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Klimaschutz im Flugverkehr
Flugzeuge im Abgastest

Kondensstreifen sind gut sichtbare Spuren von Flugzeugen, doch die Triebwerke stossen einen ganzen Cocktail an Abgasen aus. 
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Fluggesellschaften und Flugzeughersteller wollen sich in den kommenden Jahren der Zwangspause gut auf die «Nach-Covid-Phase» vorbereiten. Die Luftfahrtbranche will auf keinen Fall nach dem Covid-Desaster gleich in eine ökologische Krise geraten, weil die Umweltvorschriften ständig verschärft werden. Die Branche müsse den Neustart nutzen, um einen grossen Schritt zu einem CO₂-armen Luftverkehr zu tun. Dazu müssten die Staaten mehr Einfluss nehmen, schliesslich hätten sie Airlines und Flughäfen unterstützt, sagte im September Salvatore Sciacchitano, Präsident der UNO-Fachorganisation für den Luftverkehr (Icao).

Die Industrie verspricht einen sauberen Luftverkehr durch eine radikale Umstellung auf neue Antriebe. Statt Kerosin könnten die Gasturbinen, wie die Triebwerke korrekt genannt werden, Wasserstoff verbrennen. Ein anderer Weg wäre Elektroantrieb. Wasserstoff könnte in Brennstoffzellen in Strom umgewandelt oder in Batterien mitgeführt werden. Machbar sind solche Lösungen, wie Experimentalflugzeuge, elektrische Motorsegler oder Drohnen beweisen.

Allerdings sind Verkehrsflugzeuge mit radikal neuer Technik noch weit von der Realisierung entfernt. Das zweisitzige leichte Sportflugzeug Pipistrel Velis Electro wurde kürzlich vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) in einer Pionierarbeit als Erstes regulär zugelassen. Es hat eine Motorleistung von knapp 60 Kilowatt. Ein Verkehrsflugzeug mit 150 Plätzen benötigt 60 Megawatt, tausendmal mehr.

Klima kann nicht auf Technik warten

Das Klima kann nicht warten, bis die Technik so weit ist. Gefragt sind schnell realisierbare Brückenlösungen. Zunächst müssen die Abgasemissionen der Flugzeuge besser erforscht und der Ausstoss reglementiert werden. Wer nicht reduziert, soll kompensieren. Für die Kompensation der CO₂-Emissionen wurden zwei internationale Abkommen geschlossen.

Bereits angelaufen ist das System Corsia, an dem auch die Schweiz beteiligt ist. Für eine freiwillige Pilotphase von 2021 bis 2023 mussten die Flugzeugbetreiber ermitteln, wie viel CO₂ ihre Maschinen im Referenzjahr 2019 ausgestossen hatten. Die Zunahme in den kommenden Jahren muss dann kompensiert werden. Die Ausgangsdaten von 2019 mussten bis Ende August der Icao weitergeleitet werden. «Die Schweiz ist dieser Aufgabe fristgerecht nachgekommen», sagt Urs Holderegger, der Pressesprecher des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl).

Mit Corsia soll die CO₂-Belastung des Luftverkehrs teilweise kompensiert werden. Das gleiche Ziel verfolgt das Emissionshandelssystem (EHS) der EU, an das die Schweiz angeschlossen ist. Eine doppelte Regulierung müsse vermieden werden, fand der Bundesrat und schrieb das auch ins CO₂-Gesetz. Wie die EU die Luftfahrt in ihr Emissionshandelssystem einbauen werde und wie das Zusammenspiel von EHS und Corsia funktionieren könnte, sei noch offen, erklärt Raphael Bucher, der stellvertretende Sektionschef Klimapolitik beim Bundesamt für Umwelt (Bafu).

Luftfahrt als Vorbild

Erstmals hat die Icao einen CO₂-Standard erarbeitet. Er gilt seit diesem Jahr für neue und ab 2028 für alle Typen. Die Luftfahrt sei die erste Branche mit einem weltweit geltenden Emissionsstandard, betont die Icao-Führung. Der CO₂-Ausstoss sei nun Bestandteil der Zertifizierung genau wie die Sicherheitsmassnahmen oder der Lärm, dem bis jetzt die grössere Aufmerksamkeit galt. Betroffen von dem neuen Standard sind praktisch alle Verkehrs- und Geschäftsflugzeuge. Wie bei den Autotests ist auch hier das Mess- und Berechnungsverfahren kompliziert.

CO₂ gilt ebenso wie Wasserdampf als natürlicher Bestandteil der Atmosphäre und nicht als giftiger Schadstoff, beides muss aber wegen der Auswirkungen auf das Klima reduziert werden. Flugzeuge hinterlassen in der Atmosphäre jedoch auch schädliche Spuren wie Stickoxide, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe, Feinstaub und Russ. Die Schweiz konzentriert ihre Umweltmassnahmen auf die Reduktion von Stickoxiden. Für alle Flugzeuge, auch kleine Maschinen, wird für jede Landung eine Emissionstaxe erhoben, die sich nach dem Ausstoss von Stickoxiden richtet. Der Flughafen Zürich hat in den letzten Jahren jeweils zwei bis drei Millionen Franken an Emissionstaxen eingenommen, das Geld wird für Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität verwendet.

Schweizer Forschung

Eine führende Rolle spielten Schweizer Forschungsinstitute bei der Entwicklung des ersten Standards für Feinstaubemissionen, an den sich die Triebwerkhersteller jetzt halten müssen. Quellen von Feinstaub und Russ wie Heizungen, Industrie und Strassenverkehr sind gut erforscht, über die Abgase von Flugzeugen weiss man noch wenig. Ein multidisziplinäres Team unter der Leitung von Marianne Geiser von der Universität Bern, in dem auch Fachleute der Empa und der Fachhochschule Nordwestschweiz mitwirkten, führte auf dem Prüfstand des Unterhaltsbetriebs SR Technics am Flughafen Zürich neuartige Experimente durch.

Die Partikelemissionen einer echten Gasturbine wurden mit einer eigens entwickelten Messanlage bei unterschiedlichen Betriebszuständen und Treibstoffen erfasst. Dazu musste eine Sonde in den bis zu 700 Grad heissen Abgasstrom gebracht werden. Es geht um Nanopartikel, die kleiner sind als 100 Nanometer, ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von 100’000 Nanometern. Mit Zellkulturen wurde untersucht, wie sich diese extrem kleinen Nanopartikel auf Menschen auswirken. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten dauerten mehrere Jahre und werden am Zentrum für Aviatik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften fortgesetzt, finanziert aus der Spezialfinanzierung Luftverkehr, die vom Bazl eingesetzt werden kann.

Berner Forscher messen den Feinstaub, der bei der Verbrennung aus Triebwerken kommt.

Grosse Flugzeuge werden nicht so bald sauber mit Wasserstoff oder mit Strom betrieben. «Es dauert Jahrzehnte, bis neuartige Konzepte die Betriebssicherheit und die Dauerhaftigkeit nachgewiesen haben und zum Flugbetrieb zugelassen werden können», sagt Theo Rindlisbacher von der Sektion Umwelt des Bazl. Mindestens mittelfristig brauche es Kerosin, betont er. Statt Kerosin aus fossilen Rohstoffen sollen aber synthetische Treibstoffe aus biogenen Quellen verwendet werden. Das Schweizer Start-up-Unternehmen Climeworks und auch die ETH sind Pioniere mit Verfahren für die Herstellung kerosinähnlicher Treibstoffe.

Kerosinersatz aus biologischen Quellen gibt es. Nachhaltiger Flugzeugtreibstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) wurde 2008 erstmals eingesetzt, inzwischen sind sieben Herstellungsverfahren zugelassen. SAF soll die CO₂-Emissionen um bis zu 80 Prozent reduzieren, biogene Treibstoffe enthalten zudem keinen Schwefel und keine Aromaten, zwei schädliche Kerosinbestandteile. Die Anpassungen an den Triebwerken und an Tankanlagen der Flugplätze seien kein Problem, heisst es. In den letzten zehn Jahren fanden mehr als 250’000 kommerzielle Flüge mit einem Anteil SAF statt. An sechs grossen Hubs wird der Treibstoff angeboten, der Anteil am Verbrauch ist jedoch noch verschwindend gering. Bei der Ökobilanz stellen sich die gleichen Fragen wie bei allen biogenen Treibstoffen: Wirklich sinnvoll sind sie nur, wenn sie aus Abfällen hergestellt werden und keine anderen Nutzungen konkurrenzieren.

Bei den Bemühungen, Treibstoff einzusparen, gibt es noch einen anderen Weg. Wenn Starten mit Batterien oder mit Wasserstoff schon unmöglich ist, lassen sich doch viele kleinere Energieverbraucher damit betreiben. Die Klimaanlage, der Vereisungsschutz, die Beleuchtung, die Cockpitelektronik, die Steuerung von Klappen und Fahrwerken, an vielen Stellen liesse sich Strom einsetzen, für dessen Erzeugung nicht wie bisher das Triebwerk mitbenützt wird. Auch für Bewegungen am Boden wären Elektromotoren willkommen. Ein Verkehrsflugzeug stösst auf dem Rollweg bis zur Piste pro Sekunde so viel Feinstaubpartikel aus wie ein Diesel-PW auf 60 Kilometern, Partikelfilter für Flugzeuge sind jedoch nicht möglich.