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Papst beim Weltjugendtag in Lissabon
Franziskus verspürt «Müdigkeit» der Kirche

«Diese Reise verjüngt mich»: Papst Franziskus beim Bad in der Menge im Parque Eduardo VII in Lissabon.
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Wenn Papst Franziskus reist, hat er viele Verpflichtungen. Es beginnt damit, dass er aus dem Flugzeug Grussbotschaften an die Staatsoberhäupter der Staaten verschickt, die er überfliegt. Dann wird er von der Spitze des Gastlandes empfangen, wichtige Reden sind zu halten vor der Elite des Landes.

Alles das absolviert Papst Franziskus trotz seines Alters, inzwischen 86-jährig, und seiner angeschlagenen Gesundheit derzeit in Portugal. Am Donnerstagabend nun war der erste der Termine, die Franziskus eigentlich dorthin geführt haben: Der Papst traf im Parque Eduardo VII mitten in der Hauptstadt Lissabon eine halbe Million vor allem junge Menschen aus dem ganzen Land und aus aller Welt.

Anlass ist der Weltjugendtag, den die katholische Kirche alle zwei bis drei Jahre in einem anderen Land ausrichtet. Für die Päpste sind diese mittlerweile einwöchigen Treffen immer eine besondere Freude, seit Johannes Paul II. die Tradition 1984 in Rom begründet hat.

Aufruf zur Überwindung von Resignation und Pessimismus

Fast eine ganze Stunde liess sich der Pontifex im Parque Eduardo VII im Papamobil durch die Menge fahren, aus den Lautsprechern schallte die Nachricht: «Das hier ist die Jugend des Papstes!» Zu sehen und zu hören gab es ein reichhaltiges Programm mit Fahnen, Reden und Musik. Jugendliche trugen das 3,80 Meter lange Weltjugendtagskreuz sowie die Marienikone «Salus Populi Romani» zur Bühne.

«Die Kirche ist eine Kirche für alle»: Papst Franziskus beim Weltjugendtag in Lissabon.

In seiner Ansprache ermutigte der Papst die Jugendlichen, sich gegenseitig an ihren Wert zu erinnern und sich mit ihren Fragen an Jesus zu wenden. «Die Kirche ist eine Kirche für alle», betonte er und forderte die Zuhörerinnen und Zuhörer auf, das Wort «alle» dreimal mit ihm zu wiederholen.

Zuvor schon hatte er die katholische Kirche aufgerufen, Resignation und Pessimismus zu überwinden und ihre Botschaft mit neuem Mut zu verkünden. Vor Priestern, Seminaristen und Seelsorgepersonal hatte Franziskus gesagt, es sei «auf unserem Weg als Kirche» manchmal eine «Müdigkeit» zu verspüren. Dies sei vor allem in Ländern mit alter christlicher Tradition weit verbreitet, die von Säkularismus und Gleichgültigkeit gegenüber Gott geprägt sind.

Über 4800 Kinder von Kirchenleuten sexuell missbraucht

Verstärkt werde dies durch Enttäuschung und Zorn, den manche wegen Skandalen gegenüber der Kirche empfänden. Die Skandale hätten das Gesicht der Kirche entstellt, deshalb müsse sie sich in Demut läutern und dabei vom «Schmerzensschrei der Opfer» ausgehen. Die Seelsorger sollten den Herrn ins Boot der Kirche einsteigen lassen, damit er noch einmal «das Steuer in die Hand nimmt». Franziskus rief die Seelsorger auf, sich ein Beispiel an den Surfern zu nehmen, die am Strand von Nazaré die Atlantikwellen herausfordern. «Fürchten wir uns nicht, uns dem offenen Meer zu stellen!»

Der Hinweis auf die Skandale der Kirche konnte allerdings nicht die Irritationen beseitigen, die bei der Papstreise der Umgang mit dem Missbrauchsthema ausgelöst hat. Auch in Portugal hat es massiven Missbrauch gegeben. Gemäss einem im Februar veröffentlichten Untersuchungsbericht sind zwischen 1950 und 2022 im kirchlichen Kontext mindestens 4815 Kinder sexuell missbraucht worden. Entsprechende Plakate einer Opfergruppe mit 4815 Punkten sind während des Papstbesuchs in Lissabon zu sehen.

Die Gruppe, die die Missbrauchs­opfer vertritt, appelliert an die Kirche, «die ohren­betäubende Stille zu beenden».

Auf ihrer Internetseite «This Is Our Memorial» schreibt die Gruppe, es gehe darum, «die ohrenbetäubende Stille zu beenden». Die Übergriffe fanden vor allem in katholischen Seminaren, Heimen, Schulen oder Sporteinrichtungen statt. Das Durchschnittsalter der Opfer lag bei knapp elf Jahren, in 77 Prozent der Fälle waren Priester die Täter. Eine aussergerichtliche finanzielle Entschädigung der Missbrauchsopfer lehnten die portugiesischen Bischöfe zunächst ab, weil es sich «um individuelle Straftaten» handle.

Während seines Aufenthalts in Lissabon besuchte der Papst auch soziale Einrichtungen. 

Stattdessen wollte man in einem Gottesdienst beim Weltjugendtag an die Opfer erinnern – dieser Gottesdienst wurde dann aber wieder abgesagt, und es kam nur zu einem Treffen des Papstes mit 13 ausgewählten Opfern in der Botschaft des Vatikans in Lissabon.

«Wohin steuert ihr, Europa und der Westen?»

Der Papst hielt auch eine Rede über Europa und die EU, die eine grosse Verantwortung angesichts der Krisen der Welt habe. Er warf den europäischen Politikern vor, dass sie der Welt keinen Friedenskurs vorschlügen und keine kreativen Wege, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Zugleich forderte Franziskus, dass menschliches Leben vor dem Wegwerfen geschützt werden müsse: ungeborene Kinder, Senioren und Migranten. Wörtlich sagte er: «Wohin steuert ihr, Europa und der Westen, mit der Ausgrenzung älterer Menschen, den Mauern mit Stacheldraht, den Massakern auf See und den leeren Wiegen? Wohin steuert ihr, wenn ihr angesichts des Leidens im Leben falsche Heilmittel anbietet wie den einfachen Zugang zum Tod?»

Am Wochenende sind beim Weltjugendtag in Lissabon weitere Grossveranstaltungen mit dem Papst geplant, zur Abschlussmesse am Sonntag werden eine Million Menschen erwartet.