Kolumne «Miniatur des Alltags»Fundgrube am Strassenrand
Es ist immer wieder erstaunlich, was an der Goldküste alles am Strassenrand «gratis zum Mitnehmen» steht. Manches davon landet unverhofft auch bei uns zu Hause.

Unser Zehnjähriger sammelt leidenschaftlich gern. Nicht nur Panini-Bildli und die diversen Sammelaktionen sind genau sein Ding – er sammelt auch auf dem Schulweg so ziemlich alles. Lange hat sich seine Sammelleidenschaft auf Steine, Schneckenhäuser, Stöcke beschränkt.
Mittlerweile bringt er Grösseres mit. So ist er vor ein paar Wochen freudestrahlend mit einem Fussball nach Hause gekommen. «Der lag im Gebüsch.» – «Den kannst du doch nicht einfach mitnehmen.» – «Der lag schon zwei Tage da, jetzt habe ich ihn mitgenommen. Wir brauchen ja einen Ball für die Pause.» Einmal pumpen, und das Leder war wieder rund.
Sie ahnen es: Was auf den Trottoirs alles «gratis zum Mitnehmen» rumsteht, ist ein Eldorado für ihn. Es würde bisweilen ja auch reichen, um ein Zimmer einzurichten. Regale, Kommoden, Sofas: Das meiste ist zum Glück zu sperrig, als dass ein Kind es mitnehmen könnte.
Vor wenigen Tagen nun ist er wieder mit einem riesigen Grinsen im Gesicht nach Hause gekommen. «Mama, rate, was ich gefunden habe!» – «Einen Schraubenzieher?» – «Nein, einen Tennisschläger.» – «Der wird in einem tollen Zustand sein.» – «Ja, er ist wie neu. Und es ist genau die Grösse, die ich brauche». Tatsächlich hatte seine Tennistrainerin wenige Tage zuvor gesagt, er brauche langsam einen grösseren Schläger. Auf meine Standardantwort «Den kannst du doch nicht einfach mitnehmen» meinte er nur: «Warum nicht? Mein Freund meinte sogar, ich solle die Hülle auch nehmen – das fand ich eine gute Idee. Es stand ‹Gratis zum Mitnehmen›.»

Ich verstehe noch immer nicht, wie jemand so etwas Hochwertiges einfach auf die Strasse stellen kann. Wahrscheinlich hat aber noch selten etwas Entsorgtes so viel Freude bereitet wie dieser Tennisschläger unserem Junior. Bleibt nur die Frage, was er als Nächstes bringt.
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