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«Freundschafts-Bänkli» für Zürich
Beratungsgespräch auf der Parkbank statt bei der Therapeutin auf dem Sofa

Kleiner Platz zwischen Hönggerstrasse / Im Sydefädeli.

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12.08.2008
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Anna fühlt sich seit einigen Stunden wieder einmal leer, möchte nur im Bett liegen, nichts tun. Sie spürt: Die dunkle Phase, gegen die sie kein Mittel kennt, beherrscht wieder einmal ihren Alltag. Um einen Termin bei einer psychologischen Fachperson hat sie sich bisher vergeblich bemüht. Sie steht überall auf der Warteliste. Doch nur schon ein beratendes Gespräch würde Anna, wie wir unsere fiktive Person hier nennen, helfen.

Das könnte Anna in Zürich bald erhalten – und zwar mitten im öffentlichen Raum auf sogenannten Freundschafts-Bänkli. Wer sich auf eine entsprechend markierte Parkbank im Quartier setzt, würde von einer Person, die in therapeutischen Gesprächen geschult ist, beraten.

Diese Idee haben David Garcia Nuñez und Tanja Maag Sturzenegger, die beide für die AL im Gemeinderat sitzen, nun als Postulat eingereicht. Mit diesem kostengünstigen Angebot wollen sie Betroffenen einen niederschwelligen Zugang zur psychiatrisch-psychologischen Versorgung ermöglichen.

Zusatzventil für hohe Nachfrage

Garcia Nuñez hatte bereits vor längerem vom Projekt «Freundschafts-Bänkli» in Zimbabwe gehört. Als er im Sommer im Appenzellerland ein knallgelbes «Wie gehts dir?»-Bänkli sah, beschloss er, die Idee politisch zu verfolgen. Diese von der Gesundheitsförderung Schweiz finanzierten Bänkli existieren in zehn Kantonen. Sie laden ebenfalls dazu ein, «über das Wohlbefinden zu reden». Eine beratende Person ist aber nicht involviert, Hilfe finden Betroffene einzig in der Literaturbox hinter der Rückenlehne.

Für Garcia Nuñez wäre aber gerade das zwischenmenschliche Gespräch essenziell. Das weiss der Psychiater aus seiner Zeit im psychiatrischen Notfalldienst am Universitätsspital Zürich. «Hat jemand Liebeskummer und fühlt sich einsam, braucht es nicht zwingend eine Fachperson, sondern einfach jemanden, die oder der zuhört», sagt er. Es gelte, einfache Probleme nicht zu psychiatrisieren, sondern mit dem Angebot ein Zusatzventil für die hohe Nachfrage zu bieten. Auf der anderen Seite könnte gerade ein solches Gespräch für Personen wie Anna eine Einstiegshilfe sein, nach ein, zwei Beratungen sich ernsthaft um eine fachkundige psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfe zu bemühen.

Peers sollen beraten

Die Beratung könnten aus Sicht von Garcia Nuñez sogenannte Peers übernehmen, also Personen, die ein ähnliches Schicksal bereits durchlebt haben und so mit ihrer Erfahrung als geschulte Laienhelferinnen und -helfer beraten können.

Als Standorte kommen für Garcia Nuñez bestehende Parkbänke infrage, die aber nicht allzu stark exponiert sind. Auch wenn heute offener über psychische Probleme gesprochen werde, wolle man in Notsituationen nicht allzu ausgestellt sein. Er könnte sich auch vorstellen, dass einzelne Bänke in der Nähe von bestehenden psychiatrischen Institutionen eingerichtet werden.

Grossmütter als Beraterinnen

Die Idee der «Freundschafts-Bänkli» stammt ursprünglich aus Zimbabwe. Im 13-Millionen-Land gibt es lediglich ein Dutzend Psychiater, der Bedarf an psychologischer Hilfe ist aber immens. Und so kam der Psychiatrieprofessor Dixon Chibanda in den 2000er-Jahren auf die Idee, Grossmütter für eine niederschwellige psychologische Beratung einzuspannen und als Gesprächstherapeutinnen auszubilden, die auf Parkbänken kostenlos Beratungen machen. Grossmütter sind in den Dörfern Zimbabwes als weise Autoritätspersonen hoch angesehen.

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Erste wissenschaftliche Auswertungen des Projekts zeigten, dass sich die psychische Gesundheit bei den Patienten durch diese niederschwellige Intervention signifikant verbessert hatte. Ende 2019 waren im Rahmen des Projekts 240 von ihnen an 70 Standorten in Zimbabwe tätig. Seit 2000 arbeitet die Organisation auch mit der WHO zusammen.

Zahlreiche andere Länder haben die Idee der «Freundschaftsbänke» kopiert und weiterentwickelt. So haben etwa Schulen in den USA, im Libanon, in Südafrika, Frankreich und Belgien solche im Kampf gegen Ausgrenzung eingerichtet. Schülerinnen und Schüler, die in Schulen gemobbt werden, können sich auf die Bank setzen und signalisieren so, dass sie einen Freund oder eine Freundin an ihrer Seite brauchen.