Für die Börse wirds eng – die Antworten zum Streit mit der EU
Die Schweizer Börse ist ein Opfer der Verhandlungen zum Rahmenabkommen. Jetzt droht sie per 1. Juli die Gleichwertigkeit zu verlieren.
Es ist eine endlose Geschichte. Seit 2014 verhandeln die Schweiz und die EU über ein institutionelles Rahmenabkommen. Die beiden Verhandlungspartner wollen darin das künftige Verhältnis regeln. Die Verhandlungen stockten immer wieder. Die EU hat in diesem Verhandlungspoker die Schweizer Börse SIX als Pfand entdeckt und immer wieder damit gedroht, ihre Gleichwertigkeit nicht mehr anzuerkennen.
Ende Juni läuft die Frist aus. Heute nun hat die EU einen Nichtentscheid gefällt: Sie hat nicht entschieden, ob sie die sogenannte Börsenequivalenz verlängert. Nun wird die Zeit knapp. Für den Fall, dass die EU in den kommenden Tagen nicht noch einlenkt und der Schweizer Börse die Anerkennung als gleichwertiger Handelsplatz ab 1. Juli verweigert, hat der Bundesrat einen Plan B vorbereitet. Dieser könnte in wenigen Tagen angewendet werden.
Die Schweizer Börse SIX äussert sich nicht dazu. Dies da noch kein Entscheid gefallen sei. Sie lege aber nach wie vor grössten Wert auf die Anerkennung, so ein Sprecher. Für den Wirtschaftsverband Economiesuisse sie diese Entwicklung «ein Rückschlag für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, die bisher für beide Seiten grosse Vorteile brachten.» Nun bestehe das Risiko einer Eskalation politisch motivierter Massnahmen.
Um was geht es eigentlich?
Die Schweizer Börse SIX ist ein Pfand in den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Sie spielt im Rahmenabkommen eigentlich keine Rolle. Technisch erfüllt die Schweizer Börse alle Bedingungen der EU-Behörden, das wurde ihr von den zuständigen Stellen versichert. Die Schweiz drängte daher auf eine unbefristete Anerkennung. Doch liegt der Entscheid bei der EU, ob sie den Schweizer Handelsplatz als gleichwertig ansieht. Das macht sie nicht mehr.
Hat die EU die Frist Knall auf Fall aufgekündigt?
Nein, es gab mehrere Übergangsfristen. Die Anerkennung der Gleichstellung wurde mehrmals verlängert. Zuletzt Ende 2018, befristet für sechs Monate. So konnte die EU Druck auf die Schweiz erzeugen, um beim Rahmenabkommen ein besseres Ergebnis zu erzielen. Eine weitere Erstreckung gewährt die EU nun aber vorerst nicht mehr.
Wie sieht der Plan B aus?
Bis Ende Juni gilt die befristete Börsenäquivalenz. Danach wird der Bundesrat den Plan B anwenden. Dann dürfen nur noch an solchen Börsen Schweizer Aktien gehandelt werden, die von der Schweiz eine Bewilligung erhalten haben. Die Schweiz wird im Gegenzug den EU-Börsen das Recht entziehen, Aktien von Nestlé, Novartis und Co. zu handeln. Es wird den Börsen in London, Frankfurt oder Paris verboten, Schweizer Titel zu handeln. EU-Händler dürfen diese Titel dann in der Schweiz handeln, auch wenn die Schweizer Börsenregeln nicht mehr von der EU anerkannt sind.
Leidet nun die Börse?
Nein, der Plan B könnte am Ende der SIX sogar mehr Geschäft einbringen: Derzeit laufen rund 30 Prozent des Handels mit Schweizer Werten in der EU. Sollte der Notfallplan zum Tragen kommen, müsste dieses Geschäft auf die SIX in die Schweiz verlagert werden. «Der Notfallplan wird alles auf eine Plattform zwingen», so Börsenchef Jos Dijsselhof. Längerfristig könnte es aber sein, dass ein Teil des Handels in den ausserbörslichen Bereich oder auf bankinterne Plattformen abwandert. Dann würde die Börse Handelsvolumen und damit auch Einnahmen verlieren.
Ist das für die Schweizer Emittenten nicht ein Problem?
Würden die Schwergewichte wie Nestlé oder Novartis auf andere Handelsplätze wechseln, würde die Schweizer Börse den Grossteil des Handelsvolumens verlieren, so die Befürchtung der Börse. Laut einer Umfrage der Redaktion Tamedia Ende des letzten Jahres wollen die Firmen dem heimischen Handelsplatz aber treu bleiben. 14 der zwanzig SMI-Konzerne haben keine Abwanderungspläne. Sechs nahmen nicht Stellung.
Ist die Börse wichtig für Händler aus der EU?
Pro Jahr laufen über den Börsenbetreiber SIX Wertpapiergeschäfte mit einem Volumen von rund 1300 Milliarden Franken. 60 bis 80 Prozent kommen von Wertpapierhändlern aus der EU.
Die Börse erfüllt die Regeln der EU. Könnte die Schweiz daher die Anerkennung einklagen?
Die Schweiz könnte die Welthandelsorganisation (WTO) anrufen. Das sei auch geprüft, aber auch wieder verworfen worden. «Ich selber halte solch eine Klage vor der WTO auch für keine gute Idee, denn solch ein Prozess würde Jahre dauern und uns nicht helfen», so Börsenchef Dijsselhof.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch