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Vorstoss für Frieden in der Ukraine
Keir Starmer wird zum Vermittler zwischen Selenski und Trump

Der britische Premierminister Kier Starmer begrüsst den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor einem Treffen vor der Downing Street 10 in London am 1. März 2025.
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In Kürze:
  • In London erhielt Wolodimir Selenski breite Unterstützung von europäischen Regierungschefs.
  • Ein Friedensplan von Frankreich und Grossbritannien unter Beteiligung der Ukraine ist in Vorbereitung.
  • Mark Rutte fordert von Selenski eine Entschuldigung beim US-Präsidenten.
  • Die baltischen Staaten waren enttäuscht, weil sie nicht zur Konferenz eingeladen waren.

In London nahm niemand Anstoss an Wolodimir Selenskis Kleidung. Auch Undankbarkeit warf dem ukrainischen Präsidenten niemand vor. Statt alle weitere Unterstützung für die Ukraine infrage zu stellen, versicherte die von Premierminister Sir Keir Starmer für Sonntag in die britische Hauptstadt eingeladene Versammlung europäischer Repräsentanten Selenski, dass sein Land mit noch mehr Hilfe als bisher aus dem Rest Europas rechnen könne. «Und zwar solange es nötig ist», sagte Starmer.

Schon zu Beginn der Sicherheitskonferenz, die die britische Regierung im alten Palast Lancaster House ausrichtete, liess man dem Ukrainer, der zwei Tage zuvor vom US-Präsidenten noch vor die Tür gesetzt worden war, eine äusserst freundschaftliche Aufnahme zuteilwerden. Zugleich hielt sich König Charles III. auf seinem Wochenendsitz Schloss Sandringham zu einem speziellen Empfang Selenskis bereit.

Der Kontrast zu den Szenen im Oval Office war gewollt

Dabei stritten die britischen Gastgeber nachdrücklich ab, dass die Veranstaltung in London eine Distanzierung vom US-Präsidenten, eine Missbilligung seiner Politik bedeuten könnte. Auch am Sonntag enthielt sich Starmer aller Kritik an Donald Trump. Andererseits hatte er den verfrüht aus Washington angereisten Selenski schon am Samstag auf ungewöhnlich herzliche Weise willkommen geheissen in seiner Regierungszentrale, in Downing Street.

Der sonst eher zurückhaltende Brite war Selenski bei dessen Ankunft in der Strasse sogar entgegengekommen und hatte ihn spontan umarmt, bevor er ihn zur berühmten schwarzen Tür mit der No. 10 führte. Der Kontrast zu den Szenen vom Freitag im Oval Office war augenfällig – und von britischer Seite offensichtlich gewollt.

Britischer Premierminister Sir Keir Starmer begrüsst den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor der Downing Street 10 in London, 1. März 2025.

Ein gewisses Risiko ging Sir Keir natürlich ein. Bei seinem eigenen Besuch im Weissen Haus von voriger Woche hatte er die «besondere Beziehung» zwischen London und Washington beschworen und den unberechenbaren US-Präsidenten mit allen Mitteln freundlich zu stimmen versucht.

Einen Höhepunkt jenes Treffens bildete die Einladung an Trump zu einem «historisch beispiellosen» zweiten Staatsbesuch in Grossbritannien. Dass der britische Monarch, dessen Einladungsschreiben Starmer überbracht hatte, nun drei Tage später ausgerechnet den in Washington in Ungnade gefallenen Selenski bei sich empfangen würde, konnte Trump kaum lustig finden. Ganz abgesehen von der demonstrativen Solidaritätsbekundung einer ganzen Versammlung von Regierungschefs für Selenski in Lancaster House.

Man wollte Trump auch entgegenkommen

Dabei hatte Starmer mit seiner informellen Sicherheitskonferenz ursprünglich durchaus positive Signale an die USA senden wollen. Die Veranstaltung sollte eine Reaktion auf Trumps mehrfache Forderungen nach vermehrter Übernahme militärischer Verantwortung durch die Europäer für die Sicherheit Europas sein.

In diesem Zusammenhang verlangte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von den Mitgliedsstaaten der Union bei der Zusammenkunft in London eine «massive» Steigerung der Militärausgaben. «Wir müssen Europa dringend neu aufrüsten», sagte sie.

Starmer selbst hatte vor wenigen Tagen noch eine Erhöhung der britischen Verteidigungsausgaben von 2,3 Prozent auf 2,5 Prozent des Nationaleinkommens angekündigt. Sein Londoner Treffen, das an Emmanuel Macrons Konferenz von Mitte Februar in Paris anknüpfte, sollte sich mit der Frage der Finanzierung und der Organisation dieser Mehrausgaben beschäftigen und mit militärischer Zusammenarbeit in Europa generell.

Ausser Macron hatte Starmer rund ein Dutzend europäischer Kollegen – darunter die Regierungschefs Deutschlands, Italiens, Spaniens, Polens und der skandinavischen Staaten – eingeladen sowie Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Auch Vertreter der Türkei und Kanadas nahmen an der Sitzung teil.

Die Balten blieben aussen vor

Bitter beklagten sich nur die baltischen Staaten darüber, dass sie keine Einladungen erhalten hatten – wo sie doch pro Kopf mehr in militärische Ausgaben stecken als die meisten ihrer kontinentalen Partner. Kurz vor Tagungsbeginn sah sich Starmer noch zu einer Telefonkonferenz mit diesen drei Regierungen gezwungen. Natürlich seien sie «ganz wichtige Partner», entschuldigte er sich für den Fauxpas.

Mit den jüngsten Turbulenzen, die die unerwarteten Telefonate des US-Präsidenten mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Trumps feindselige Worte gegenüber Selenski ausgelöst hatten, hatte sich freilich der Charakter der von Starmer einberufenen Sicherheitskonferenz grundlegend verändert. Weder Starmer noch Macron war es ja bei Besuchen im Weissen Haus vorige Woche gelungen, Trump für US-Sicherheitsgarantien für die Zeit nach einem erhofften Waffenstillstand in der Ukraine zu gewinnen.

An solchen Garantien aber hängt für London und Paris die Entsendung eigener Friedenstruppen. Ohne die USA glaubt man einer eventuellen neuen Aggression Russlands nicht gewachsen zu sein. Als es dann zum grossen Eklat kam bei Selenskis Oval-Office-Visite und sich abzeichnete, dass Washington gar erwog, alle Hilfe für Kiew einzustellen, schrillten auch in Downing Street alle Alarmglocken. Nicht nur die Ukraine, das ganze westliche Bündnis sah man in London – wie anderswo in Europa – plötzlich in Gefahr.

Ein oder zwei andere Staaten sollen beim Friedensplan mitmachen

Starmer selbst bekräftigte am Sonntag erneut, dass er in dieser «unguten» Lage mit allen Mitteln «eine Brücke» von Europa nach Amerika schlagen wolle. Der Konferenz enthüllte er, dass er und Macron zusammen mit Selenski einen eigenen Friedensplan entwickeln wollten, parallel zu den laufenden Verhandlungen zwischen Moskau und Washington.

«Wir haben jetzt vereinbart, dass das Vereinigte Königreich, zusammen mit Frankreich und vielleicht ein oder zwei anderen Staaten, an einem gemeinsamen Plan mit der Ukraine zur Beendigung der Kämpfe arbeiten wird und dass wir diesen Plan dann mit den Vereinigten Staaten diskutieren», sagte Starmer.

Von den Verhandlungen solle «niemand ausgeschlossen» werden. Eine «Koalition der Willigen» sei gefragt. Aber Eile sei in der gegenwärtigen Situation nötig. Starmer machte zugleich klar, dass er seit Freitag bereits mehrfach mit Trump und natürlich auch mit Macron telefoniert habe. Mit Selenski hatte er den Plan offenbar am Samstag in Downing Street abgestimmt.

Eine starke Ukraine ist Mindestbedingung

Ein Plan für dauerhaften Frieden müsse drei Teile enthalten, meinte der britische Premier. Die Ukraine müsse sich in einer Position der Stärke befinden. Ein europäisches Element für Sicherheitsgarantien müsse ausgehandelt werden. Und man brauche einen US-Backstop, in Form amerikanischer Kommunikation, Logistik und Bereitschaft zum Einsatz aus der Luft.

Der britische Premierminister Keir Starmer und die italienische Premierministerin Giorgia Meloni schütteln sich die Hände bei einem Treffen in der Downing Street in London vor einem Gipfel europäischer Führungskräfte am 2. März 2025.

Ob das gelingen kann, darüber war man sich auf der Londoner Konferenz freilich nicht sicher. Viel spekuliert wurde darüber, ob Trump sich überhaupt einlassen werde auf eine erneute Verständigung mit Kiew. Nato-Generalsekretär Rutte bestand darauf, dass sich Selenski beim US-Präsidenten «entschuldigen» müsse. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni hielt es «für ganz, ganz wichtig, das Risiko einer Spaltung des Westens zu vermeiden» in dieser brisanten Situation.

Ohne die USA geht es nicht

Polens Regierungschef Donald Tusk befand, dass bei gleichzeitiger Stärkung der Ostfront der Nato ein rasch angesetzter Gipfel zwischen der EU und den USA sinnvoll wäre. Polen stehe «ohne Wenn und Aber auf der Seite der Ukraine». Dennoch müsse sich Europa um «das engstmögliche Bündnis» mit den USA bemühen. Der tschechische Premier Petr Fiala forderte, eingefrorene russische Vermögen im Westen zu benutzen für Militärhilfe an die Ukraine.

Bewusst war den Teilnehmern, dass sie an diesem Tag Einigkeit demonstrieren mussten – und Entschlossenheit beim Rückhalt für die Ukraine. Überrascht waren viele Briten darüber, wie es ihrem bislang eher zurückhaltenden Regierungschef gelungen war, sich und damit London in eine führende Rolle bei dieser Krise zu manövrieren.

Starmer signalisierte, dass sich auch andere Staaten bereit erklärt hätten, Friedenstruppen bereit zu stellen. Auch er betonte, dass es einen «starken US-Rückhalt» für einen dauerhaften Frieden in der Ukraine brauche. Seine letzten Telefon-Kontakte mit Donald Trump hätten ihn optimistisch gestimmt, meinte er vorsichtig.