Importfleisch aus SüdamerikaSchweizer Fleischwirtschaft will auf Pferdefleisch-Importe verzichten
Der Verband Proviande ruft zu einem freiwilligen Importstopp für Pferdefleisch aus Argentinien und Uruguay auf. Zuvor hatten Fachleute von Bundesrat Alain Berset Druck aufgesetzt.
Pferde werden nicht artgerecht gehalten. Es lässt sich nicht nachverfolgen, woher genau das importierte Fleisch stammt. Und es ist unklar, mit welchen Medikamenten die Tiere behandelt wurden: Neue Audits der EU haben die Kritik am Import von Pferdefleisch aus Argentinien und Uruguay diesen Herbst bestätigt – einmal mehr. Zu ähnlichen Befunden sind schon frühere Untersuchungen der EU gekommen.
Eine Premiere ist dagegen die Reaktion der Schweizer Fleischwirtschaft. Ihr Verband Proviande hat die Branche letzte Woche dazu aufgerufen, in Zukunft freiwillig auf solche Importe zu verzichten. Aufgrund der neuen EU-Berichte seien Massnahmen gefragt, heisst es in einer Mitteilung. Den Entscheid für diesen Appell gefällt hat der Proviande-Verwaltungsrat, an dessen Spitze der ehemalige CVP-Nationalrat Markus Zemp steht.
Was Proviande nicht erwähnt: Im Vorfeld des Beschlusses hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) den Branchenverband aufgefordert, Massnahmen zu ergreifen. Das BLV bestätigt entsprechende Informationen dieser Redaktion. Die Sitzung fand am 17. November statt. Proviande formuliert es auf Anfrage so: Der Verwaltungsrat habe im Beisein eines BLV-Vertreters «eine Lagebeurteilung vorgenommen».
Bund steht selber auch in der Kritik
Die Angelegenheit scheint delikat – nicht nur für den Branchenverband, dessen Werbekampagnen für Schweizer Fleisch unter anderem mit Bundesgeldern finanziert werden. Auch das BLV selber ist exponiert. Seit Jahren kritisieren Tierschützer nebst den Importeuren auch den Bund, weil dieser die Einfuhren nicht unterbindet.
Das BLV hat stets argumentiert, der Bund verfüge eine solche Massnahme nur in Absprache mit der EU. Der Grund: Die Schweiz und die EU bilden einen gemeinsamen Veterinärraum, kontrolliert werden die Schlachthöfe in Argentinien und Uruguay durch die EU. Sie ist es, die bei wiederholten Verstössen gegen die EU-Bestimmungen fehlbare Betriebe von der Liste streichen kann. Die Schweiz würde nachziehen. Tätig geworden ist die EU bis jetzt nicht. Ob sie es je wird, ist zweifelhaft.
Unklar ist auch, was der Aufruf von Proviande bewirken wird. Die Importeure haben vom Entscheid des Verwaltungsrats erst kurz vor der Publikation am Mittwoch erfahren. Vorgängige Gespräche hat Proviande nicht geführt, wie Sprecherin Gioia Porlezza sagt. «Ob die Importeure den Aufruf befolgen werden, wird sich weisen.» Die Importeure halten sich bedeckt. Anfragen dieser Redaktion sind ohne Antwort geblieben, etwa bei der Firma Skin Packing, die als grösste Schweizer Importeurin von Pferdefleisch aus Südamerika gilt.
Verzicht auf Stutenblut
Dass sich eine Branche einigen kann, hat sich letztes Jahr gezeigt. Der Verband Suisseporcs kündigte an, dass die Schweizer Schweinezüchter künftig auf PMSG verzichten werden. Das Hormon bildet sich in trächtigen Stuten – und lässt weibliche Schweine schneller empfängnisbereit werden. In Island und anderen Ländern wird den Pferden darum literweise Blut abgezapft.
Dieser Verzicht ist nun Teil der Richtlinien im Qualitätsmanagement Schweizer Fleisch. Die Vorgaben darin müssen alle Produzenten erfüllen, die in der Schweiz Fleisch über den Handel verkaufen wollen; kantonale Kontrollstellen überprüfen dies.
Und was geschieht, sollte der Proviande-Aufruf – ganz oder teilweise – verpuffen? Proviande selber habe keine Mittel, um solche Importe zu verhindern, sagt Sprecherin Porlezza. Um «etwaige Schlupflöcher» zu schliessen, fordert Proviande deshalb den Bund auf, ein Importverbot zu verfügen.
Prüfresultate stehen noch aus
Tatsächlich gibt es eine Möglichkeit für den Bund, in Eigenregie zu handeln. Sollte sich zeigen, dass die Konsumenten mit dem Verzehr des Pferdefleisches gesundheitliche Risiken eingehen, zum Beispiel wegen Medikamentenrückständen, wird das BLV die Einfuhren verbieten, wie es schon mehrmals deutlich gemacht hat.
Doch die bisherigen Kontrollen haben nichts zutage gefördert, allerdings war ihre Zahl klein. Letztes Jahr zum Beispiel hat das BLV fünf Sendungen untersucht, davon zwei aus Argentinien. Im November hat das BLV angekündigt, die Kontrollen zu verstärken. Inzwischen haben die Behörden rund fünfzig Proben bei Direktimporten genommen. Die Resultate liegen noch nicht vor. Ob dieser Hebel greift, ist also noch unklar.
Tierschützern genügt Freiwilligkeit nicht
Letztes Jahr gelangten gegen 2000 Tonnen Pferdefleisch in die Schweiz, der Grossteil über EU-Staaten, der Rest via Direktimport. Rund die Hälfte davon stammte aus Argentinien und Uruguay. Weil vor allem Edelstücke importiert werden, entspricht diese Menge etwa 13’000 geschlachteten Tieren, wie der Tierschutzbund Zürich (TSB) schätzt.
An der Kritik der Tierschützer ändert der Aufruf von Proviande nichts. «Eine Branchenselbstverpflichtung lässt einzelnen Firmen die Option offen, den Import sanktionsfrei weiterzuführen», sagt TSB-Projektleiter York Ditfurth. Wirksam sei nur ein von Bund und EU ausgesprochenes Importverbot.
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