Kabinett rückt nach rechtsFrankreich hat eine neue Regierung – aber für wie lange?
Nach zwei Wochen hat das Warten ein Ende: Frankreichs neuer Premierminister präsentiert sein Kabinett. Wer die Ministerinnen und Minister sind und wie es jetzt weitergeht.
Noch bevor Michel Barnier die Mitglieder seines neuen Kabinetts am Samstagabend bekannt gab, hatte er schon einen Rekord aufgestellt: 16 Tage sind seit seinem Amtsantritt vergangen, so lange hat noch kein französischer Premierminister gebraucht, um eine Regierung zu bilden. Nun also ist endlich klar, wer im neuen Kabinett sitzen wird. Es sind vor allem: Macronisten und konservative Republikaner. Auch Macrons Verbündete aus dem moderaten Lager, den Parteien MoDem und Horizons, haben einzelne Ministerposten erhalten.
Am umstrittensten ist die Personalie von Bruno Retailleau, der sich künftig als Innenminister um Migration und innere Sicherheit kümmern wird. Der Republikaner gilt als konservativer Hardliner, er spricht sich für Zuwanderungsquoten und strengere Regeln für Familiennachzug aus. Seine Parteifreundin Laurence Garnier, die Barnier zunächst als Familienministerin vorgesehen hatte, wird nun – auf Druck von Macron, wie französische Medien berichten – doch Staatssekretärin für Konsumentenschutz. Garnier hatte 2017, wie Retailleau, gegen die Ehe für alle demonstriert und in diesem Frühjahr dagegengestimmt, das Recht auf Abtreibung in der französischen Verfassung zu verankern.
Französische Regierung mit konservativer Schlagseite
Wirtschafts- und Finanzminister wird der eher unbekannte Macronist Antoine Armand, Aussenminister wird Jean-Noël Barrot vom liberalen MoDem, er war im vorherigen Kabinett schon als beigeordneter Minister für europäische Angelegenheiten zuständig. Ein Bruch mit der Vorgängerregierung ist das neue Kabinett ohnehin nur bedingt, auch drei weitere Minister können bleiben: Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, Kulturministerin Rachida Dati und Energieministerin Agnès Pannier-Runacher.
Alles in allem ist die neue Regierung eine mit konservativer Schlagseite – und keine «nationale Union», wie Präsident Emmanuel Macron zuvor versprochen hatte. Der einzige Minister mit einer Vergangenheit bei den Sozialisten ist der neue Justizminister Didier Migaud.
Die Linke schimpfte, Macron zunächst auch nicht überzeugt
Schon am vergangenen Donnerstag hatte sich Barnier mit dem Präsidenten getroffen, um ihm seine Auswahl von Ministerinnen und Ministern vorzustellen. Der Präsident ernennt in Frankreich die Regierung auf Vorschlag des Premierministers. Noch am selben Abend kursierten in den Medien die ersten Namen – und die Linke schimpfte. Offenbar war auch Macron nicht ganz überzeugt von Barniers Plänen, am Freitag teilte die Entourage des Premiers mit, vor Samstag sei nicht mehr mit einer neuen Regierung zu rechnen, man müsse noch «letzte Anpassungen» vornehmen.
Schon bevor das Kabinett überhaupt feststand, gab es am Wochenende in Paris die ersten Proteste. Die Linke findet, ihr habe es eigentlich zugestanden, eine neue Regierung zu bilden, schliesslich war das Linksbündnis Nouveau Front Populaire bei den vorgezogenen Parlamentswahlen stärkste Kraft geworden, wenn auch nicht mit einer absoluten Mehrheit.
Entsprechend schwer fielen dem Republikaner Michel Barnier die Sondierungen für sein neues Kabinett. Viele sozialdemokratische Linke, darunter Ex-Präsident François Hollande und der Sozialisten-Chef Olivier Faure, machten von Anfang an klar, dass sie nicht Teil der Regierung sein wollen. Die Wähler könnten sich schon «ein wenig betrogen» fühlen, sagte Hollande, nachdem die ersten Namen für Ministerposten kursierten. Nach einer Wahl, bei der zwei Drittel der Wähler für eine Brandmauer gegen rechts gestimmt hätten, gebe es jetzt einen Premierminister, der nur nominiert worden sei, weil er die Zustimmung der extremen Rechten gefunden habe.
Wie geht es jetzt in Frankreich weiter?
Tatsächlich war Michel Barnier einer der wenigen potenziellen Kandidaten für das Amt des Premierministers, bei dem Marine Le Pen und ihr Rassemblement National nicht von Anfang an verlauten liessen, dass sie ihn per Misstrauensvotum stürzen würden. Kritiker warfen Macron vor, er habe einen Premier «von Le Pens Gnaden» ausgesucht.
Wie es jetzt weitergeht? Die neue Regierung dürfte es alles andere als leicht haben. Weil sie über keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt, wird sie für jedes Vorhaben um Stimmen aus der Opposition werben müssen. Und sie steht permanent auf Abruf: Mit einem Misstrauensvotum kann eine absolute Mehrheit der Abgeordneten die Regierung absetzen. Neuwahlen sind erst ein Jahr nach den vergangenen Parlamentswahlen, also frühestens kommenden Sommer, möglich.
«Diese Regierung hat überhaupt keine Zukunft», schrieb noch am Samstagabend der Parteichef des Rassemblement National, Jordan Bardella. Jean-Luc Mélenchon, der Gründer der extrem linken La France Insoumise (LFI), nannte das neue Kabinett «das Casting eines macronistischen Katastrophenfilms», dessen man sich «so schnell wie möglich entledigen» müsse.
Regierungserklärung am 1. Oktober
Die extrem linke LFI hat inzwischen auch Stimmen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Macron gesammelt. Der Präsident kann in Frankreich laut Verfassung nur zum Rücktritt gezwungen werden, wenn er eine Pflicht verletzt, die mit der Ausübung seines Mandats nicht vereinbar ist. Dass Macron tatsächlich zurücktreten muss, gilt als äusserst unwahrscheinlich. Der Antrag der LFI muss erst noch den Rechtsausschuss und das Präsidium der Nationalversammlung passieren, ehe er überhaupt ins Plenum kommt. Dann müssten jeweils zwei Drittel der Nationalversammlung und des Senats dafür stimmen.
Am Montag soll die neue französische Regierung vereidigt werden und zum ersten Mal im Ministerrat zusammenkommen. Am 1. Oktober will Michel Barnier seine Regierungserklärung halten. Zur ersten Bewährungsprobe für die neue Regierung dürfte der Haushalt für das kommende Jahr werden. Noch vor dem Ende des Jahres muss die Nationalversammlung darüber abstimmen. Die Vorstellung seiner Haushaltspläne hat der Premier schon jetzt vorsorglich vom 1. auf den 9. Oktober verschoben.
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