Pekings Papier zum Ukraine-KriegChinas «Friedensplan» schiesst am Ziel vorbei
Peking fordert in einem Positionspapier einen Waffenstillstand in der Ukraine und einen Dialog. Während sich China offiziell für Frieden einsetzt, stützt es weiterhin Russland.
Bei der Abstimmung über eine Resolution zu einem gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine hat sich China am Donnerstag enthalten. Nun liegt ein eigenes Positionspapier zur politischen Lösung des Ukraine-Kriegs vor, das das chinesische Aussenministerium veröffentlicht hat. Zwölf Forderungen beinhaltet das Dokument, das zu einem grossen Teil Chinas altbekannte und oft widersprüchliche Positionen wiederholt.
«Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muss wirksam aufrechterhalten werden», heisst es im ersten Punkt, ein Grundsatz chinesischer Aussenpolitik. Gleichzeitig fordert Peking darin aber auch, dass die «legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder» ernst genommen werden müssen. Es ist eine Formulierung, die China verwendet, um die Argumentation Russlands zu unterstützen, man müsse sich gegen die USA und die Nato verteidigen. (Lesen Sie dazu auch die Analyse «Viele mögliche Vermittler – nur keiner ist neutral».)
«Das Positionspapier spiegelt Chinas Sicht auf die Sache wider, aber die kannten wir bereits.»
Wer sich rund um den Jahrestag unter westlichen Diplomaten und ausländischen Geschäftsleuten umhört, bekommt einen Eindruck vom grossen Ärger über Pekings Umgang mit dem Krieg in den vergangenen zwölf Monaten. «Das Positionspapier spiegelt Chinas Sicht auf die Sache wider, aber die kannten wir bereits», sagte EU-Botschafter Jorge Toledo an einer Medienkonferenz mit der Vertreterin der Ukraine in China, Zhanna Leshchynska. «In dem Papier ist keine Rede von einem Aggressor, was seltsam ist. Denn es ist klar, dass es einen militärischen Angriff gab, illegal und grundlos», sagte Toledo. Das sei besorgniserregend.
Die ukrainische Botschafterin Leshchynska erinnerte daran, dass es bereits einen Friedensplan gebe: die sogenannte «Friedensformel» der Ukraine, die unter anderem den vollständigen Abzug Russlands aus der Ukraine vorsieht. Gleichzeitig habe Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zwar mehrfach mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert, ein Telefonat mit Wolodimir Selenski stehe aber immer noch aus. Dabei habe die Ukraine häufig danach gefragt.
China macht USA und Nato für Krieg verantwortlich
Auch wenn sich das Land neutral gibt, hat Peking den Angriffskrieg auf die Ukraine nie verurteilt. Im Gegenteil, die Staatsmedien greifen immer wieder russische Staatspropaganda auf, übernehmen sie Wort für Wort. Das chinesische Aussenministerium beschuldigt die USA, die Nato und ihre Mitgliedsstaaten, den Krieg ausgelöst zu haben.
Noch bevor Peking in dem Zwölf-Punkte-Plan auf die humanitäre Krise eingeht, die sich in der Ukraine abspielt, fordert Chinas Führung gleich an Stelle zwei, die «Mentalität des Kalten Kriegs» zu beenden. Die Sicherheit eines Landes sollte nicht auf Kosten anderer gehen. Blockkonfrontation müsse vermieden werden, heisst es. Ein Vorwurf, den Peking immer wieder gegen die USA erhebt.
Laut chinesischer Lesart sind es die USA, die nicht nur in Europa, sondern auch in Asien Allianzen schmieden, die Pekings Sicherheit gefährden. Ohne die Nato oder die USA direkt zu nennen, argumentiert Peking in dem Papier, die Sicherheit einer Region sollte nicht durch die Stärkung oder Ausweitung militärischer Blöcke erreicht werden. (Hören Sie zum Thema den Podcast-Beitrag «USA und China: Bleibt dieser neue kalte Krieg kalt?»)
Auch an Moskau richtet China eine Warnung: «Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt werden.»
Indirekt übt China auch Kritik an den Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine. «Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine dabei unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und letztendlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen.» Konflikt und Krieg dienten niemandem, heisst es in dem Papier. «Alle Parteien müssen rational bleiben, Zurückhaltung üben und vermeiden, die Flammen anzufachen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder sogar ausser Kontrolle gerät.»
Aber auch an Moskau richtet China eine Warnung: «Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt werden, und Atomkriege dürfen nicht ausgefochten werden.» Auch die Drohung mit dem Einsatz von nuklearen Waffen ebenso wie bewaffnete Angriffe auf Atomkraftwerke oder andere zivile Nukleareinrichtungen seien abzulehnen. Alle Parteien sollten zudem die Getreidelieferungen aus der Ukraine ermöglichen und die Vereinten Nationen dabei unterstützen, eine wichtige Rolle dabei einzunehmen.
Entschieden fordert China auch ein Ende der Sanktionen gegen Russland, «die nur neue Probleme schaffen». «China lehnt einseitige Sanktionen ab, die nicht vom UNO-Sicherheitsrat autorisiert sind.» In dem höchsten UNO-Gremium sitzen allerdings China und Russland selbst als Vetomächte.
Chinas Papier richtet sich an den globalen Süden
Das Positionspapier wird auch als ein Versuch Pekings gesehen, sich die Unterstützung des globalen Südens zu sichern. Dort wollen viele Menschen mit Blick auf die Preisexplosion bei Energie und Nahrungsmitteln im vergangenen Jahr einfach eine schnelle Lösung für den Krieg, auch wenn sie auf Kosten der Ukraine ginge.
Sich in offiziellen Statements für den Frieden einsetzen, während man in Wirklichkeit Russland weiter den Rücken stärkt: So beschreiben viele Diplomaten Chinas Haltung. Ein Vorfall in der kanadischen Botschaft wenige Wochen nach Kriegsbeginn eignet sich dazu, dies zu veranschaulichen: Die Vertretung hatte ein grosses Schild an ihrer Aussenmauer angebracht, darauf die ukrainische Flagge und die Botschaft: «Wir unterstützen die Ukraine.»
Das Plakat hing an einer stark befahrenen Strasse, an jeder Ecke ein Polizeihäuschen und Kameras, die das Ausländerviertel überwachen. Es dauerte nicht lange, bis ein Unbekannter mit roter Farbe ein «Fuck Nato» auf das Schild der Kanadier sprühte. Vor der Botschaft war ein Auto mit einem grossen weissen Z geparkt: das Symbol für die Unterstützung der russischen Regierung und Armee. Trotz der Überwachungsmassnahmen will niemand den Täter gesehen haben.
Inzwischen hängen an fast allen westlichen Botschaften grosse Flaggen der Ukraine. Ein Protest gegen Russlands Angriffskrieg, aber auch gegen Chinas offensichtliche Rückendeckung für den Nachbarn. So lässt sich das verstehen.
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