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Hochseeflotte-Prozess
Freispruch für Schweizer Reeder gefordert

Der Verteidiger des Berner Reeders beteuert dessen Unschuld: Anwälte gehen in das Amthaus in Bern, am Montag, 22. Juni 2020.
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Im Prozess um mutmasslichen Betrug rund um die Schweizer Hochseeflotte hat der Verteidiger des angeklagten Reeders einen Freispruch in sämtlichen Anklagepunkten gefordert. Alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen den Reeder seien unbegründet.

Ausgelöst worden seien die Schwierigkeiten in der Reederei des 66-jährigen Berners durch einen missglückten Handel mit einem unredlichen Käufer und durch die weltweite Wirtschaftskrise im Jahr 2008. Das sagte Verteidiger Raffael Ramel am Freitag in seinem mehrstündigen Plädoyer vor dem Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern.

«Leider» sei es in den Jahren nach 2008 nicht gelungen, das Unternehmen zu retten, sagte Ramel weiter. Die Banken und das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) seien stets im Bild gewesen über die Vorgänge innerhalb der Reederei. Eine Bereicherungsabsicht des Reeders habe es nicht gegeben, nur Bemühungen zur steuerlichen Optimierung innerhalb des umfangreichen Firmengeflechts.

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte des Kantons Bern sei unvollständig, ungenügend und einseitig auf den Reeder ausgerichtet. Weitere in den Fall verwickelte Personen seien unbehelligt geblieben.

Fälle verjährt

Simulierte Schiffskaufverträge mit dem Ziel, das BWL über den echten Verkaufspreis zu täuschen, habe es nie gegeben. Die in diesem Zusammenhang gemachten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien ohnehin nicht nur in zwei Fällen, sondern in allen vier Fällen verjährt.

Auch sei es zu keinen Täuschungen des Bunds anhand von angeblich falschen Geschäftsberichten gekommen, ebenso wenig zu Versuchen, mit falschen Angaben über die Eigenkapitalbasis der einzelnen Schiffsgesellschaften in den Genuss von Bundesbürgschaften zu kommen.

Dem Reeder und seiner Frau seien beschlagnahmte Vermögenswerte wieder auszuhändigen. Weiter habe das Gericht dem Angeklagten Entschädigungen und Genugtuungen für Untersuchungshaft, das ungerechtfertigte Strafverfahren und Vorverurteilungen in den Medien zuzusprechen.

Staatsanwalt will 7,5 Jahre

Am Donnerstag hatte der Berner Staatsanwalt Roman Sigrist eine unbedingte Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren beantragt. Er forderte auch eine bedingte Geldstrafe von 54'000 Franken. Zudem sei der Mann zur Zahlung einer sogenannten Ersatzforderung an den Staat in Höhe von 11,7 Millionen Franken zu verurteilen.

Sigrist erachtet mehrere Straftatbestände als erfüllt, unter anderem Betrug im Sinn des Strafgesetzbuchs, Leistungsbetrug im Sinn des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Landesversorgung, Urkundenfälschung und ungetreue Geschäftsführung.

Begonnen hatte der Prozess am 22. Juni mit der Einvernahme von weiteren in den Fall verwickelten Personen, beispielsweise des Steuerberaters des Reeders und eines ehemaligen BWL-Kadermanns. Das Urteil will das Berner Gericht am 9. Juli bekanntgeben.

Der Bund büsste wegen der Bürgschaften, mit denen die Schiffe dieser Reederei gesichert waren, 204 Millionen Franken ein. Die Banken als Kreditgeber der Schiffe zogen die Bürgschaften, als die Reederei respektive die zu ihr gehörenden Schiffsgesellschaften ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte. Der Angeklagte war Alleinaktionär der Reederei.

Solidarbürgschaften – «ein Blankoscheck»

In einem Bericht von 2019 schreibt die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte, dass der Bundesrat 1992 das Instrument der Solidarbürgschaften eingeführt habe, sei die Ursache des heutigen Schadens. Solidarbürgschaften zu vergeben, komme dem Ausstellen eines Blankoschecks gleich.

Der Bund gebe sämtliche Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand. Für die Kredit gebenden Banken handle es sich um ein äusserst risikoarmes Geschäft.

Im Unterschied zu normalen Bürgschaften genüge bei Solidarbürgschaften eine offenkundige Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers gegenüber den Banken, damit diese die Bürgschaft beanspruchen könnten. Bei normalen Bürgschaften brauche es einen Konkurs oder eine Nachlassstundung.

Die Finanzdelegation empfahl deshalb dem Bund 2019, dieses Instrument nicht mehr einzusetzen.

SDA