Verregneter SommerFünf unvergessliche Erinnerungen an Regentage
Feucht, aber dennoch fröhlich: Redaktorinnen und Redaktoren berichten von ihren ins Wasser gefallenen Sommererlebnissen.
Grenadierwetter im Tessin
Im Familienkalender war das Datum – ein Freitag im Juli 2009 – seit Wochen dick eingetragen: Ein Ausflug ins Tessin, nach Isone, stand auf dem Programm. Dort absolvierte der ältere Bruder gerade die Grenadier-Rekrutenschule. An besagtem Datum lud die Armee die Angehörigen zum Besuchstag. Das lässt man sich freilich nicht entgehen. So reiste die Familie gen Süden, in freudiger Erwartung eines actionreichen Tages in der Sonnenstube der Schweiz.
Doch zu Hause geblieben ist ausgerechnet sie: die Sonne. Stattdessen Regenwetter pur über dem gebirgigen Waffenplatz. Auf dem tief getränkten Rasen vor der Kaserne begrüsste der Schulkommandant die Besucherschar, die sich unter Regenschirmen und Pelerinen zu verschanzen versuchte. Während der Wasserpegel in den eigenen Schuhen kontinuierlich anstieg, referierte der Oberst über die harte Grenadier-Ausbildung, mit militärischem Grundton und in drei Landessprachen zugleich. Verstanden haben wir trotzdem kaum etwas, zu laut prasselte der Regen hernieder.
Aber gekommen war man ja ohnehin wegen der Darbietungen, die danach folgten. Und so schossen und kämpften die jungen Mannen bei echtem Grenadierwetter gegen einen unechten Feind – stets mit Erfolg. Den Grenadieren gefiels, dem Publikum auch. Bemitleidenswert war nur das arme Grüppchen der Militärmusikanten, die im strömenden Regen ihr Repertoire aus den Trompeten blubberten. Für mich selber war der Ausflug hingegen ein netter Vorgeschmack. Denn im Folgejahr erlebte ich in meiner eigenen RS-Zeit an selber Stätte noch einige verschiffte Tage – und Nächte. Markus Hausmann
Natur pur im Muotatal
Muotatal. Das tönt nach völliger Abgeschiedenheit und Abenteuerfeeling. So war es denn auch. Natur pur. Doch was nützt die unberührteste Naturschönheit, wenn sich zu der selbst gewählten Einsiedelei im Wald eine witterungsmässige Endzeitstimmung gesellt, wie das bei diesem traditionellen Pfadi-Sommerlager Mitte der 1970er-Jahre der Fall war. Ein solches Lagerleben stellt ja eigentlich den unbestrittenen Höhepunkt im Kalenderjahr jedes jugendlichen Pfadfinders dar. Das Datum hatten wir uns deshalb schon lange zuvor dick angestrichen. Doch in diesem Jahr war alles anders.
14 Tage lang regnete es durch, alles versank im Sumpf, mit einer einzigen Ausnahme. Ausgerechnet am Sporttag, einer ebenso verhassten wie nur schwer zu umgehenden Pflichtübung, verzogen sich die Wolken, und es lachte die Sonne. Wir schwitzten beim Ausdauerlauf um die Wette und sehnten uns ein paar Wolken herbei. Die kamen dann auch, allerdings erst am nächsten Tag, in Form von dunklen Regenwolken, die uns wieder bis zum Ende des Lagers treue Begleiter waren.
Und pünktlich am Tag des Aufbruchs, als wir die nassen Sachen und Zelte notdürftig zusammenpackten, zeigte sich uns der Flecken von seiner schönsten Seite. Als wollte er uns zum Abschied noch einmal zuwinken und sagen: Seht her, das habt ihr alles verpasst. Thomas Schär
Tollhaus in Seelisberg
«Es regnet schon, seit wir hier sind, und hört auch nicht mehr auf. Wir fahren nach Hause!» Diese beiden Sätze meiner Mutter haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Sie kamen für mich – ich muss damals etwa zehn Jahre alt gewesen sein – sprichwörtlich aus heiterem Himmel. Dass es dauerregnete, war mir nämlich nicht bewusst. Es war mir nicht langweilig, und ich war auch nicht traurig, dass wir nicht wandern konnten.
Ich vermute aber, dass uns Kindern der mitgebrachte Lesestoff ausgegangen und die Spiele verleidet waren und wir durch die Ferienwohnung im abgelegenen und damals sicher sehr verschlafenen Seelisberg tollten und lärmten, sodass an Erholung für die Eltern nicht mehr zu denken war. Wohlweislich habe ich mich viele Jahre später, als ich mit eigenen Kindern in die Ferien fuhr, im Vorfeld schon gut über mögliche Schlechtwetteraktivitäten informiert. Daniela Haag
Die letzte Lektion
Es hätte der Höhepunkt unserer schulischen Laufbahn werden sollen, das Sahnehäubchen auf den unzähligen Schulstunden, gefüllt mit lateinischen Ablativen, Integralrechnungen und gelben Reclam-Heftchen. Mit diesem Gedanken machte sich mein Jahrgang – wegen Corona zwar in aufgesplitteter Form, dafür aber ohne vorher absolvierte Maturprüfungen – auf den Weg zur Abschlussfeier in die Kirche St. Peter.
Nur noch einige lang gezogene Reden trennten uns von der langersehnten Freiheit, dem Abschluss eines Lebenskapitels. Endlich. «Danach treffen wir uns am See», war der Konsens unter der Schülerschaft. Nur noch kurz nach Hause mit der Familie anstossen und dann: Freiheit.
Doch anstatt Freiheit kam Sintflut. Als wir die Kirche verliessen, wurden wir förmlich vom Regen nach Hause gepeitscht, die geschmiedeten Abendpläne fielen natürlich ins Wasser. Es schien wie eingefädelt von unserer altehrwürdigen Schule, die, für ihre Disziplin bekannt, wohl nicht gerade begeistert gewesen sein dürfte vom Ausfall der Abschlussprüfungen. Gut möglich, dass mein ehemaliger Lateinlehrer damals hinter vorgehaltener Hand den Lehrerkollegen zuraunte: «Ultima schola: Ohne Fleiss kein Preis.» Lea Huber
Eine tropische Wand aus Wasser
Bei Mexiko denkt man an sengende Hitze über einer wüstenartigen Landschaft, in der nur ein paar Kakteen wachsen. Doch in dem mittelamerikanischen Land kann es auch sehr feucht werden: Diese Erfahrung machte ich vor ziemlich genau zehn Jahren, als ich mit meiner Familie drei Wochen dort verbrachte. Dabei machten wir auch einen Ausflug in ein Naturreservat im Dschungel ganz im Süden des Landes.
Und dort begann ich zu verstehen, warum der Regenwald Regenwald heisst. Am Morgen nach der Ankunft wurden wir nämlich von einem Rauschen geweckt. Es war, als würde Petrus eine gigantische Badewanne ausleeren: Eine Wand aus Wasser strömte gen Boden. Ich gebe es zu: Statt mit dem Boot auf Pirschfahrt zu gehen, verkroch ich mich mit einem Buch in der Lodge – mit dem Rauschen des Regens als Hintergrundgeräusch verbrachte ich so einen gemütlichen Tag.
Der Rest meiner Familie liess sich nicht vom Trip in den Dschungel abhalten, wo sie unter anderem Krokodile unter ihren Pelerinen erspähten. Beweisfotos gibt es davon allerdings nicht: Denn dass ihre Kameras einen Wasserschaden erleiden, wollten die Wagemutigen nicht riskieren. Philippa Schmidt
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