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Fussballer und ihre Vorbildfunktion
Ihre Kinder haben zweifelhafte Idole? Wie Sie als Eltern damit umgehen können

Benjamin Mendy, Spieler der französischen Nationalmannschaft, feiert mit dem WM-Pokal nach dem Finale der FIFA-Weltmeisterschaft 2018 im Luzhniki-Stadion in Moskau.
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In Kürze:
  • Fussballer haben grosse Verantwortung als Vorbilder, trotzdem machen sie Fehler.
  • Eltern sollen offen und kindgerecht über Fehlverhalten von Idolen sprechen.
  • Kinder sollten dabei unterstützt werden, eine eigene Identität zu entwickeln.
  • Es ist wichtig, dass Kinder lernen, kritisch über Vorbilder nachzudenken.

Zinédine Zidane köpft seinen Gegner im WM-Final 2006 zu Boden. Marius Müller macht mit homophoben Äusserungen auf sich aufmerksam. Lionel Messi hinterzieht Steuern. Dani Alves wird wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Alles Spieler, denen junge Menschen nacheifern – dem einen mehr, dem anderen weniger. Sie sind aber auch Spieler, die keine Einzelfälle darstellen. Immer wieder fallen Personen im Fussball, vorwiegend männliche, negativ auf.

Von Ballwegschlagen bis hin zu sexuellen Übergriffen ist alles dabei. Immer auch die Frage der Eltern: Wie erkläre ich meinen Kindern, dass dieses Verhalten falsch ist? Dass eine Person moralisch verwerflich sein kann – auch wenn sie von vielen Seiten angehimmelt wird? Und was mache ich, wenn ein Kind ein Vorbild hat, das eine «besondere» Vergangenheit aufweist?

Die letzte Frage beschäftigt in der Schweiz derzeit vor allem Elternteile von Kindern, die dem FC Zürich nacheifern – oder vielmehr Benjamin Mendy. Auch wenn der Franzose nie verurteilt wurde, ist sein Verhalten laut der eigenen Verteidigerin «gefühllos» oder auch «moralisch zweifelhaft». Professor Moritz Daum, Leiter der Fachrichtung Entwicklungs­psychologie im Säuglings- und Kindesalter an der Universität Zürich, klärt auf.

Komplexe Sachverhalte den Kindern erklären

«Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man als Eltern mit den Kindern möglichst offen einerseits und möglichst kindgerecht andererseits über komplexe Themen redet», sagt Daum. Es müsse berücksichtigt werden, wie viel das Kind wissen wolle, was es verarbeiten könne und «dass man die Kinder fragen lassen soll. Wenn sie keine Fragen mehr haben, nicht noch mit zusätzlichen Informationen überhäufen.» Wenn «Dieser Spieler war nicht nett zu Frauen» dem Kind reicht, ist es das vorerst an Information.

Porträt von Prof. Dr. Moritz Daum vor einem grauen Hintergrund.

Auch wenn das Bedürfnis des Kindes nach Information befriedigt ist, soll in Zukunft weiter darüber gesprochen werden. «Im Endeffekt ist es die Aufgabe von uns Eltern, der Gesellschaft oder der Schule, kritisch denkende Menschen heranwachsen zu lassen», sagt Daum. Das passiert durch Austausch, nicht durch das Aufzwingen von persönlichen Wertvorstellungen.

Zudem sollten möglichst konkrete Beispiele aus der Lebenswelt der Kinder genommen werden, um Sachverhalte zu erklären. Umgang mit Mitschülerinnen und Mitschülern, Mobbing, eigene Befindlichkeiten im Alltag: «Würdest du auch böse über andere Klassenkameraden sprechen?», ist ein Beispiel von Daum.

Der Fussball und seine Verantwortung

Fehlverhalten gehört in der Gesellschaft zur Tagesordnung. «Das Schlimmste ist aber, wenn niemand dagegen aufsteht. Damit wird das negative Verhalten legitimiert», sagt Daum. Der Einfluss, den beispielsweise Fussballerinnen und Fussballer haben, ist gross. Das Bewusstsein darüber aber nicht immer. Doch allein durch die mediale Präsenz und den Fokus auf Spieler und Clubs tragen die Protagonisten automatisch Verantwortung als Vorbilder.

Homophobe Äusserungen in den sozialen Medien oder direkt vor den Kameras gehören dennoch weiterhin dazu, ebenso wie Sexismus, Rassismus oder Ableismus (Diskriminierung von Menschen mit Behinderung). Einige Personen lernen aus Fehlern, andere gestehen sie nie ein. Die Kinder nehmen das Verhalten ihrer Idole wahr. Je nachdem, ob das reflektiert wird oder nicht, wird es auf Pausenplätzen, Fussballplätzen oder anderswo im Alltag nachgeahmt.

«Man kann auch Vorbild sein, indem man sich für seine begangenen Fehler entschuldigt und Besserung gelobt. Vorbilder müssen und können nicht perfekt sein. Auch aus dem Umgang mit dem Imperfekten kann man viel lernen», sagt Daum. Dazu kommt: Nur weil ein gewisses Welt- oder Frauenbild nicht juristisch anfechtbar ist, kann es gleichwohl moralisch verwerflich sein – wie etwa im Fall von Mendy.

Das «schlechte» Vorbild und die Folgen

Kinder von der Wahl ihrer Vorbilder abzuhalten, ist kaum eine gute Idee. «Sie müssen auch ihre eigene Identität erarbeiten können», sagt Daum. Kommentarlos hingenommen werden soll die Wahl natürlich nicht. Über die Ambivalenz einzelner Personen soll gesprochen werden, damit ein komplettes Bild der Person entsteht. Das Anlernen einer kritischen Haltung und das Aufzeigen allfälliger Geschädigter helfen zur Reflexion.

Themen, die in der Schule, im Fussball oder mit Freunden besprochen werden, müssen auch zu Hause Platz finden. Eine vertrauensvolle Beziehung zu Hause legt dafür den Grundstein. «Kinder und Jugendliche machen Unsinn oder abwertende Sprüche. Doch sie müssen zu Hause die Sicherheit haben, nicht verurteilt zu werden», sagt Daum.

«Eltern sind nicht der einzige Faktor, der das Denken des Kindes beeinflusst. Zum Glück.»

Moritz Daum, Entwicklungspsychologe

Vorbilder sind in der gesamten Entwicklung eines Menschen elementar. Vom Sport bis hin zum beruflichen Werdegang – in allen Bereichen des Lebens brauchen Menschen, auch Erwachsene, ihre Vorbilder. Um zu lernen, sich weiterzuentwickeln oder sich inspirieren zu lassen. Im Verlaufe des Lebens werden Idole aber auch unterschiedlich wahrgenommen und kopiert. «Im frühen Kindesalter ist es meist so, dass Vorbilder mehr als Ganzes gesehen werden, der komplette Mensch als solcher gilt», sagt Daum. «Etwa zu Beginn des Teenageralters beginnen Kinder, differenzierter zu denken, mehr und mehr den Fussballprofi vom Privatmenschen zu unterscheiden.»

Von den genau gleichen Frisuren wie ihre Vorbilder kommen die Kinder im Verlauf ihrer Entwicklung mehr und mehr ab. Geteiltes Gedankengut kann aber auch im Jugendalter beeinflussen – positiv wie auch negativ. Da könnten auch die Eltern nicht immer viel daran ändern, sagt Daum. «Man muss sich auch bewusst werden, dass man bei weitem nicht der einzige Faktor ist, der das Denken des Kindes beeinflusst. Zum Glück.»