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Prozess wegen Amtsmissbrauchs
Frankreichs Justizminister muss vor Gericht, und Macron wird nervös

(FILES) French Justice Minister Eric Dupond-Moretti reacts during a visit to a jail in Bois d'Arcy, south-west of Paris on April 4, 2023, highlighting the work of prisoners in the institution and in the presence of several heads of commercial companies. From November 6-17, 2023, France's Minister of Justice will stand trial before the CJR on suspicion of a conflict of interests, a first for a serving minister. (Photo by Geoffroy VAN DER HASSELT / AFP)
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Was liebt er die Bühne, jede Bühne. Eine Zeit lang spielte sich Frankreichs Justizminister Éric Dupond-Moretti auch selbst, im Pariser Théâtre de la Madeleine. Er stand allein auf der Bühne: tiefe, verrauchte Stimme, habituelle Wortgewalt. Das Stück? Der ehemalige Staranwalt hatte es selbst geschrieben, es hiess: «Éric Dupond-Moretti, in den Zeugenstand». Das war vor seinem kontroversen Quereinstieg in die Politik vor etwas mehr als drei Jahren. Vielleicht verhalfen ihm die Auftritte im Theater sogar zum Ministerposten.

Nun sitzt der 62-jährige Nordfranzose mit italienischen Vorfahren auf der Anklagebank, in einem beispiellosen, ja historischen Verfahren vor der Cour de Justice de la République. Das Gericht urteilt über «Verbrechen und Vergehen», die Minister während der Ausübung ihrer Funktion begangen haben sollen – allein dafür wurde es 1993 geschaffen. Das kam schon vor. Doch nie zuvor war einem amtierenden Minister der Prozess gemacht worden.

Er hat 145 Freisprüche erredet

«EDM», so sein viel gebrauchtes Akronym, wird vorgeworfen, dass er als Minister versucht habe, sich mit administrativen Ermittlungen und Schikanen an vier Untersuchungsrichtern zu rächen, mit denen er sich in seinem früheren Beruf als Verteidiger angelegt hatte. Dupond-Moretti soll also sein Amt für eine persönliche Vendetta missbraucht haben.

Er bestreitet das, viel mehr als ein bisschen Bürokratie habe er nicht bewegt. «Ganz ruhig» sei er deshalb, sagte er dem Reporter von «Le Monde», den er in seinem schönen Büro an der Place Vendôme empfing, sein Hund Jean-Claude war auch dabei. Es dränge ihn, sich endlich verteidigen zu können gegen «diese Infamie», so nannte er es am ersten Prozesstag.

Es ist dies eine neue Rolle für Dupond-Moretti, ein weiterer Seitenwechsel. 36 Jahre lang war er Strafverteidiger gewesen, einer der berühmtesten im Land. Die Medien gaben ihm den Übernamen «Acquittator», eine Anlehnung an den Terminator, weil es ihm mit seinen Plädoyers gelang, 145 Freisprüche – französisch: acquittements – zu erreden, auch sehr spektakuläre. Und immer stand er im Fokus der Scheinwerfer.

Er hat es von ganz unten nach sehr weit oben geschafft. Nicht immer mit guten Manieren.

Für seine vielen Kritiker war er der «Anwalt der Gauner», unter Anwälten galt er als Superstar. Er verdiente viel Geld, kaufte ein Jagdanwesen – der Erfolg war seine Revanche über das Leben.

Der Sohn eines Stahlarbeiters aus Maubeuge und einer Putzfrau aus Italien verlor seinen Vater, da war er vier. Alles war beschwerlich. Um sein Rechtsstudium zu finanzieren, jobbte er als Kellner in Nachtlokalen, woran er gern erinnert: Er hat es von ganz unten nach sehr weit oben geschafft. Nicht immer mit guten Manieren.

Die Idee kam von Macrons Frau

Die unorthodoxe Idee, Dupond-Moretti in die Regierung zu holen, soll Brigitte Macron gehabt haben, die Gattin des französischen Präsidenten. Sie ist ein Fan von dessen rednerischer Brillanz. Für die Gewerkschaft der Staatsanwälte im Land, seinen Rivalen aus früheren Zeiten, war die Berufung «wie eine Kriegserklärung», wie sie es beschrieb, eine «Provokation» des Élysées.

France's President Emmanuel Macron (L) and France's Justice Minister Eric Dupond-Moretti arrive for the launch of the "Etats Generaux de la Justice" (General States of Justice), a consultation which should lead in February 2022 to proposals for a possible reform project of the judicial system, at the Palais des Congres in Poitiers, western France, on October 8, 2021. These States General will bring together for several months, in working groups, the entire ecosystem of justice : judges, prosecutors, clerks, auxiliaries, lawyers, bailiffs, prison guards, as well as volunteer citizens, via a digital platform. (Photo by STEPHANE MAHE / POOL / AFP)

Ein Politiker ist Dupond-Moretti noch immer nicht, schon gar kein diplomatischer. In der Assemblée Nationale wünschte er neulich einen Fraktionschef der Opposition, der ihn angegriffen hatte, mit einer eindeutigen Geste zum Teufel, gleich zweimal. Die Kameras filmten die Szene, er musste sich entschuldigen.

«Ich stehe am Morgen früh auf»

Die Macrons treffen sich auch privat oft mit dem Minister und dessen Lebensgefährtin, der kanadischen Sängerin Isabelle Boulay. Man ist befreundet, man steht zueinander. Dupond-Moretti darf während des zehntägigen Verfahrens im Amt bleiben. Die doppelte Belastung sei kein Problem, sagt er: «Ich stehe am Morgen früh auf.»

Würde er verurteilt, drohen ihm im Höchstfall fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe von einer halben Million Euro, dazu ein langes Amtsverbot. Nur, es wäre das erste Mal, dass dieses Tribunal jemanden zu einer unbedingten Strafe verurteilen würde, und das ist nicht weiter verwunderlich: Die richtende Jury setzt sich aus drei professionellen Richtern und zwölf Parlamentariern zusammen. Da spiele, finden die Franzosen, auch der Selbsterhaltungsreflex der Politik mit. Lässt die Jury den «Acquittator» aber fallen, träfe das auch den Förderer im Élysée, indirekt und doch ziemlich frontal.