreter des Weissen Hauses Peking besucht, was US-Medien als Charmeoffensive bezeichnen.
Diesen Faden hätte Biden mit Xi aufnehmen wollen. Inzwischen aber hat der chinesische Machthaber durchblicken lassen, dass er für den Gipfel nicht nach Indien reisen will. «Enttäuscht» sei er darüber, sagte Biden. Die nächste Gelegenheit könnte sich allerdings schon im November bei einer Pazifik-Konferenz in San Francisco ergeben.
Biden umgarnt Indiens Modi
Während Xi Indien meidet, den verfeindeten Nachbarn und Gipfelgastgeber, ist sich der indische Premierminister Narendra Modi dafür der vollen Aufmerksamkeit der Amerikaner gewiss. Joe Biden hat den Nationalisten eben erst im Weissen Haus empfangen, obwohl er stets betont, demokratische Werte hochzuhalten, die Modi hingegen aushöhlt in seinem Einflussbereich. Biden hofiert Modi gleichwohl, weil er in ihm einen wichtigen Verbündeten sowohl gegen Russland als auch gegen China sieht.
Zu Russlands Krieg in der Ukraine hat sich Modi bisher nicht klar positioniert, sondern vielmehr die Gelegenheit ergriffen, sich günstiges russisches Öl zu sichern. Biden muss für sein erneutes Treffen mit Modi darum auch Kritik einstecken. John Kirby, Sprecher des Sicherheitsrats, versicherte am Mittwoch beschwichtigend, der US-Präsident scheue nie davor zurück, «seine Besorgnis über die Menschenrechtslage auszudrücken».
Historischer Besuch in Vietnam
Wie sehr Biden mit seiner Reise die Hoffnung verbindet, die Abwehrallianzen gegen China zu stärken, zeigt auch sein Besuch in Vietnam. Es ist das erste Mal, dass Biden in das für die jüngere US-Geschichte so wichtige Land reist; sein aussenpolitischer Fokus galt lange vor allem Europa und China und dem Mittleren Osten. Für Vietnam hatte sich Biden in seiner Jugend kaum interessiert, obwohl Gleichaltrige damals entweder in den Krieg ziehen mussten oder zu Hause gegen den Krieg protestierten. Biden tat weder noch. Er sei nur ein Allerweltstyp im Jackett gewesen, erklärte dies Biden einmal. Später engagierte er sich gegen den Krieg, allerdings auf moderate Weise.
Nun treffe der Typ im Jackett also doch noch in Hanoi ein, bemerkte die «Washington Post», die Bidens jugendliches Desinteresse an Vietnam als Vorteil wertete, als Unbefangen- und Unbelastetheit, ideal, um das einstige Feindesland nun zu einem wichtigen Verbündeten zu machen. Gegen China natürlich. Seit Bill Clinton als erster US-Präsident nach dem Krieg das Land besucht hatte, ist jeder US-Präsident dorthin gereist. 2015 wurde der kommunistische Machthaber Truong Tan Sang erstmals im Weissen Haus empfangen, Biden war als Vizepräsident dabei.
Biden dürfte ein Zeichen setzen, dass sich die USA langfristig in Vietnam engagieren.
Diesmal aber könnten die Beziehungen an einem eigentlichen Wendepunkt stehen: Biden dürfte ankündigen, Vietnam neu in eine wichtigere Stufe von diplomatischen Partnern einzuteilen, ein Zeichen dafür, dass die USA sich langfristig engagieren. Das soll den Einfluss Chinas in Vietnam eindämmen, begünstigt von Grenzstreitigkeiten, die das Verhältnis zwischen den zwei kommunistischen Regimes belasten.
Es ist ein dichtes Programm, das sich Biden für seine Asienreise vorgenommen hat. Er wird die jugendliche Energie brauchen, die sein Wandbild in Delhi ausstrahlt.
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