Ausschreitungen an Corona-ProtestenFreiheitstrychler demonstrieren in Brüssel, danach gibt es Krawalle
230 Festnahmen, Tränengas und Schweizer Teilnehmer: Warum der Corona-Protest in Belgiens Hauptstadt Zulauf aus ganz Europa fand - und in Gewalt mündete.
Eine «Mannschaft aus einer Million Menschen» hätte es werden sollen in Brüssel. So gesehen war die von Szenen der Gewalt geprägte Grosssdemonstration gegen die Corona-Auflagen am Sonntag mit ihren mindestens 50’000 Teilnehmern ein glatter Misserfolg.
Allerdings war der Slogan der Veranstalter auch gedacht als Veralberung des belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo. Der hatte zu Beginn der Pandemie gefordert, «eine Mannschaft aus elf Millionen» - alle Belgierinnen, alle Belgier - solle gemeinsam gegen das Virus kämpfen. Das ist ein frommer Wunsch geblieben. Die Corona-Politik hat wie in vielen anderen europäischen Ländern einen Riss durch die Gesellschaft getrieben.
An mehreren Sonntagen zuvor hatten bereits Tausende Menschen in Brüssel gegen die Regierung demonstriert. Die auch in Belgien geführte Debatte über eine Impfpflicht hat der Szene noch einmal Auftrieb gegeben, ausserdem wurden diesmal Unterstützer in ganz Europa mobilisiert. Fahnen aus der Schweiz, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Rumänien, Polen, sogar aus den USA waren bei dem Aufmarsch zu erkennen, der auch durch das Europaviertel führte.

Mittendrin im Demonstrationsumzug: Rund 30 Mitglieder der Schweizer Freiheitstrychler. Auf Videos und Bildern ist zu sehen, wie sie durch Brüssel marschieren und ihre Trycheln schwenken. Einer der bekannteren Köpfe der Gruppe, teilte auf seinem Telegram-Kanal später auch als Beobachter Videos von den Ausschreitungen.
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Polizisten mussten sich verschanzen
Diese begannen offenbar kurz vor dem Ende des Marsches, als einige radikale Demonstranten die Polizei mit Pflastersteinen und Feuerwerkskörpern bewarfen. Die Polizisten, teilweise überrollt von der Gewalt, setzten Tränengas und Wasserwerfer ein. Zwischenzeitlich sahen sie sich gezwungen, in einer U-Bahnstation Schutz zu suchen.
In 228 Fällen seien wegen der «Störung der öffentlichen Ordnung» die Personalien von Demonstranten aufgenommen worden, teilte die Polizei am Montag mit. Elf weitere Menschen seien wegen «Waffenbesitzes, Widerstands gegen die Ordnungskräfte und/oder Beschädigungen» in Polizeigewahrsam genommen worden.
Unter diesen elf befanden sich sechs Belgier, drei Franzosen, ein Niederländer und ein Afghane. Drei Polizisten und zwölf Demonstrierende wurden ins Krankenhaus gebracht. Belgiens Regierungschef Alexander De Croo verurteilte die Ausschreitungen. «Jeder ist frei, seine Meinung auszudrücken», sagte er. «Aber unsere Gesellschaft wird niemals blinde Gewalt tolerieren.»

Verschwörungsgläubige aus ganz Europa
Als offizieller Veranstalter der Demonstration trat eine Gruppe namens «European United» auf, die offenbar seit März 2021 besteht. Als deren «Präsident» gab sich Tom Meert zu erkennen, ein Informatiker aus der flämischen Stadt Löwen. Gegenüber der Tageszeitung «Le Soir» sagte er, bis zur Pandemie sei er ein gänzlich unpolitischer Mensch gewesen.
Nun nimmt er für sich in Anspruch, mit seiner Gruppe eine öffentliche Debatte in Gang zu setzen und die freiheitliche Demokratie zu verteidigen gegen eine Politik, die zu «totalitären Werkzeugen» greife. Die Organisation «World Wide Demonstration» sowie mehrere Hundert lokale Gruppen Gleichgesinnter in ganz Europa stünden an ihrer Seite, sagte er.

Die Aufrufe zu der Demonstration wurden im Wesentlichen über den Messengerdienst Telegram verbreitet. Geworben wurde auch mit einer «Gästeliste», auf der Protagonisten aus der Szene der europäischen Verschwörungsgläubigen zu finden waren. Die meisten ausländischen Redner waren laut Berichten belgischer Medien mit der Organisation «Children's Health Defense Europe» verbunden, einer Aktionsgruppe des radikalen Impfgegners Robert F. Kennedy Jr., der die Corona-Politik in eine Reihe mit den Verbrechen der Nationalsozialisten stellt.
In Belgien war die Zahl der täglichen Neuinfektionen in der vergangenen Woche bei einer Bevölkerung von 11,5 Millionen auf mehr als 60’000 gestiegen. Wegen des meist milderen Verlaufs bei einer Infektion mit der dominierenden Omikron-Variante und der hohen Impfrate ist das belgische Gesundheitssystem jedoch nicht so stark belastet wie während früherer Corona-Wellen.
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red/sz
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