Highschool-Komödie «Bottoms»Auch Frauen dürfen Loser sein
Nominiert für den lustigsten Film des Jahres: der queere, blutige und fantastisch unperfekte Teeniefilm «Bottoms» des Regietalents Emma Seligman.
Der Skandal vorneweg: Der lustigste Film dieses unlustigen Jahres verstaubt in Deutschland seit Anfang dieser Woche auf Amazon Prime statt im Kino. «Bottoms» der kanadischen Regisseurin Emma Seligman war in diesem Spätsommer ein kleines Ereignis in den USA samt internationalen Kritiken, Magazin-Coverstorys und medialer Bejubelung junger, neuer Stars.
«Bottoms» parodiert, ehrt und seziert das Genre der Highschool-Komödie. Wir befinden uns in einer surrealen amerikanischen Fantasie-Kleinstadt, in der Footballspieler niemals ihre breitschultrigen Trikots ablegen, Dates grundsätzlich in einem Diner bei Erdbeermilchshakes stattfinden und sich die gesamte Highschool mit pinker Zuckerwatte auf dem Jahrmarkt trifft. Die beiden Hauptfiguren PJ und Josie sind typische Loserinnen, wie man sie so ähnlich aus «American Pie» oder «Superbad» kennt. Sie fühlen sich hässlich, untalentiert, sie tragen Hosenträger und übergrosse Karohemden.
Auf ihren Spindtüren stehen täglich queerfeindliche Schmierereien, die sie schulterzuckendend mit «Ehrlich? Ich bin Tunte Nummer zwei diesmal? Du bist der Sidekick, nicht ich» hinnehmen. (An dieser Stelle der dringende Rat, den Film in Originalversion anzuschauen, Untertitel sind eine tolle Sache!) Und selbstverständlich sind beide unglücklich verliebt in die schönsten Mädchen der Schule, zwei anorektische Cheerleaderinnen.
Die beiden Aussenseiterinnen haben nur einen Vorteil: Sie umschwirrt das Gerücht, den Sommer in der JVA, dem Jugendknast, verbracht zu haben. Grosse Ehre für Teenager. Als sie merken, dass der kriminelle Duft die süssen Cheerleaderinnen anzieht, lautet die Antwort auf die alles entscheidende Frage «Wie mache ich jemanden in mich verliebt?»: mit einem Fight Club. Sie gründen also offiziell einen Selbstverteidigungskurs und erschwindeln sich Kompetenz mit der harten Vergangenheit aus der JVA. Josie erfindet ausserdem einen Fastmord, der alle Mädchen schwer beeindruckt.
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All das erzählt der Film mit rasendem Pointentempo. Von Anfang an ist klar: Hier geht Witz vor Handlung, man flippt lieber aus, als auf psychologische Figurenführung zu achten. Was nach einer halben Stunde ermüdend sein könnte, man muss schon ein begnadeter Gag-Autor sein, um Spannung allein mit Pointen aufrechtzuerhalten.
Queere Frauen dürfen sich endlich wie notgeile Arschlöcher verhalten
Im Vergleich mit anderen Serien des Genres geht «Bottoms» fünf Schritte weiter: Feministische, queere Charaktere sind nicht tragisch oder verletzlich wegen ihrer Sexualität. Sie sind es wegen Unisex-Nachteilen wie Talentlosigkeit, Hässlichkeit oder weil die eigene Mutter mit einem Footballspieler schläft. Man befindet sich jenseits von Genderdebatten, Post-Identitätspolitik. Queere Frauen dürfen sich endlich wie notgeile Arschlöcher verhalten.
Perfekt ist der Film auf keinen Fall. Grosse charakterliche Fragen bleiben ungelöst oder verwischen gegen Ende, etwa als theoretisch PJs Herz brechen müsste, weil ihre grosse Liebe Brittany definitiv «straight» ist. Aber vor allem zeigt der Film eins: Liebe für albernen, klugen und irren Humor.
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