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Final der Champions League
Real macht es à la Real – die Königlichen sind einfach unheimlich

TOPSHOT - Real Madrid's players lift the trophy to celebrate their victory at the end of the UEFA Champions League final football match between Borussia Dortmund and Real Madrid, at Wembley stadium, in London, on June 1, 2024. (Photo by INA FASSBENDER / AFP)

Am Nachmittag hält Carlo Ancelotti noch seine Siesta, ohne wirklich gut zu schlafen. Spät am Abend hat er seinen Ruhm um ein weiteres Stück gemehrt: Mit Real Madrid gewinnt er den Final der Champions League. Das 2:0 gegen Borussia Dortmund bedeutet seinen fünften Sieg als Trainer in diesem Wettbewerb.

Der 64-Jährige ist ein Phänomen. Real ist ein Phänomen, zum 15. Mal schon hat es in der Königsklasse gewonnen, und wieder einmal haben es die Königlichen geschafft, ohne einen Gegner in Grund und Boden gespielt zu haben.

Aber es ist ihre Aura, die ihnen immer wieder zum Glück verhilft. Und es ist eben die Klasse ihrer Spieler, die für den Unterschied sorgt. Dann sind sie eben da, diese Toni Kroos oder vor allem auch Vinicius, die für die entscheidenden Momente sorgen. Oder anders gesagt: Wenn Vinicius Schwarz-Gelb trägt, gewinnt wohl Dortmund. Nur ist es an diesem Abend im Londoner Wembley Karim Adeyemi, der nicht die Klasse des Brasilianers im Abschluss hat.

Als dieses Spiel noch nicht begonnen hat, kommt «You’ll Never Walk Alone» aus den Lautsprechern. Die Dortmunder haben die Liverpooler Hymne längst adoptiert, und oben auf der Tribüne singt ihr Edelfan schlechthin mit – schunkelnd und mit seligem Blick. Jürgen Klopp ist da, mit Heldenstatus in Dortmund und natürlich auch in Liverpool, wo er sich vor ein paar Tagen verabschiedet hat.

2013 stand Klopp selbst mit der Borussia im Final der Champions League und verlor ihn gegen Bayern München 1:2, erst noch im gleichen Stadion. Jetzt sieht er eine Borussia, die ohne Ehrfurcht beginnt und spielt, auch nicht gebremst von ein paar dümmlichen Flitzern, die auf dem Rasen Selfies machen und die Sicherheitskräfte im Wembley blamieren.

Adeyemis Zögern und Füllkrugs Pfostenschuss

Nach einer Viertelstunde verzieht Julian Brandt einen ersten Abschluss. Ein paar Minuten später nähert sich sein Kollege Karim Adeyemi dem Tor schon viel näher an, nach einem wunderbaren Steilpass von Mats Hummels steht er allein vor Thibaut Courtois. Aber er zögert einen Moment und vergibt damit bereits die Chance.

Die 23. Minute ist angebrochen, als Niclas Füllkrug in Aktion tritt. Wohl ein Stürmer ohne den Glanz eines Vinicius Junior oder Jude Bellingham auf der Gegenseite, aber er ist es, der in diesem Moment die grosse Chance für ein Goal hat. Hart an der Abseitslinie zieht er los, schiesst und trifft den Innenpfosten.

Adeyemi prüft Courtois. Auch das ist ein Ausdruck für die Überlegenheit der Dortmunder, die sehr stabil stehen. Hummels ist der Chef ihrer Defensive, und wer ihn so sieht, kommt nur zu einer Erkenntnis: Welchen Luxus sich der deutsche Bundestrainer Julian Nagelsmann leisten kann, an der EM auf ihn verzichten zu können. Kurz vor der Pause, nach einer Grätsche gegen Vinicius, jubelt er wie nach einem Goal.

Real ist eine Enttäuschung, zumindest bis zur Pause. Zwei Schüsse, beide sehr ungenau, mehr gibt es nicht. Rodrygo findet gar nicht statt, ebenso wenig Jude Bellingham. Vinicius dagegen holt sich nach einem Foul an Gregor Kobel eine Verwarnung ab, erzwingt mit einer Schwalbe eine Gelbe Karte für Nico Schlotterbeck und wird dann eben von Hummels auf grossartige Art gestoppt.

Kobel, der Schweizer bei Dortmund, hat seine erste Prüfung kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit zu bestehen. Toni Kroos kann einen Freistoss treten, der Kroos, der sich an diesem Abend nach zehn Jahren und 465 Spielen von Real verabschiedet. Keiner ist so viel am Ball wie er, ohne wirklich produktiv zu sein. Den besten Moment hat er also in dieser 49. Minute. Er zirkelt seinen Schuss an der Dortmunder Abwehrmauer vorbei. Aber dahinter fliegt Kobel und holt den Ball aus der hohen Ecke.

Gregor Kobel kriegt in der zweiten Hälfte mächtig zu tun.

Es bleibt beim 0:0, und auch nach einer Stunde steht es noch torlos. Schon in den letzten vier Ausgaben sind die Endspiele der Champions League nicht berühmt für viele Tore geworden. Bayern – PSG, Chelsea – Manchester City, Real – Liverpool, Manchester City – Inter – immer musste ein einziges Tor für die Entscheidung genügen.

Adeyemi flankt, Füllkrug kommt herangeflogen und sucht mit einem Kopfball sein Glück. Sein Abschluss ist unpräzis, Courtois steht da und klärt. Auf der Tribüne muss sich Klopp an 2022 erinnert fühlen, weil er damals mit Liverpool gegen Real so viele Chancen hatte, aber immer wieder am 2-Meter-Mann scheiterte.

Der Corner von Kroos und der Fehler von Maatsen

Real ist seit der Pause besser. Es ist noch immer kein grosses Real, aber es reicht, um das Geschehen zu bestimmen. Vinicius flankt, Kobel springt am Ball vorbei, aber weil das auch Bellingham macht, bleibt der Fehler des Schweizers folgenlos.

Vinicius dribbelt auf seiner linken Seite, und wie er gegen Julian Ryerson den Ball kurz stoppt und ihm durch die Beine legt, ist genial. Hummels greift rettend ein und klärt in Corner. Es ist ein Corner mit Folgen, Kroos tritt an, in der Mitte kommt Dani Carvajal herangeflogen, Rechtsverteidiger von Beruf, 1,73 m klein, und lenkt den Ball in der 74. Minute mit dem Kopf ins Tor.

Dortmund ist entscheidend angeschlagen. Real setzt seinen Steigerungslauf fort, Bellingham verpasst das zweite Tor, Nacho gegen den fliegenden Kobel ebenso. Schliesslich ist es Vinicius, dem das 2:0 gelingt. Ian Maatsen schlägt einen verheerenden Fehlpass, Bellingham leitet den Ball direkt weiter, und dann ist es eben Vini Junior, dieser so provokative, aber auch geniale Stürmer, der Kobel in der 83. Minute keine Chance lässt.

12. Schuss Valverde

Wir nehmen das mal als ersten Abschluss des Spiels. Valverde aus 17 Metern vielleicht 18 Meter drüber. Da geht noch was in Sachen Feinabstimmung.

11. Madrider Druck

Die Borussen werden hier ganz früh angegriffen im Spielaufbau. Bereits am Dortmunder Strafraum beginnt das Real-Pressing. Dadurch hat Kobel viele Bälle am Fuss, schon ein paarmal hat er ihn einfach weit und weg geschlagen. Bloss kein zu grosses Risiko, heisst es.

8. Kobel angegriffen

Eines scheint klar: Real wird Gregor Kobel nicht viel Zeit geben, wenn er den Ball am Fuss hat. Eben wirft sich Vinicius in den Versuch des Schweizers, der den Ball weit spielen will. Die Kugel fliegt dann nicht ganz so weit. Aber auch ins Aus, nichts passiert bislang.

6. Anfangsphase

Die ersten drei Minuten gehören den Flitzern. Der Rest bislang Real Madrid, ohne dass dabei etwas heraus gekommen wäre.

Und jetzt eben erforschen die Dortmunder die Räume, die ihnen die Madrilenen bieten werden. Das führt zu einem ersten Eckball. Der aber wiederum für wenig Aufregung. Auch wenn Füllkrug mit dem Kopf an den Ball gekommen ist.

Selfie

Keine 30 Sekunden gespielt. Und schon ist der erste Flitzer auf dem Feld, der ganz gemütlich ein paar Selfies mit ein paar Spielern machen kann. Und dann einfach wieder zurück ins Publikum klettern kann.

Und noch einer. Und noch einer.

Grosse Sicherheit hier, ganz klar.

Marcel Sabitzer greift sich mal einen dieser Selbstdarsteller. Der legt sich auf den englischen Rasen. Und wird dann von Ordnern gepackt.

Noch fix ein Foto: Vini Jr. (rechts) freuts weniger.

Anpfiff

Das Spiel läuft. Es gilt.

Edelfan

60’000 Dortmunder sind in der Stadt, 25’000 davon im Stadion. Und so genannte Edelfans finden sich darunter auch. Wer ist schon edler als Jürgen Klopp! In Dortmund geniesst er Heldenstatus – weil er zweimal die Meisterschaft gewann und 2013 im Final der Champions League stand. Jetzt ist er da, weil er wenige Tage nach seinem Abschied in Liverpool von seinem alten Club eingeladen worden ist. Und als vor dem Spiel für Dortmund die grosse Liverpooler Hymne «You’ll never walk alone» läuft, singt und schunkelt Klopp mit seligem Blick mit. Ja, so sieht ein Fan wirklich aus.

epa11384176 Former Liverpool and Borussia Dortmund head coach Juergen Klopp (L) and his wife Ulla Sandrock (R) watch from the stands before the UEFA Champions League final match of Borussia Dortmund against Real Madrid, in London, Britain, 01 June 2024.  EPA/NEIL HALL

Wir sind bereit

So, das Wembley hat sich gefüllt. 90’000 Menschen, die sich freuen. Weiss und Schwarzgelb sind die Kurven. Dazwischen sind alle die, die irgendwie an Tickets gekommen sind. Sponsoren, Losglück, Geld? Jedenfalls sind in diesen «neutralen» Zonen die Madrilenen offenbar in der Mehrzahl. Oder man und frau und alle dazwischen tragen heute in London einfach gerne Weiss.

Ich bin auch bereit. Das Bier ist geöffnet (natürlich alkoholfrei, was denken Sie denn), die aufgewärmte Pizza von gestern fettet die Finger ein, damit auch alles flutscht. Und auf dem Rasen singt ein Mann aus der Wiege des Fussballs: Lenny Kravitz aus Brooklyn, New York.

Ich mag Lenny. Aber warum bei einem Final in London keine Engländerin singt, weiss ich halt trotzdem nicht. Da soll es doch auch die eine oder andere Band geben. Hab ich zumindest mal wo gelesen.

Spektakel vor dem Spektakel: Lenny Kravitz sorgt vor dem Anpfiff für Unterhaltung.

Kobels Anspruch

Gregor Kobel ist zweimal in Serie zum besten Torhüter der Bundesliga gewählt worden. Er hat in dieser Champions League fantastische Statistiken. Aber er ist im Schweizer Nationalteam bloss die Nummer 2 hinter Yann Sommer. Mein Kollege Thomas Schifferle ist diesem Punkt etwas nachgegangen. Und er kommt zum Schluss, dass Kobels Geduld im Nationalteam nicht ewig währen dürfte. Zu seiner spannenden Geschichte geht es hier.

Dortmund's Swiss goalkeeper #01 Gregor Kobel takes part in a training session at Wembley stadium, in London, on May 31, 2024 on the eve of their UEFA Champions League final football match against Real Madrid. (Photo by INA FASSBENDER / AFP)

Carlo Ancelotti

Der Trainer von Real Madrid hat mal ein Buch über sich selber geschrieben. Es ist wunderbar selbstironisch. Darin steht unter anderem diese Erkenntnis: «Meine fetten Pobacken sind kein besonders erbaulicher Anblick, aber mit der Zeit haben sie mich eines gelehrt: Mein Arsch ist erdbebensicher.»

Ancelotti hat es 2022 geschafft, als erster Trainer überhaupt, in allen fünf grossen Ligen Europas einen Meistertitel zu gewinnen. Er hat bereits viermal die Champions League gewonnen. Auch das hat bislang keiner ausser ihm geschafft.

Keine schlechte Bilanz für einen, über den deutsche Weltmeister Philipp Lahm geschrieben hat: «In einer Umfrage, wer der beste Trainer der Welt ist, würden die wenigsten Carlo Ancelotti sagen.»

Ancelotti hat die sagenhafte Fähigkeit, aus einer Ansammlung von Stars ein Team zu formen. Er gibt den Spielern zwar kein ausgeklügeltes System mit. Dafür so viel Eigenverantwortung, dass diese auch unter grösstem Druck nicht einbrechen.

Wie man vielleicht merkt, habe ich mal über den Italiener geschrieben. Ist zwar schon zwei Jahre her. Was ihn ausmacht, hat sich seither allerdings nicht grundlegend verändert. Wer mag, findet meinen Text über Carlo Ancelotti hier.

Sein Geheimnis vor grossen Spielen schreibe ich aber gleich hier hin: Um die Spieler von ihrer Nervosität abzulenken, erzählt er ihnen gerne mal einen Witz.

LONDON, ENGLAND - MAY 31: Carlo Ancelotti, Head Coach of Real Madrid, gestures towards his players during a Real Madrid CF Training Session ahead of their UEFA Champions League 2023/24 Final match against Borussia Dortmund at Wembley Stadium on May 31, 2024 in London, England. (Photo by Lars Baron/Getty Images)

Die Dortmunder Aufstellung

Natürlich steht er im Tor, der Schweizer Gregor Kobel. Nicht von Anfang an dabei ist Marco Reus. Aber er dürfte seinen Auftritt als Einwechselspieler bekommen. Es wird sein Abschiedsspiel im Dress der Dortmunder sein.

Die Aufstellung von Real

Die grosse Frage bei Real Madrid ist beantwortet: Es steht Thibaut Courtois im Tor – und nicht Andriy Lunin.

Heute Abend ist auch der Moment des Adieus für einen ganz Grossen im Real-Dress. Toni Kroos hat seinen Rücktritt vom Fussball auf das Ende der Europameisterschaft angekündigt.

Final-Statistik

Die europäischen Erfolge von Real Madrid sind faszinierend. 14-mal haben die Madrilenen die Champions League beziehungsweise den Meistercup gewonnen. Bloss dreimal haben sie einen Final verloren. Nach den acht Endspielen, die sie in der Ära der Champions League gespielt haben, haben sie jedesmal gejubelt. Das letzte mal hat die spanische Titelmaschine 2022 gewonnen, nach einem 1:0 gegen den FC Liverpool.

Die Dortmunder Finalgeschichte ist etwas kürzer. 1997 hat die Borussia gegen Juventus Turin 3:1 gewonnen. 2013 verlor Dortmund gegen Bayern München 1:2. Spielort des damaligen Finals: Das Wembley in London.

Die Schweizer im Final

Gewinnt Borussia Dortmund heute, dann ist Gregor Kobel der erst dritte Schweizer, der die Champions League gewinnt, und im Final auch zum Einsatz gekommen ist. Das ist vor ihm Stéphane Chapuisat 1997 ebenfalls mit Borussia Dortmund gelungen. Und im letzten Jahr war es Manuel Akanji, der mit Manchester City siegreich war.

Ebenfalls Champions-League-Gewinner nennen dürfen sich Ciriaco Sforza und Xherdan Shaqiri. Sie beide waren aber in ihren Teams keine prägenden Figuren und standen im Endspiel nicht auf dem Feld.

Stephan Lichtsteiner ist der einzige Schweizer, der in einem Final gespielt hat, aber nicht als Sieger vom Feld gegangen ist. Sein Juventus Turin unterlag 2015 dem FC Barcelona.

Der Schweizer Stuermer Stephane Chapuisat (rechts) freut sich in Muenchen zusammen mit seinem Teamkollegen Paulo Sousa, der den Pokal stemmt, ueber den Gewinn der Champions League, aufgenommen am 28. Mai 1997. Es war die Kroenung der Karriere von Stephane Chapuisat: Vor 59'000 Zuschauern im ausverkauften Muenchner Olympia-Stadion entthronte Borussia Dortmund im Champions League-Final Juventus Turin. Die Borussen mit 3:1. Der Erfolg der Deutschen war alles andere als erwartet worden. (KEYSTONE/EPA/DPA/Achim Scheidemann)

Herzlich willkommen!

Schön, dass sie dieses Endspiel der Champions League bei uns verfolgen. Schon zum zweiten Mal in Serie steht ein Schweizer im Final des wichtigsten Clubwettbewerbs der Fussballwelt. Letztes Jahr konnte Manuel Akanji mit Manchester City am Ende jubeln. Heute steht Gregor Kobel im Tor des klaren Aussenseiters.

Borussia Dortmund hat eine enttäuschende Saison in der Bundesliga hinter sich. Real Madrid ist souverän spanischer Meister geworden. Aber was gibt es schöneres als ein Underdog, der sich gegen das Schicksal und einen höher eingeschätzten Gegner auflehnt?