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Fragen an Hans Ulrich Obrist
Was lernen Künstler:innen aus einem Nein?

ROUSSEAU: DREAM, 1910. 
Henri Rousseau: The Dream. Oil on canvas, 1910.
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Eines der grossen Tabus in unserer Gesellschaft sind Absagen. Wenn jemandem ein Job, ein Auftrag oder was immer er oder sie will, verweigert wurde, dann wird das als Demütigung empfunden, als Niederlage. Ich selbst habe auch die eine oder andere Zurückweisung einstecken müssen. Natürlich hat mich das gewurmt, auch geärgert, aber nie hat es mich niedergeschmettert, weil ich umgeben war von Künstlerinnen und Künstlern. Von ihnen können wir alle lernen.

Denn eine der wichtigsten Eigenschaften, die eine Künstlerin haben muss, ist es, trotz der vielen Absagen von Kunstinstitutionen, die man gerade zu Beginn der künstlerischen Praxis einsammelt, weiterzumachen. Wie aber gehen Künstler mit diesen Ablehnungen um?

Sie könnten Kompromisse eingehen, ihre Entwürfe und Werke den «erfolgreichen» der Wettbewerberinnen anpassen. Bisweilen sind Kompromisse eine gute Sache, aber wenn es um Dinge geht, von denen man überzeugt ist, dann ist man mit Kompromissen schlecht beraten. Zumal eine Ablehnung ja nicht bedeutet, dass die Bewerberin nicht gut genug ist. Vielleicht sind jene, welche über die Bewerbung entscheiden, einfach nicht offen und weitsichtig genug.

Anstatt also immer wieder erfolglos gegen das System anzurennen, haben sich Künstlerinnen im Laufe der Geschichte und bis heute regelmässig ihre eigenen Systeme geschaffen, sich zu Gruppen zusammengeschlossen und eigene Ausstellungsorte eingerichtet. In sogenannten Offspaces oder Artist-Run-Spaces bilden sie ihre eigene Jury und verschaffen sich die Sichtbarkeit, die ihnen woanders verwehrt wurde.

Eine weitere Strategie vieler Künstlerinnen ist es, sich Mentorinnen zu suchen. Wenn man Kunst machen will, ist man sehr allein, niemand hat auf einen gewartet, es gibt keine Festanstellungen und keinen vorgezeichneten Karriereweg. Deshalb ist es wichtig, sich erfahrene Menschen zu suchen, die ihren Weg gemacht haben, und sich bei ihnen Rat zu holen.

Drittens kann man von Künstlerinnen eine Art Grundoptimismus lernen. Nicht den Optimismus, dass es bei der nächsten oder übernächsten Bewerbung klappt. Sondern den Optimismus, dass das, was man tut, wichtig ist, dass man zur Welt, so traurig sie oft ist, etwas beitragen, dass man sie besser machen kann. Wer diesen Antrieb verinnerlicht hat, dem kann keine Absage etwas anhaben. Denn was einem wichtig ist, kann niemand anderes entscheiden als man selbst.

Eine Auswahl abgelehnter Kunstwerke findet man in Obrists Buch «Unbuilt Roads», Hatje-Cantz-Verlag 1998.