Tricks der KonkursritterSobald Zahlungen anstehen, gehen sie in Konkurs – und gründen eine neue Firma
Missbräuchliche Pleiten verursachen grosse finanzielle Schäden. Beim Beispiel von H.P. steckt wohl kriminelle Energie dahinter. Doch es gibt auch andere Gründe.

Die eigene Firma zu gründen, ist ein grosser Schritt. Und für viele ein Traum. Doch es gibt Gründer, bei denen gehört dies zur Routine. Und das nicht aus positiven Motiven.
H. P. * ist so ein Fall. Sein Name tauchte im vergangenen Jahr plötzlich en masse im Handelsregister auf. Im Umfeld der Baubranche ist er Inhaber von diversen Unternehmen. Eine Firma gründete er selber neu, die anderen übernahm er. Was auf den ersten Blick nicht nach einem Problem aussieht, ist es aber tatsächlich: Denn zwei Unternehmen sind bereits wieder in Liquidation. Das Nachsehen haben die Gläubiger.
H. P. übernahm so zum Beispiel im vergangenen Herbst eine Firma, die ein paar Jahre im Bauumfeld ihre Dienstleistungen angeboten hatte. Bereits Ende Jahr trudelte eine Betreibung ein. Die Schuld stammte noch vom Vorbesitzer der Firma. Bezahlt wurde sie nicht, Anfang Jahr folgte die Konkursandrohung. Vor einem Monat hat ein Gericht den Konkurs eröffnet. Vor Gericht erschien H. P. nicht.
Schaden im fünfstelligen Bereich
Ein paar Tage später sollte H. P. bereits wieder vor dem Gericht erscheinen. Auch dieses Mal liess er sich nicht blicken. Das Gericht eröffnete wiederum den Konkurs. Zusammengerechnet liegen die Schulden bei einem mittleren fünfstelligen Betrag. Die Geprellten: ein Vorsorgewerk und eine Versicherung.
Das Beispiel von H. P. ist nicht aussergewöhnlich. Solche Fälle, in denen Firmen gegründet oder übernommen und dann kurze Zeit später wieder liquidiert werden, kommen immer wieder vor. Für die Gläubiger heisst das meist: Das ausstehende Geld können sie sich ans Bein streichen.
Solche Kettenkonkurse sind in der Schweiz ein Problem. Das Vorgehen dabei ist immer ähnlich. Eine Firma wird gegründet, sobald grössere Zahlungen anstehen, wird kurzerhand eine neue Firma gegründet. Diese übernimmt nahtlos die Arbeit der alten Unternehmung, die in den Konkurs geschickt wird. Manchmal kommen dabei auch Strohmänner in den Einsatz, über die die Konkurse dann abgewickelt werden.
Das Problem ist bekannt. Doch eine einfache Handhabe, um gegen solche Machenschaften vorzugehen, gibt es nicht. Denn Abwicklung und erneute Neugründung sind einfach zu bewältigen.
«Die Schwelle, eine GmbH zu gründen, ist sehr tief.»
Warum dies so einfach ist, erklärt Matthias Häuptli, Leiter Konkurse beim Konkursamt Basel. Die Rechtsform der GmbH begünstige solche Konkurse. «Die Schwelle, eine GmbH zu gründen, ist sehr tief.» Zwar müssten die Inhaber der Firmen bescheinigen lassen, dass sie die erforderlichen 20’000 Franken zur Firmengründung bei einer Bank hinterlegt haben. Ob diese 20’000 Franken dann aber tatsächlich für das Geschäft eingesetzt würden, sei nicht mehr kontrollierbar.
In wie vielen Fällen solche missbräuchlichen Konkurse vorliegen, ist unklar. Eine Statistik darüber werde nicht geführt. Aber: «Seit die Opting-out-Klausel in Kraft ist, kommen solche Fälle häufiger vor.» Diese Klausel, die 2008 in Kraft trat, sieht vor, dass bei einer kleineren GmbH auf eine Revision verzichtet werden kann. Entsprechend fehlt eine Kontrolle der finanziellen Lage der Firmen.
Eine Studie aus dem Jahr 2020 beziffert das Konkursrisiko bei Unternehmen mit 0 bis 9 Mitarbeitenden mit Revisionsstelle auf 1,9 Prozent. Fehlt hingegen die Revisionsstelle bei gleich grossen Firmen, dann liegt das Risiko bei 5,3 Prozent.
Die Firmen, die H. P. übernommen hat, sind denn auch allesamt GmbHs. Und in allen wird auf die Revision verzichtet.
«Auf dem Papier ist das keine Schwarzarbeit, aber der Effekt ist der gleiche.»
In vielen Fällen stehe hinter dem Vorgehen keine kriminelle Energie. «Es geht vielen nicht darum, sich selber zu bereichern», so Häuptli. Vielfach seien Unvermögen und persönliche Überforderung der Hauptgrund. Und: «In gewissen Branchen wird mit notorisch ungenügenden Margen gerechnet. Sobald Mehrwertsteuer- und AHV-Abrechnungen ins Haus flattern, wird einfach eine neue Firma gegründet.»
Dieses Vorgehen stelle die ganze Branche vor ein Problem: Meist haben die Gesellschafter solcher Firmen zu tiefen Preisen offeriert – wodurch der Druck auf ihre Konkurrenz steigt, die die Mehrwertsteuer und AHV-Beiträge korrekt abrechnet und bezahlt. «Auf dem Papier ist das keine Schwarzarbeit, aber der Effekt ist der gleiche», so Häuptli.
Auch wenn kriminelle Energie meist fehlt, ein Problem ist es dennoch. «Die volkswirtschaftlichen Schäden solcher Kettenkonkurse in Verbindung mit den Zahlungsausfällen sind enorm und müssen unterbunden werden», sagt Häuptli. Vor allem in der Baubranche und in der Gastronomie liessen sich solche Kettenkonkurse beobachten, sagt Häuptli. H. P. ist da ein Prototyp. Denn eine weitere Firma, bei der er mit einem Geschäftspartner eingestiegen ist, ist im Gastronomie-Umfeld tätig. Der Rest ist oder war im Bausektor tätig.
Gesetz soll geändert werden
Laut Häuptli können Schwindelgründungen nicht verhindert werden. Man könne es nur im Nachhinein, also nach der Konkurseröffnung, feststellen, dann sei der Schaden aber bereits eingetreten.
Die Politik beschäftigt sich schon seit langem mit der Verhinderung von missbräuchlichen Konkursen. Der Bundesrat will dies mit diversen Änderungen in den betreffenden Gesetzen ändern. Über die Änderungen hat der Ständerat am Montag nun erstmals debattiert. Der wichtigste Punkt dabei: Der Ständerat will, dass der Verzicht auf die Revision, also das Opting-out, alle zwei Jahre gegen Vorlage der Jahresrechnung beim Handelsregister neu angemeldet werden muss. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.
* Name der Redaktion bekannt. Seine Unternehmensgründungen, Übernahmen und Konkurse wurden zwecks Anonymisierung vereinfacht wiedergegeben.
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